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TV-Kritik: Guten Appetit zum Song Contest!

Am Dienstagabend startete mit dem ersten Halbfinale der Eurovision Song Contest - und das gleich mit einer Tonpanne. Jetzt bleibt den Organisatoren nichts anderes als üben - bis zum Finale am Samstag.

Minutenlang war Peter Urban, Deutschlands Grand-Prix-Moderator nicht zu hören. Dann schafften es die Techniker immerhin eine Telefonverbindung herzustellen. Es knackte wie in alten Grand-Prix-Zeiten. "Nein, wir senden nicht aus Kasachstan, sondern aus Düsseldorf! Ersparen Sie mir bitte jeden Kommentar!", sagte Urban leicht angesäuert.

Und was hatte der Abend sonst zu bieten? Großer Laser-Einsatz, drittklassige Sanges-Darbietungen, Touristen aus halb Europa, die bei den Außen-Moderatoren Elton und Sonya Kraus ansingen dürfen, dazwischen ein 19-jähriges Fräulein aus Hannover, das, zugegeben, hübsch aussieht und gut singen kann. Ist das alles?

Schon, wenn man in das Fernsehprogramm guckt. Die ARD hat mit "ESC 2011 - Die Show für Deutschland" montags bis freitags um 18 Uhr 50 mal eben ihr Format-Problem am Vorabend gelöst. In der Zitrone ESC soll viel, viel Saft sein. Jeden Abend darf ein anderer Moderator in der Düsseldorfer Arena aus der "ARD-Lounge" ran, die ein bisschen so aussieht wie früher das blaue WM-Studio bei Gerhard Delling und Günter Netzer. Ach, wenn doch nur WM-Halbfinale wäre. Wenn doch nur die Beiträge in dieser öffentlich-rechtlichen ESC-Show nicht irgendwie den Tatbestand der Sendezeitvernichtung erfüllen würden.

Am Dienstag plauderten Barbara Schöneberger, Comedian Kaya Yanar und der Journalist Jan Feddersen 50 Minuten munter drauflos. Anekdötchen über Anekdötchen, lustige Rückblicke, Gespräche, Wissens-Spiele. Spannender Höhepunkt war, wie Lena in die Garderoben der Konkurrenz Kartoffelsalat mit Würstchen brachte. Soll das Appetit anregen?

Ein paar Minuten später tauchten Lena und ihr Kartoffelsalat, welche Überraschung, bei Pro7 auf. ARD und Pro7 teilen sich wie im vergangenen Jahr die Ausrichtung und Übertragung des Song Contests, Lena und nun auch noch ihren Kartoffelsalat. Vorschlag für den ESC 2012: Parallelübertragungen! Unbedingt! Wie zuletzt bei der englischen Prinzenhochzeit. Mit "Eurovision total" hat Pro7 seinen täglichen Beitrag zum Thema "Und wir warten aufs Christkind/ESC-Finale/Lena". Wer Unterschiede zur ARD, zur "Show für Deutschland" finden will, darf die nächsten Tage ruhig weiter suchen.

Pro7 hat auch eine Lounge, einen Vielquassler namens Matthias Opdenhövel, verlässt sich dabei nur nicht alleine auf Rückblicks-Bilderbogen á la "Die Top Ten der schlechtesten ESC-Frisuren", sondern verdient sich mit Telefongewinnspielen wie "Mit welchem Song gewann Nicole 1982 den Wettbewerb? (A: Ein bisschen Frieden oder B: Zwei bisschen Frieden) noch ein bisschen was dazu. Das Ganze hier kostet ja auch was. Über zehn Millionen Euro für die Veranstaltung tragen alleine die Gebührenzahler via ARD

Zum Rechnen und Rätseln blieb am Dienstagabend aber kaum Zeit. Es ging Schlag auf Schlag weiter. Erstes ESC-Halbfinale, auch auf Pro7. Das Wichtigste aus televisionärer Sicht: Stefan Raab, Anke Engelke und Judith Rakers und die Frage nach der Moderatoren-Vorherrschaft. Ein Lautmaul-Moderator, ein Comedian, eine coole Nachrichtendame, ein eigenartiges Trio präsentierte dem Weltpublikum und vor allem den 19 teilnehmenden Halbfinalisten wie Kroatien oder Armenien den deutschen Eurovision Song Contest. Engelke ist in Kanada aufgewachsen, spricht fließend Englisch und Französisch. Rakers kann dazu noch Italienisch und machte später ein bisschen backstage bei den Combos aus Portugal, Serbien oder San Marino. Stefan Raab versuchte, in schlechtem Englisch die große Arena zu bespielen.

Einer, eine, hätten wohl auch gereicht. Das gilt noch mehr für die deutschen Kommentatoren Peter Urban und Steven Gätjen, die sich bei der Vorstellung der 19 größtenteils unfassbar skurrilen Choreografien in die Parade fuhren und später dann über der kaputten Tonleitung saßen. Trotzdem, blamiert haben wir Broadcaster uns in den zwei Stunden vor der Welt im Großen und Ganzen wohl nicht. Für die drei Moderatoren ist bis zum Finale am Samstag noch Luft nach oben, gerade, was die Rollenverteilung betrifft. Am Samstag werden 120 Millionen Zuschauern vorm Fernseher sitzen, zwölf mal mehr als bei "Wetten, dass…?"

Die Welt ist alles, was Lenas Kartoffelsalat ist.

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