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Medien: Tomi Ungerer im Interview: Aufklären, erziehen, positiv denken

Tomi Ungerer, 69, hat in den vergangenen 40 Jahren mehr als 150 Bücher veröffentlicht. Seinen ersten großen Erfolg feierte er 1957 mit "The Mellops Go Flying".

Tomi Ungerer, 69, hat in den vergangenen 40 Jahren mehr als 150 Bücher veröffentlicht. Seinen ersten großen Erfolg feierte er 1957 mit "The Mellops Go Flying". Der Elsässer lebt seit 1976 mit seiner Familie in Südirland und in Straßburg. Eines der wichtigsten Themen von Tomi Ungerer ist die Toleranz, die Bekämpfung von Hass, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Er ist Zeichner, Karikaturist, Schrifsteller, bekennender Europäer - und offizieller Botschafter des Europarates in Straßburg für Jugend und Erziehung. Eines der ersten Projekte, die Tomi Ungerer in dieser Funktion auf den Weg brachte, ist eine achtteilige Trickfilmreihe für mehr Toleranz. Der Pilotfilm "Die Blaue Wolke" wird am 3. Dezember in der ARD-"Sendung mit der Maus" ausgestrahlt.

Herr Ungerer, der Pilotfilm zur TV-Reihe für mehr Toleranz ist bald fertiggestellt. Insgesamt werden acht Filme produziert, die auf Ihren Kinderbüchern beruhen. Was erhoffen Sie sich von dem Projekt?

Das Wort Toleranz benutze ich nicht gern. Es klingt arrogant, ich spreche lieber von Respekt. Respekt vor der Natur, vor den Menschen, vor den Rassen. Wir haben dazu im Europarat einen tollen Slogan: Tous égaux, tous différents, alle sind gleich, alle sind unterschiedlich. Diese Reihe ist Teil eines Gesamtplanes. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen mehr Respekt und Achtung voreinander beizubringen.

Der Pilotfilm ist eine Bearbeitung des Buches "Die Blaue Wolke". Es handelt von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, die nicht friedlich zusammenleben. Bis die blaue Wolke auf sie niederregnet und allen die gleiche Farbe verpasst. Nach den Attentaten in New York und seit dem Krieg in Afghanistan scheint das Buch aktueller denn je.

Das stimmt. Uns droht jetzt vielleicht sogar ein neuer Weltkrieg, weil es die Amerikaner immer weiter getrieben haben. Sie haben nichts gelernt aus Vietnam und dem Golfkrieg. Das große Problem ist die Arroganz der Macht. Statt in Bildung zu investieren, wird in Krieg investiert. Und so entsteht ein Teufelskreis: Toleranz ist das Ergebnis von Erziehung und Bildung, doch für Bildung ist kein Geld mehr da. Um gegen Rassismus zu kämpfen, muss man die Kinder von klein an aufklären.

Nun ist Rassismus kein amerikanisches, sondern ein globales Problem. Überall muss dagegen gekämpft werden. Und Sie müssen immer wieder bei Null beginnen.

Es ist deprimierend. Ich leide unter Weltschmerz, ich leide unter der Blödheit der Leute. Die Geschichte hat sich nicht geändert, aber man muss trotzdem weitermachen. Ich tue, was ich kann.

Es soll nicht bei der Filmreihe für mehr Toleranz bleiben. Sie schreiben und zeichnen auch noch Bücher - mit welchen Themen?

In einem der Bücher geht es um das Thema "Freunde machen, Freunde haben". Es ist die Geschichte eines asiatischen Jungen, der ganz am Rande der Gesellschaft lebt. Für ihn ist es besonders schwer, Freunde zu finden. Ich arbeite immer an mehreren Büchern gleichzeitig. Meine nächsten Bücher haben alle ein bestimmtes Ziel: Es geht um Aufklärung, Bildung, Respekt und Achtung. Das sind die alten und neuen Themen. "Otto", ein älteres Buch, ist mir sehr wichtig. Das siebenjährige Kind wird ganz brutal und direkt mit dem Krieg konfrontiert. Ich glaube, ich war damals der Erste, der den Kindern so drastisch zeigte, was Krieg bedeutet: Jeder leidet.

In Amerika haben Sie Ihre ersten Erfolge als Kinderbuchautor gefeiert. Dann kam die McCarthy-Ära, und Ihre Bücher verschwanden aus den Regalen. Wie sieht es heute aus?

Ich habe mit meinen Vietnam-Plakaten dagegen protestiert und wurde vom FBI verhaftet. Meine Kinderbücher sind heute noch in Amerika verboten. Ich werde boykottiert.

Was bedeutet das für die Filmreihe?

Das bedeutet, dass die amerikanischen Kinder diese Trickfime wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen.

Wie müsste denn Ihrer Meinung nach Medienerziehung aussehen?

Der Fernsehkonsum sollte viel mehr von den Eltern gesteuert werden. Eine Möglichkeit ist, den Kindern gute Videokassetten zu geben. Die Kinder lernen heute sehr viel vom Fernsehen, nicht nur Wissen, sondern auch Verhalten und Umgang miteinander. Deshalb hat das Fernsehen auch einen Erziehungsauftrag. Erziehung zu Achtung und Respekt. Ich will Bücher und Filme herausbringen, bei denen das Kind die Hilfe der Eltern braucht, um Fragen zu beantworten. Die Eltern sollen gezwungen werden, mehr zu erklären und zu erzählen. Dann denken sie auch mehr über sich nach.

Was in unseren Medien allerdings fehlt, sind die positiven Schlagzeilen. Ich habe kürzlich einen langen Artikel in einem deutschen Magazin gelesen über alles, was nicht funktioniert im deutschen Schulsystem - und keine einzige Zeile mit einem konstruktiven Vorschlag. Das ist es, was ich kritisiere. Die positiven Beispiele, die Mut zur Nachahmung machen, fallen unter den Tisch.

Sie haben selbst Kinder und sind Botschafter des Europarates für Jugend und Erziehung. Was ist Ihre Botschaft für die Kinder - und für die Erwachsenen?

Wir leben in einer egoistischen Konsumgesellschaft. Man sieht nur den eigenen Profit. Aber auch an den anderen zu denken, macht Spaß. Es gibt nicht Profitableres als ein Lächeln. Das kostet nichts und bringt einen mit anderen in Kontakt.

Herr Ungerer[der Pilotfilm zur TV-Reihe für]

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