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Medien: Und lügen lohnt sich doch

Der irakische Ex-Informationsminister al Sahaf wird in Ägypten zum Fernsehstar

Er hat noch von einer vernichtenden Niederlage für die Amerikaner gesprochen, als diese bereits am anderen Ufer des Tigris mit ihren Panzern standen: Mohammed Sajid al Sahaf, der ehemalige irakische Informationsminister, in der US-Presse auch „comical Ali“ genannt. „Ein großartiger Mann“, lobte ihn sogar US-Präsident George W. Bush, „ein absoluter Klassiker“.

Und die Karriere dieses großartigen Mannes ging nach Kriegsende, nach dem Sturz des Saddam-Regimes weiter, auch wenn man ihn seitdem nie mehr gesehen hat. Erst wurde er zum Helden des Internets: Die amerikanische Website „We love the Information Minister" mit seinen markigsten Sprüchen hat angeblich 4000 Treffer pro Sekunde. In Ägypten ist nun auch ein Film über ihn gedreht worden, wenn auch nur ein Kurzfilm. Titel: „Ich bin nicht Sahaf“. Von den Ausschnitten her zu urteilen, die kurz im Fernsehen zu sehen waren, ist es eine Komödie. Al Sahaf, die Witzfigur. Doch die Interpretation wäre zu einfach.

„Er ist ein Volksheld in der arabischen Welt“, so erklärt es der libysche Produzent des Films, Abu al-Qassem Omar Rajib – obwohl oder gerade weil er die Menschen bis zum Ende belogen habe. Das kann man erstmal nicht recht verstehen. Egal: Es sei eine ideale Vorlage für einen Film, sagt Rajib. Kurzzusammenfassung: Ein Ägypter namens al-Arabi (der Arabische) steht so unter dem Einfluss der täglichen Pressekonferenzen Sahafs, dass er zunächst träumt, er selbst sei der irakische Informationsminister. Schließlich ist er von seiner neuen Identität überzeugt und gibt mit Erfolg selbst eine Pressekonferenz im Sahaf-Stil. Seine Freunde und Familie nehmen ihn zunächst nicht ernst. Aber schließlich lassen sie sich wider besseres Wissen überzeugen und wollen ihn am Ende den amerikanischen Behörden ausliefern, um eine Belohnung zu kassieren.

In nur einer Woche ist der Film gedreht worden, ab Juni soll er auf arabischen Fernsehsendern und auch im Kino zu sehen sein.

Drehbuchautor und Produzent Rajib will sich nicht über den großmäuligen Sahaf, auch nicht über das verlogene Saddam-Regime lustig machen. Er wolle „die Lügen von allen Seiten“ anprangern, sagt er. Er selbst habe den Krieg abgelehnt, der von den USA nur mit „Lügen“ begründet worden sei. Rajib nennt den US-Präsidenten George W. Bush das Pendant zu Sahaf – nur dass der weniger amüsant sei. Den Amerikanern sei es nicht um Demokratie im Irak, sondern um die Sicherung der Ölvorkommen gegangen. Daher beendet Rajib seinen Film mit Fernsehaufnahmen von US-Soldaten, die das Ölministerium in Bagdad bewachen. „Dies ist das wahre Ziel des Krieges.“

Und Rajib steht mit seinen Einschätzungen in der arabischen Welt nicht alleine da: Auch arabische Kommentatoren nehmen Sahaf ernst, sie versuchen zu ergründen, was die Popularität des Ex-informationsministers ausmacht. Der Journalist der ägyptischen Tageszeitung „Al-Ahram“, Salah Montasser, glaubt zum Beispiel, dass ihn seine Sprache so beliebt gemacht hat. „Seine Pressekonferenzen waren so amüsant“. „Ich habe ihm geglaubt, weil ich, wie viele Araber, glauben wollte, was er sagte“, räumt er ein. Insbesondere das unerschöpfliche Vokabular, mit dem er Bush sowie die westlichen Truppen lächerlich machte, gefiel den Menschen. Allerdings mussten viele erst ihr Wörterbuch aus dem Regal ziehen, um beispielsweise das Wort „uluj“ zu verstehen: ein ungebräuchliches Wort für eine Viehherde oder ungläubige Krieger, das Sahaf für die Bezeichnung der amerikanischen und britischen Truppen benutzte.

Und die Popularität Sahafs hörte auch nicht auf, als seine Reden als Lügen entlarvt waren. Produzent Rajib erzählt, dass Passanten bei den Dreharbeiten glaubten, den echten Sahaf vor sich zu haben. „Es kam beinahe zu einem Aufstand. Alle wollten sich zusammen mit ihm fotografieren lassen.“ Schließlich habe die Polizei die Menge auseinander getrieben.

Der Aufenthaltsort Sahafs, der nicht auf der US-Liste der meistgesuchten Iraker steht, ist unbekannt. Die arabische Tageszeitung „Al-Hayat“ meldete kürzlich, er halte sich bei seiner Tante in Bagdad versteckt. Auf ein Lebenszeichen hofft jetzt vor allem der neue panarabische Fernsehsender „Al-Arabiye“ aus Dubai. Der hat Sahaf einen Posten als Kommentator für die Ereignisse in Irak angeboten.

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