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Peter (Lars Eidinger) und seine Frau Elisabeth (Ursina Lardi).

© WDR/Oliver Feist

Tragikomödie: Lars Eidinger glänzt in „Du bist dran“

Lars Eidinger ist in der Tragikomödie „Du bist dran“ nicht großartiger als das übrige Ensemble – das macht den Film großartig.

Der Titel hat ja nun gar keinen Sex: „Du bist dran“. Klingt allenfalls nach „Lindenstraße“ auf Speed. Ist aber keine ARD-Soap, sondern ein ARD-Film. 90 Minuten lang, eine Fiktion mit der größten Nähe zur gesellschaftlichen Realität. Peter (Lars Eidinger) steckt böse fest in seinem Leben. Der Möbelrestaurateur mit abgebrochenem Industriedesign-Studium, er ist so kurz vor 40, ist immer stärker in die Rolle des Hausmanns gerutscht. Seine Frau Elisabeth (Ursina Lardi) arbeitet engagiert und zunehmend erfolgreicher in der Entwicklungshilfe, in den Randzeiten des Tages ist sie zu Hause. Die beiden Kinder, der 15-jährige Robby (Liam van Enschot) und die siebenjährige Laura (Johanna Scharf) gehören zu Peters Aufgabenbereich.

„Du bist dran“, das ist der zumeist schrill-scharfe Erlösungsruf eines Beziehungs-, Familien-, Ehe-Partners zum anderen. Peter ist genervt, unzufrieden. Das Rollenmodell in seiner Familie sieht er als gegen sich gerichtet. Die Frau macht Karriere, jetzt will sie gar nach Kenia, und er schrubbt die Toilette. Und der eigene Vater (Horst Westphal), sitzt, kaum dass die eigene Frau und Mutter begraben ist, schon mit einer neuen Partnerin im Wohnzimmer.

Peter setzt sich mit seinem Leben nicht auseinander – er nimmt es auseinander. Sowieso mit dem nicht größten Selbstwertgefühl ausgestattet, verlangt er in jedem Moment Bestätigung seiner Umwelt für sich, jede Kritik ist ihm Kränkung, er schlägt um sich, er, der Respekt fordert, hat diesen nicht mal vor sich selber (ein Trailer).

Spannung, Wucht, Qualität

„Du bist dran“ stellt Peter ins Zentrum, und doch ist der Film von Sylke Enders, Regie und Buch, klug genug, das gesamte Personal – Frau, Vater, Kinder – auf die schiefe Ebene zu stellen. Das bringt den 90 Minuten erheblichen Ertrag an Spannung, Wucht und diskursiver Qualität. Ist schwierig: Meistens agiert der Film in den Wohnungen, irgendwelche Fluchten in neue Handlungsräume sind verbaut. „Du bist dran“ handelt konsequent vom Alltag, einem Alltag, der sich von den Rändern her aufzulösen beginnt. Vieles ist da peinlich zu denken. Überdehnte Typisierungen, Dialoge, denen das Klischee als Charakterisierung dient. Lösungen wie krampflösende Mittel, Fiktion, die sich in die Doku-Fiktion gemein macht.

„Du bist dran“ ist viel normaler, viel raffinierter. Eine Momentaufnahme vom heutigen Leben, von Rollenzuschreibungen und Reibungen daran. Großes Identifikationspotenzial, großes Fragenbecken: Wer verhält sich richtiger, wer hat recht, wer ist egoistischer. Der Film sagt in sein Publikum hinein: Ihr seid dran, die Fragen zu beantworten.

Schon auch ein Film über einen klassischen Rollenkonflikt, über das Verhältnis zu sich selbst, seinem Partner, seiner Familie, seinen Eltern. Die Fragen, die in diesen Lebensgeschichten existenziell werden, werden nur in diesem Milieu existenziell – und so richtig existenziell sind sie nicht.

Regisseurin und Autorin Enders konnte Lars Eidinger für Peter, Ursina Lardi für Elisabeth und Horst Westphal für Herbert besetzen. Allesamt keine Poseure, allesamt in der Lage, glaubwürdige Menschen in Alltags- und nicht in Ausnahmesituationen zu spielen. Das würde der Zuschauer sofort merken, wenn etwas nicht stimmt, aufgesetzt ist, gespielt wirkt, wenn die Fiktion die ausgestellte Realität übertölpeln will. Ist „Du bist dran“ ein weiterer großartiger Lars-Eidinger-Film, die Bestätigung dieses Schauspielers als Stimme und Figur seiner in seinen Männern verwirrten Generation? Nein, Eidinger ist nicht großartiger als das übrige Ensemble. Und das ist großartig.

„Du bist dran“, 20 Uhr 15, Mittwoch, ARD

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