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Verbrechen aufklären, wo andere Menschen Urlaub machen. Kommissar Dupin (Pasquale Aleardi, Mitte) und seine Inspektoren am Strand einer Glénan-Insel. Foto: ARD

© ARD Degeto/Wolfgang Ennenbach

Verfilmung von "Kommissar Dupin"-Roman: Frankreichs Ostfriesen?

Hinterwäldler und Fischallergiker? Die Degeto-Verfilmung von „Kommissar Dupin“ wird den Bretonen nicht gerecht. Da hat das Erste den Krimi wohl mit der Komödie "Willkommen bei den Sch'tis" verwechselt.

Die Bretonen sind ein sehr stolzes Volk. Sogar auf den Sand an ihren Küsten, der deshalb so rein und hell ist, weil er aus zermahlenem Granitstein besteht. Ganz und gar einmalig in Europa ist der Korallensand im Archipel von Glénan vor der Südküste der Bretagne, wie der französische Schriftsteller Jean-Luc Bannalec in seinem zweiten „Kommissar Dupin“-Roman erzählt. Man kann darum nur hoffen, dass die stolzen Bretonen an diesem Donnerstag nicht auf die Idee kommen, in der ARD die Degeto-Verfilmung von „Bretonische Brandung“ mit dem von Paris in die Provinz strafversetzten Monsieur le Commissaire anzuschauen.

Was fehlt ist nicht Werktreue, sondern Authentizität

Von einer 90-minütigen Romanverfilmung fürs Fernsehen sollte man keine absolute Werktreue erwarten. Dafür unterscheiden sich Aufbau und Tempo zu stark. Bannalec lässt sich viel Zeit, bis die drei angespülten Leichen am Strand einer der Inseln von Glénan identifiziert werden und feststeht, dass es Mord und kein Unfall war. Im Film weiß Kommissar Georges Dupin sehr schnell, dass es sich um den Ex-Segelchampion Lucas Lefort und zwei seiner Freunde handelt. Auch dass der trinkfreudige Frauenheld und seine ebenso profitgierigen Kompagnons die Insel trotz Naturschutz durch ein Riesen-Resort verschandeln wollten, wird schnell bekannt.

Die Besetzung des Kommissars mit Pasquale Aleardi passt dabei erstaunlich gut, obwohl der sportliche Schweizer mit der griechisch-italienischen Abstammung keineswegs den massigen, aber dennoch behenden Körperbau hat, den Bannalec in den Romanen beschreibt. Doch in beinahe allen anderen Punkten muss sich der Fan der Romanreihe wie im falschen Film verkommen. Die Geduld, die der Leser aufbringt, bis ihm Verdächtige und mögliche Motive präsentiert werden, traut Regisseur Matthias Tiefenbacher dem Zuschauer offensichtlich nicht zu. Inseldoktor Le Menn (Wichart von Roëll) verhält sich beim ersten Aufeinandertreffen mit dem Kommissar so auffällig, als ob ihm das Wort Schuld auf die Stirn geschrieben stünde. Zwischen Muriel (Alma Leiberg), der Schwester des Toten, und ihrer Freundin Maela Menez (Lucie Heinze) werden Spannungen aufgebaut, die das Buch nicht kennt. Und dass auch die hübsche Restaurantbesitzerin Solenn Nuz (Marie-Lou Sellem), die vor zehn Jahren ihren Mann verlor, Geheimnisse hat, steht beinahe fettgedruckt auf der Tageskarte.

Dupins Mutter wird im Film durch die Ex ausgetauscht

Romanverfilmungen von Krimis wie mit Commissario Brunetti in Venedig oder eben Kommissar Dupin in der Bretagne leben nicht zuletzt von den Sehnsuchtsorten, an denen die Verbrechen stattfinden. Diese Kulisse wird auch in der Degeto-Verfilmung richtig eingefangen, sogar ohne es mit dem typisch französischen zu übertreiben. Aber warum wurde die erfolgreiche Romanvorlage so tiefgreifend umgearbeitet? Wieso verliert Dupin im Fernsehen wegen ständiger Raserei seinen Führerschein, während er im Buch weiterhin am Lenkrad seines alten Citroen XM sitzen darf? Weshalb muss er im Film das Hummergericht wegen einer angedichteten Fischallergie ablehnen, während er im Roman die Ermittlungen erst nach diesem Imbiss im „Les quatre Vents“ beginnt? Und warum wurde aus dem Besuch der Mutter die Stippvisite von Dupins Ex-Freundin Claire? Mit solchen Änderungen erreicht man nur eines: die Fans der Buchreihe gegen sich aufzubringen.

Jean-Luc Bannalec wird in den Romanen nicht müde zu betonen, dass sich die Menschen in der Bretagne in erster Linie als Bretonen und erst dann als Franzosen empfinden, schließlich gehört das Finistère erst seit 400 Jahren zu Frankreich. Alles Bretonische genießt dort höchste Achtung, gleichwohl beschreibt Bannalec die Bretonen als liebenswürdige Menschen, vor allem die Küstenbretonen, die seit jeher den harten Überlebenskampf gegen die raue Natur gewohnt sind. Das Schlimmste, was man der Romanvorlage antun kann, ist daher auch, die Bretonen als eine Art Ostfriesen Frankreichs darzustellen, so als wäre man in der Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“. Dupins Inspektoren Kadeg (Jan Georg Schütte) und Riwal (Ludwig Blochberger), aber auch andere Figuren werden als Hinterwälder vorgeführt. Nur bei der freundlich-fleißigen Assistentin Nolwenn (Annika Blendl) treffen sich die Ansichten von Bannalec und Tiefenbacher. Wer die Bretagne und die Bücher um Kommissar Dupin mag, greift besser zum Buch als zur Fernbedienung.

„Kommissar Dupin – Bretonische Brandung“, Donnerstag, 20 Uhr 15, ARD

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