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US-Medien: Die perfekte Welle

Nicht nur zu Obamas Amtseinführung: Das amerikanische National Public Radio ist eine Alternative zu CNN.

Von Caroline Fetscher

Die Farbe von Radio ist nicht weiß noch schwarz. Manches muss man eben hören, nicht sehen. Zum Beispiel die Stimme, die Argumente der Dichterin Elizabeth Alexander, klar und offen, darunter eine sachte, gelassene Anspannung. Im Gespräch mit einer Moderatorin von National Public Radio (NPR) in Washington gab Alexander bereits am Samstag Auskunft darüber, wie sie das Werk zum Weltereignis erarbeitet hat. Die schwarze Lyrikerin und Professorin für African-American Studies der Yale University war einmal Kollegin von Barack Obama an der Universität von Chicago. Am Dienstag wird sie in Washington vor Millionen Menschen eine einmalige Auftragsarbeit lesen: Das offiziell bestellte Gedicht zur Amtseinführung von Barack Obama, 44. Präsident der Vereinigen Staaten.

Die Moderatorin will von Elizabeth Alexander wissen, wie die Dichterin den Gedanken verkraftet, dass Abermillionen Leute ihre Zeilen hören werden. „Sie werden dann über Jahre, wenn nicht Jahrhunderte zitiert werden.“ Nun, das mache sie bescheiden, erwidert die Lyrikerin. Vorlesen will sie die Verse aber vorher nicht. Erst am Dienstag sind sie beim NPR zu hören, das in Berlin auf der UKW Frequenz 104.1 gut zu empfangen ist. Den ganzen Tag wird der Sender vom Tag der Amtseinführung, vom „Inauguration Day“ berichten. Reporter in Washington, Harlem, Chicago, Birmingham und auch in Bagdad, in Kabul und in Kenia, dem Herkunftsland des Vaters von Obama, sprechen mit bekannten Personen wie mit Unbekannten über Erwartungen, Ängste, Hoffnungen.

NPR kann sich den gigantischen Aufwand leisten. Das nichtkommerzielle Hörfunknetzwerk, das ohne Werbung auskommt, ist weltweit einmalig. Es speist sich aus den Erträgen von 860 Radiosendern in den Vereinigten Staaten, wo es rund 26 Millionen Hörer hat. Rings um den Globus kann man NPR auch per Satellit oder im Internet empfangen, einen direkten Draht, wie ihn die UKW-Frequenz in Berlin bietet, hat man sonst nur auf der anderen Seite des Atlantik.

In Berlin ist NPR seit April 2006 so zu hören, als sei sein Sendemast am Funkturm vertäut. Im Dezember 2005 erteilte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) National Public Radio die Lizenz für diese Welle. Wer sie kennenlernt und Englisch versteht, den lässt sie so schnell nicht los. „Wir bekommen viel Feedback von Hörern aus Berlin“, bestätigt Anna Christopher, Sprecherin von NPR, „eine Menge E-Mails und Anrufe“. Daher kamen im Januar 2009 die „Berlin Stories“ zum Programm, kurze Anekdoten von Autoren aus den USA und Großbritannien, die ihre Eindrücke aus der Stadt in den Äther geben.

Vor allem aber ist NPR eine Quelle transatlantischer Information, deren Reichhaltigkeit und Intensität andere hier zugängliche internationale Kanäle, Sender oder Onlineportale in einigem übertrifft. Anders als CNN oder BBC World bringt NPR neben klassischen Nachrichten-Formaten wie „Morning Edition” – hier zur Mittagszeit – eine überraschende, aktuelle Mischung aus Politik und Kultur mit Sendungen wie „All Things Considered“, „Talk of the Nation“ oder „Fresh Air“. NPR ist eine Art Radiofeuilleton ohne Pause und bietet, wo immer möglich, das erlesenste, das direkteste Programm. Für einige Berliner, nicht nur hier lebende Anglophone, ist National Public Radio inzwischen ein Alltagsbegleiter, ein gigantischer, akustischer Leuchtturm, eine inspirierende Informationsquelle. Zum Konflikt in Israel und Gaza interviewen sie hier nicht einen weiteren lavierenden Experten, sondern den Schriftsteller Amos Oz. Über das neue Buch von Toni Morrison spricht man hier mit der Autorin selbst. Und die Gespräche sind nicht sekundenlange Soundbites, sondern holen weit aus und führen zu überraschenden Wendungen. Jazzmusiker, Hochschuldozenten, Autoren, Campaigner, Highschool Kids, sie alle reden offen und frei.

Weit oben auf der Favoritenliste vieler steht Garrison Keillor’s „A Prairie Home Companion”, auf NPR eingespeist von American Public Media. Keillor, eine Kultfigur, über die auch schon ein exzellenter Kinofilm gedreht wurde, bringt in seinem Wochenrückblick originell und entspannt Satiren, Hör-Sketches, Musik, realitätsnahe Storys aus der amerikanischen Provinz. Keillor begleitet einen imaginären Papst durch den New Yorker Dschungel, er streitet mit einem alternden, skeptischen Vater über dessen Angst vor Obama – „ich lege einen Vorrat an Konserven an!“, sagt der Vater. Oder ein greiser Vater schlägt sich in die Wälder auf der Suche nach „neuer Männlichkeit“ in esoterischen Schwitzhütten. Oder Keillor schildert langsam und realistisch ein gediegenes Paar in einem kleinen Ort bei der kontroversen Planung des kommenden Urlaubs. In den kleinen, großen Geschichten passiert – nichts. Und sie erzählen dabei – alles, denn sie atmen Atmosphäre und produzieren, provozieren Bilder im Inneren, in der Vorstellung statt beim Servieren auf dem Bildschirm. Bei uns in Berlin ist der Akustikmenschen-Mensch Keillor jeden Sonntag zu hören, von zwölf Uhr mittags bis zwei Uhr. Seine volle und humorvolle Stimme löst gute Stimmung aus. Helle, lebendige Laune. Auch das übrigens können so nur Radiosender oder Zeitungen, ganz jenseits von Schwarz und Weiß.

www.npr.org

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