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Erschütternde Spekulationen. Die Krankenhaus-Story über Helmut Kohl im „Neuen Blatt“ enthällt erschreckend oft den Begriff „soll“.

© Repro: Tsp

TOPF VOLL Gold: Die ganze Wahrheit – nur bei uns

Ein erschütterndes Drama um Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl, verkündet der Titel des "Neuen Blatt". Erschütternd ist jedoch vor allem der Faktenmangel der Story.

Immer dann, wenn Helmut Kohl bei einer Gedenkfeier auftaucht, ihm etwas zustößt oder er einfach mal wieder auf der Titelseite erscheinen soll, haut Jacqueline Müller in die Tasten. Sie ist die Altkanzler-Beauftragte beim „Neuen Blatt“. Derzeit liegt Kohl in der Heidelberger Uni-Klinik, weil nach einer geplanten Hüftoperation eine ungeplante Darm-OP nötig war. Und so durfte Jacqueline Müller diese Woche mal wieder eine große Titelgeschichte schreiben.

In der Ankündigung auf dem Cover verspricht „Das neue Blatt“ die ganz großen Konflikte: ein „erschütterndes Drama in der Klinik“, den „verzweifelten Kampf der Ärzte“, einen „bitteren Familienkrieg“. Und vor allem: „Nur bei uns die ganze Wahrheit“. Die beinhaltet allerdings auffällig oft das Wort „soll“: Ein weiterer Eingriff „soll gefolgt sein“, Kohl „soll längere Zeit ohne Bewusstsein gewesen sein“, er „soll seit Wochen im Dämmerzustand liegen“, zitiert Müller einen anonymen Familienvertrauten. Trotz der vielen Unwägbarkeiten kommt die Leiterin des Showressorts zum glasklaren Urteil, dass dies Kohls „trauriges Ende“ sei.

Sowieso geht Jacqueline Müller nicht gerade zimperlich mit der Familie Kohl um. Den Kanzler a. D. schrieb sie schon einmal um die Ecke, als sie auf der Titelseite verkündete, er sei „nach Depressionen, Schmerzen und Einsamkeit“ nun „endlich erlöst“. Und bereits früher schnüffelte sie gemeinsam mit einer Kollegin Kohls Ehefrau hinterher: Die zwei „Neue Blatt“-Mitarbeiterinnen fuhren nach Oberheuslingen und quetschten dort einstige Nachbarn, Mitschüler und Haushaltshilfen Maike Kohl-Richters aus. Herausgefunden haben sie damals nichts. Die Überschrift lautete trotzdem: „Helmut Kohl – Die unheimliche Vergangenheit seiner Frau“. So richtig unheimlich ist daran allerdings nur, dass „Das neue Blatt“ aus Nichts immer wieder Tote und Intrigen strickt.

Moritz Tschermak

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