zum Hauptinhalt

Medien: Väter und Söhne

Von Thomas Gehringer Die zwölfte Generation. Das könnte ein schöner Filmtitel sein.

Von Thomas Gehringer

Die zwölfte Generation. Das könnte ein schöner Filmtitel sein. Es geht um Zeitungen, um das Erbe von Patriarchen, um Tradition in einer so genannten Medienmetropole. Die zwölfte Generation: Das sind die Erben der Kölner Unternehmensgruppe M. DuMont Schauberg, des viertgrößten Zeitungsverlags in Deutschland.

Konstantin Neven DuMont, 32, und Christian DuMont Schütte, 45, sind Vettern und zugleich Geschäftsführer mit einem beachtlichen Stammbaum, dessen Wurzeln bis zu einem Buchdrucker ins 17. Jahrhundert reichen. Heute feiert der Verlag sein 200-jähriges Bestehen, auch Kanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Johannes Rau machen ihre Aufwartung.

Die Büros der Verlagserben liegen wenige Schritte voneinander entfernt, weit oben im neuen Verlagshaus in Köln-Niehl. Darüber befindet sich nur noch der Himmel – und zwei Büros für die Väter. Der eine, Alfred Neven DuMont, 75, ist der publizistische Kopf und alleinige Herausgeber des Flaggschiffs „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der andere, Dieter Schütte, 78, gilt als der unternehmerische Kopf. Beide sind immer noch sehr präsent bei der Verlagsgruppe. Sie halten mit 29 und 28 Prozent die Mehrheit der Gesellschafteranteile und haben im Aufsichtsrat das Sagen. Allerdings hat Dieter Schütte bereits weitaus mehr Anteile an seinen Sohn übertragen als sein prominenterer Geschäftspartner Alfred Neven Du Mont.

„Ich bin der Meinung, man sollte nicht immer gleich zu meinem Vater rennen. Wenn ich sehe, mit welchen Problemen manche hier im Haus zu ihm gehen!“ Konstantin Neven DuMont schüttelt verständnislos den Kopf. Sein Vater habe sich vom Tagesgeschäft zurückgezogen. „Er macht zwar noch einiges, aber ich fühle mich schon an vorderster Front und verantwortlich.“

Konstantin Neven DuMont empfängt den Besucher in einem großen und freundlichen Büro mit nach ökologischen Gesichtspunkten ausgesuchtem Inventar. Der Anzug passt tadellos. Manche Sätze allerdings klingen ein bisschen sonderbar. „Ich bin ein leidenschaftlicher Zeitungsleser. Man hat immer viel Gesprächsstoff.“ Anderes klingt für einen 32-Jährigen merkwürdig resigniert. „Früher sind viele aus Leidenschaft Journalist geworden und haben sich richtig reingehängt. Heute ist es schwer, diesen Enthusiasmus aufrecht zu erhalten.“ So jung und schon Geschäftsführer – weil er der Sohn des Verlegers ist. Oder? „Mit ,Sohn’ hat das überhaupt nichts zu tun“, sagt Konstantin Neven DuMont ohne Anzeichen von Erregung. „Ich würde hier nicht arbeiten, wenn ich fachlich nicht dafür qualifiziert wäre. Was Blattmachen angeht, Blatt-Strategie und auch Personalauswahl, da habe ich schon viel Erfahrung.“

Aus dem Familienbetrieb ist längst ein Medienkonzern geworden, mit 610 Millionen Euro Umsatz sowie Beteiligungen und Einfluss weit über die eigenen Blätter „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“ und „Mitteldeutsche Zeitung“ (Halle) hinaus. Auch am einstigen Konkurrenzblatt „Kölnische Rundschau“ hat M. DuMont Schauberg die Verlags- und Titelrechte erworben. Alle Tageszeitungen zusammen bringen es auf eine verkaufte Auflage von über einer Million Exemplare.

Konstantin Neven DuMont hat an einer Journalistenschule in Eugene/Oregon studiert. „Ich habe aus Amerika viel Wissen mitgebracht“, sagt er. „Allerdings ist es manchmal schwierig, die Innovationen schnell umzusetzen. Das Beharrungsvermögen ist bei einigen groß.“ Seit 1995 arbeitet er im väterlichen Unternehmen. Anfang 1998 wurde er im Alter von 28 Jahren in die Geschäftsführung berufen. Er ist zuständig für die Redaktionen; seine Karriere ist offenbar darauf ausgerichtet, das publizistische Erbe des Vaters anzutreten.

