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„Letztlich eine Geschmacksfrage“, relativiert Philipp Burger, Sänger und Texter der Südtiroler Band Frei.Wild, die Bedeutung von völkischen Liedtexten.

© ZDF und Lucia Palacios

TV-Doku: Soundtrack der NSU

In der Dokumentation „Deutsche Pop-Zustände“ geht 3sat der Geschichte rechter Musik nach - also von Bands wie Noie Werte, Frank Rennicke und Frei.Wild

Das Hip-Hop-Trio Antilopen Gang hatte letztes Jahr einen kleinen Hit mit dem Song „Beate Zschäpe hört U2“. Dieses locker federnde musikalische Dunkeldeutschland-Porträt spannt einen Bogen von rassistischem Stammtischgerede über durchgeknallte Verschwörungstheoretiker bis hin zu rechtsradikalen Gewalttätern. Netter Linksrap für die WG-Küche, dessen gesungene Titelzeile darauf anspielt, dass bei der Durchsuchung eines NSU-Verstecks tatsächlich Alben von U2 gefunden worden sein sollen.

Vielleicht ein Fehlkauf oder eine heimliche Liebe, denn vor allem standen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auf Rechtsrock. Sie gingen oft auf Konzerte der Szene, trafen sich dort mit Gesinnungsgenossen. Und so unterlegte das Terroristen-Trio sein erstes Bekennervideo auch nicht mit einem U2-Song, sondern mit den Liedern „Am Puls der Zeit“ und „Kraft für Deutschland“ der schwäbischen Rechtsrock-Kapelle Noie Werte. Das reißerische Video steht am Beginn der Fernsehdokumenation „Deutsche Pop-Zustände – Eine Geschichte rechter Musik“ von Lucía Palacios und Dietmar Post, die im Rahmen des 3sat-Themenabends „Rechts – extrem – gefährlich“ zu sehen ist.

Die Filmemacher haben zahlreiche Experten, Soziologen, Musiker, Labelmacher sowie einen Aussteiger besucht, denen sie auf einem Laptop rechtes Liedgut und Videos vorspielen, auch einige linke Gegenstimmen von Slime, Die Ärzte oder der Antilopen Gang sind vertreten. Anschließend wird analysiert und kommentiert. Auf zusätzliches Filmmaterial und Kommentare haben Palacios und Post verzichtet, wodurch die Doku ruhig und konzentriert wirkt, aber auch eine gewisse Monotonie entfaltet – zumal drei Gesprächspartner anonymisiert wurden.

Texte ohne strafrechtlich relevante Inhalte

Lange geht es um die Neunziger, in denen die rechte Szene größer und professioneller wird. Die Sänger formulieren ihre Texte nun so, dass sie keine strafrechtlich relevanten Aussagen mehr enthalten, von der Szene aber immer noch decodiert und gefeiert werden können. So sang etwa Liedermacher und NPD-Mitglied Frank Rennicke in seiner „Parodie auf ein Tabudatum“ ein Geburtstagsständchen für „Adi den Ehrenmann“. Der Kunstgriff, den der Musiker im Film noch mal stolz erklärt: Es geht angeblich um den SPÖ-Politiker Adolf Schärf, der wie Hitler am 20. April geboren wurde. Der 3sat-Dokumentarfilm „Deutsche Pop-Zustände“ wiederholt zwar viel Bekanntes wie den Riefenstahl-Flirt von Rammstein, doch es gelingen auch aufschlussreiche Momente: Etwa wenn Michael Weiss vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin mit Philipp Burger von der Südtiroler Rockband Frei.Wild einen Fern-Dialog über völkische Liedtexte und die Geschichte Südtirols führen, in dem Burger mit seinen Relativierungen („letztlich ist es eine Geschmacksfrage“) eindeutig den Kürzeren zieht.

Sind Frei.Wild eher eher alte Schule, blicken Palacios und Post gegen Ende auch auf die aktuellen Ausprägungen rechter Pop-Phänomene, bei denen ein neues Element dazukommt: wirre Verschwörungstheorien, die nicht nur Xavier Naidoo zu faszinieren scheinen, sondern auch in den Texten von Rechtsrappern wie Makss Damage und Dee Ex auftauchen. Leider wird das Kapitel Neonazi-Rap nur angeschnitten – es wäre ein gutes Thema für einen eigenen Film. Nadine Lange

„Deutsche Pop-Zustände“, 3sat, Mittwoch um 23 Uhr 25

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