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Medien: Über Gebühr?

ARD und ZDF finanzieren das Profiboxen in Deutschland mit

Die Leistungsbereitschaft der Deutschen ist wirklich groß. Wenn es ums Boxen geht. Am Samstag saßen um 23 Uhr 52 beinahe acht Millionen Menschen vor ihren Fernsehgeräten. Die ARD übertrug den WM-Kampf zwischen dem Russen Nikolai Walujew und dem Amerikaner John Ruiz. Über 7,5 Millionen Zuschauer hatten zuvor Frauen-Boxen gesehen: Laila Ali, eine Tochter von Muhammad Ali, hatte die Schwedin Maria Asa Sandell besiegt. Mehr Publikum hatte 2005 noch kein Boxabend im Ersten.

Die erreichten Einschaltquoten bewegen sich auf dem Niveau eines Freundschaftsspiels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Mit den Box-Übertragungen haben sich die Sender Programm eingekauft, das bei einem großen Publikum hervorragend ankommt. Früher, als Henry Maske und Axel Schulz in den Ring stiegen, war der Faustkampf eine Angelegenheit des privaten Fernsehsenders RTL, jetzt ist sie eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. Die ARD hat sich mit dem Boxstall Sauerland verbündet, das ZDF mit dem Boxstall Universum. Geschäfte auf Gegenseitigkeit. Der Boxstall Universum hat nach Angaben seines Medienchefs Christoph Rybarczyk mit dem ZDF einen Fünf-Jahres-Vertrag abgeschlossen, er läuft von 2002 bis 2007. Seit Sommer 2002 hat es 48 Veranstaltungen gegeben, die vom Zweiten übertragen wurden. Jeder Abend besteht aus sieben bis zehn Kämpfen, darin sind ein bis zwei Hauptkämpfe eingeschlossen, die live gezeigt werden, zwei bis vier Fights gibt es in Zusammenfassungen.

Was das ZDF für den Vertrag bezahlt hat, sagt Rybarczyk nicht, aber: „Ohne das Geld vom ZDF wäre unsere Einnahmesituation ganz anders. Die Summe, die der Sender bezahlt, ist erheblich.“ Alle vier Kombattanten, die beiden Sender und die beiden Boxställe, betonen, dass es Boxen in Deutschland auch ohne das Fernsehen gäbe, alle vier wollen nicht darüber spekulieren, wie es um den Boxsport ohne das Fernsehen bestellt wäre.

Das gebührenfinanzierte Box-Fernsehen ist in der Mitte des Fernsehpublikums angekommen. „Da schauen Oma und Opa zu“, sagt Rybarczyk. Und wenn Regina Halmich boxt, dann schalten vermehrt Frauen zwischen zwölf und 18 Jahren ein. Und: „Das Publikum lässt sich nicht mehr verarschen.“ Schein-Boxen, Rummel-Boxen, das ginge nicht, gute sportliche Duelle müssten es sein; so ein Kampf wie der von der Ali-Tochter und der Schwedin würde dem Ansehen des Sports eher schaden als nutzen. Auch hat sich herausgestellt, dass das Beiwerk – Musik-Acts, Nummern-Girls, Matadoren-Einmärsche, Reporter-Clowns, marktschreierische Kommentatoren – den Erfolg eines Boxabends nicht herbeiinszenieren kann. Es ist eben wie beim Fußball: Ist das Spiel ein Graus und die eigene Mannschaft ebenso, dann ist die Stimmung beim Zuschauer schlecht.

Wenn ein Programm im Fernsehen funktioniert, dann will das Medium mehr und mehr davon. 50 Profi-Boxer hat Universum unter Vertrag, nicht alle aber sind fernsehtauglich, also bekannt und auf WM-Level. „Regina Halmich hat im ZDF vier Mal in diesem Jahr geboxt“, sagt Rybarczyk, „das war schon einmal zu viel“, selbst für eine austrainierte Spitzensportlerin. Aber der Sender wollte das Geld, die Quote – also boxte Halmich vier Mal. Rund 26 Millionen Zuschauer haben ihre vier Auftritte 2005 verfolgt.

Karl-Günther Wollscheid, er ist der Programmgeschäftsführer Sport der ARD, sagt, „wir finanzieren nicht den Boxsport, sondern wir übertragen Boxabende, die beim Publikum großen Anklang finden – wie die Übertragungen von der Leichtathletik und vom Fußball.“ Auch dort würde das Erste mit Gebührengeldern entsprechende Sendelizenzen erwerben.

„Boxen wird vom Zuschauer als Sport begriffen, gesehen und gemocht.“ Das hat Nikolaus Brender erkannt, Chefredakteur des ZDF und ein am Boxen interessierter Zuschauer. Außerdem, sagt Brender, „kann die Abbildung von Faustkämpfen jeder auf griechischen Vasen sehen – und die gehören zum abendländischen Kulturgut.“ Nun sammelt das ZDF nicht nur Vasen, sondern überträgt auch Boxabende, die vom Boxstall Sauerland zusammengestellt und vom Sender auf die sportliche Qualität hin geprüft werden. „Wir übertragen erst, wenn wir von den Paarungen überzeugt sind“, sagt Brender. Die Summe, die der Boxstall überwiesen bekommt, richte sich nach dieser Qualität und nach den Einschaltquoten. Summen nennt Brender nicht, betont jedoch, dass „ein Boxabend mit lauter Knockouts in der ersten Runde kein kostengünstiges Programm wäre“. Zu viel investiert für zu wenig Programm.

Heißt: Ein Boxer muss über Gebühr einstecken können, wenn er ein guter öffentlich-rechtlicher Boxer sein will.

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