Doch Alfred Neven DuMont hat die Zügel, so scheint es, noch in der Hand. Bei wichtigen Entscheidungen treten Vater und Sohn gemeinsam vor die Redaktionen. Seine Streitlust hat der 74-Jährige ebenfalls nicht verloren: Öffentliche Kritik aus dem eigenen Hause duldet er nicht, gerne zieht er mit spitzer Feder gegen Kölner Lokalpolitiker oder den WDR zu Felde, wenn dem „würdigen, strengen, manchmal polternden Prinzipal“ („Die Welt“) etwas nicht in den Kram passt. Zudem frischt der Kölner Zeitungskönig, der durch die weitgehende Übernahme der „Kölnischen Rundschau“ bei den Abo-Zeitungen Monopolist ist, sein publizistisches Ansehen durch gelegentliche Leitartikel im „Stadt-Anzeiger“ auf. So empfahl er der CDU/CSU Angela Merkel statt Edmund Stoiber für die Kanzlerkandidatur. „Ist die Sehnsucht nach dem starken Übervater immer noch ungebremst vorhanden?“, hieß es in seinem Leitartikel. Alfred Neven DuMont könnte diese Frage genauso gut den 4000 Mitarbeitern seines Verlages stellen. Jedenfalls genießt er als Alt-Verleger, für den eine Zeitung mehr bedeutet als Anzeigenerlöse und Rendite, im eigenen Haus großen Respekt. Diesen Respekt muss sich der Nachfolger erst erkämpfen.

„Dass man seine Ahnen ehrt, bedeutet mir viel“, sagt Konstantin Neven DuMont auf die Frage, was ihm Familientradition bedeute. „Auf der anderen Seite muss jede Generation ihren eigenen Weg gehen und neue Maßstäbe setzen. Das ist ja auch Teil der Evolution.“ Welche Maßstäbe das sein werden, ist noch nicht ersichtlich. Dass die Stabübergabe an die nächste Generation in dem Familienunternehmen immer wieder Schwierigkeiten aufwirft, mag ebenfalls „Teil der Evolution“ sein. Bei M. DuMont Schauberg kommt hinzu, dass hier zwei Zweige eines Stammbaums bedacht werden wollen.

Neben Alfred Neven DuMont leitete Dieter Schütte über Jahrzehnte das Unternehmen, blieb aber stets im Hintergrund und überließ seinem Partner die öffentlichen Auftritte. Der gelernte Parfümeur Schütte hatte 1950 Brigitte Neven DuMont geheiratet, die mit Alfred gemeinsame Urgroßeltern hat. Wie viel die Tradition zählt, mag man daran erkennen, dass ihr gemeinsamer Sohn Christian Schütte sich 1993, ein Jahr nach der Berufung zum Geschäftsführer, umbenennen ließ. „Mir war es wichtig, das Familienunternehmen auch mit dem n ausreichend repräsentieren zu können“, sagt Schütte. Er hält acht Prozent der Unternehmensanteile, sein Cousin Konstantin zwei. Beide sind Mitherausgeber des angeschlagenen „Express“, der in den letzten Jahren deutlich an Auflage einbüßte. Beide betonen das gute Verhältnis zu ihren Vätern. Sollte es Ungeduld gegenüber den Altvorderen geben, die den Platz auf der Brücke immer noch nicht ganz geräumt haben, lassen sie sie nicht spüren.

Aber M. DuMont Schauberg wird seit 1990 nicht mehr nur von den Familien regiert, die Geschäftsführung besteht aus fünf Mitgliedern. Christian DuMont Schütte ist neben Konstantin einziges Familienmitglied und für die Beteiligungen des Verlags verantwortlich. Das Zeitungsgeschäft macht 70 Prozent des Umsatzes aus, doch zu der Gruppe zählen insgesamt 30 Tochterunternehmen, darunter ein Buchverlag und Beteiligungen in Fernsehen, Hörfunk und neuen Medien.

„Wir können nicht mehr nur aus der Region heraus reagieren“, erklärt Christian DuMont Schütte. Er geht davon aus, „dass die Öffnung hin zum Fremdmanagement irgendwann endgültig zur Trennung von Kapital und Management führt.“ Das Familienunternehmen werde aber erhalten bleiben. Schließlich wächst die nächste, die 13. Generation bereits heran: Christian hat drei, Konstantin vier Kinder. Doch wie wird es bis dahin weitergehen, wenn die Söhne einmal auf sich allein gestellt sind? Christian DuMont Schütte lässt sich nicht so gerne festlegen: „Ich verstehe mich zunächst als Unternehmer. Ob ich daneben auch eine publizistische Verantwortlichkeit annehmen werde, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Es gibt Schwerpunkte, die nicht identisch sein können mit denen des Vaters. Darüber wird man in den Familien nachdenken müssen.“

Das klingt nicht danach, als ob die Aufgabenverteilung zwischen den Vätern automatisch auf die nächste Generation übergehen müsste. Hierin liegt zweifellos einiger Sprengstoff, auch wenn beide Söhne Gerüchte zurückweisen, sie könnten sich gegenseitig nicht sonderlich leiden. „Wir verstehen uns gut“, meint Konstantin Neven DuMont. Und auch der um zwölf Jahre ältere Christian DuMont Schütte findet, dass er sich mit Konstantin „grundsätzlich sehr gut“ versteht. „Aber er ist ja fast eine andere Generation. Daher sind meine Interessen nicht unbedingt deckungsgleich mit seinen.“

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false