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Unabhängigkeit sieht anders aus: Putins Posaunen

Warum es gut ist, dass Ria Nowosti die insolvente dapd nicht übernommen hat. Die russische Agentur ist nichts anderes als eine Propadanda-Plattform der Moskauer Regierung

Auf die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti hatten sich die letzten Hoffnungen der dapd konzentriert. Leider aber hätte keine „Zustimmung der Gesellschafter von Ria Novosti für eine Beteiligung an der Sanierung“ vorgelegen, hieß es in der Pressemitteilung. Offenbar hat das Scheitern der Verhandlungen also an den Russen gelegen. Von deutscher Seite scheint es keine laut formulierten Einwände gegen den Einstieg gegeben zu haben – und das ist mehr als merkwürdig.

So schlimm das Ende der dapd für die 175 festen und die freien Mitarbeiter ist, die ab sofort auf der Straße sitzen – dass diese Idee überhaupt Chancen auf Realisierung hatte (und vielleicht sogar noch hat), ist ein Unding. Der Grund liegt auf der Hand: Ria Nowosti ist keine unabhängige Nachrichtenagentur wie dpa, Reuters oder AP, sondern ein staatlich finanziertes Propagandainstrument. Es untersteht direkt dem Kreml und hat die klare Aufgabe, möglichst viele Nachrichten im Sinne der russischen Führung zu streuen.

Der Deutsche Journalisten-Verband hatte sich in einer Pressemitteilung lediglich „bestürzt über das Ende der dapd“ gezeigt. Zu möglichen medien- und gesellschaftspolitischen Folgen einer Übernahme durch Ria Nowosti sagte Pressesprecher Hendrik Zörner dem Tagesspiegel: „Wenn das so gekommen wäre, hätten wir schon sehr klar gefordert, dass die redaktionelle Unabhängigkeit der dapd auf jeden Fall gesichert sein müsste, zum Beispiel durch ein Redaktionsstatut. Denn die ganzen Bedenken gegen eine staatliche Nachrichtenagentur aus Russland haben wir durchaus gesehen und teilen sie auch.“ Das hätte man laut Zörner aber vermeiden können, wenn es klare Garantien gegeben hätte, dass die redaktionelle Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

Ria Nowosti verbreitet täglich rund 5000 Bilder, Texte, Videos, Infografiken und Audiomeldungen, Nachrichten auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch Arabisch, Persisch und Chinesisch und hat die größte Fotoredaktion russischer Medien. Damit die Meldungen und Meinungen auch in der Bevölkerung größtmögliche Verbreitung finden, dürfen Blogger Multimedia-Nachrichten sogar kostenlos für ihre Blogs verwenden – getreu dem Credo des stellvertretenden Chefredakteurs Valery Levchenko, dass Nachrichtenagenturen lieber heute als morgen Nachrichtenkonsumenten direkt ansprechen und sie als Kunden gewinnen“.

In Moskau residiert auch der internationale, staatlich finanzierte News-Channel Russia Today (RT), der auf Englisch, Spanisch und Arabisch sendet. Der Kanal wurde 2005 als Gegengewicht zu CNN International und BBC World gegründet mit dem klaren Ziel, „Vorurteile und Klischees über Russland abzubauen und dem Publikum die russische Sichtweise auf das internationale Geschehen vorzustellen“. An seine Spitze wurde damals von Putin höchstpersönlich die erst 25-jährige Margarita Simonyan gesetzt. Böse Zungen behaupten, die unerfahrene Reporterin sei Putin vor allem dadurch aufgefallen, dass sie sich immer am engsten an die offiziellen Verlautbarungen gehalten haben soll. Und dass RT schon deshalb nicht zensiert werden müsse, weil seine Chefin die Schere bereits im Kopf habe.

Die dapd wäre ein schönes Instrument im Kampf um die weltweite Meinungsherrschaft geworden. Denn seit Januar betreibt RT am Potsdamer Platz die staatliche Videoagentur „Ruptly“. Der Zukauf einer Nachrichtenagentur wäre optimal gewesen, um eine multimediale Plattform für russische Sichtweisen in Berlin zu installieren. Von Ruptly-Teams produzierte Videos, ergänzt mit Text- und Bildmaterial und dem Vertriebssystem von dapd.

„Die Russen, aber auch die Chinesen haben erkannt, dass sie ihre Interessen medial ganz hervorragend stärken können“, sagt Christoph Lanz, Multimediadirektor Global bei der Deutschen Welle. „Das kann das Geschäft im besten Fall beleben, im schlechteren und wahrscheinlicheren bedroht es aber den unabhängigen Journalismus und die Pressefreiheit.“ Ruptly, das finanziell sehr gut ausgestattet sei, gebe seine Videos für sehr wenig Geld ab. Gerade unter Spardruck und für kleine Sender bestehe da die Gefahr, dass sie auf seriöse Agenturen verzichten und ihr Material bei Ruptly oder dem chinesischen Staatssender CCTV kaufen würden. „Deren Bilder zeigen aber eine ganz andere Welt als die der unabhängigen Agenturen. Damit attackieren sie die aus ihrer Sicht westliche Meinungsdominanz und haben sogar Erfolg damit“, sagt Lanz. Für Lutz Hachmeister, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, ist nun „dringend eine gesetzliche Regelung notwendig, die die Übernahme von Medien aus Staaten ohne demokratisches Mediensystem verbietet“.

Ein Einstieg von Ria Nowosti bei dapd wäre ungefähr so, als würde sich das Bundespresseamt bei einem russischen Medium einkaufen. Was wäre da wohl los?

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