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Medien: Verhängnisvolle Verflechtungen

Es ist kein Zufall, dass die Korruptionsfälle Emig und Infineon zwischen Sport, Medien, Wirtschaft passierten

Der schlimmste Tag im Leben eines Mannes ist der Tag, an dem ihm klar wird, dass er es nicht mehr zum Fußball-Nationalspieler bringen wird. Er wird dann Sportjournalist oder Manager.

Als Sportjournalist darf er, wenn es gut läuft, irgendwann einmal den Bundestrainer duzen; Risiko: Der wirft ihm dann vor laufender Kamera vor, zu viel Weißbier zu trinken. Als Manager wird er Sportsponsor und darf neben Franz Beckenbauer auf der Tribüne sitzen.

Wir haben es in den vergangenen Wochen gesehen: Das Dreieck von Sport, Wirtschaft und Medien ist ein Bermuda- Dreieck, in dem gesunder Menschenverstand und wirtschaftliche Vernunft immer wieder spurlos verschwinden:

– Da häufen die europäischen Fußballligen Schulden in Milliardenhöhe an.

– Da sollen Sportjournalisten wie Wilfried Mohren und Jürgen Emig öffentlich-rechtliche Sendezeiten gegen Bares verkauft haben.

– Da leben Manager wie die Führungsriege von Infineon ihre Motorsportleidenschaft auf Kosten ihrer Aktionäre und Mitarbeiter aus – und lassen sich nebenbei, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, auch noch schmieren.

– Da greift der Wettbetrug um sich. Mittlerweile beeinflusst die chinesische Wettmafia sogar schon Spiele der finnischen Fußballliga.

Ist das nur kulturpessimistisches Lamentieren eines enttäuschten älteren Sportliebhabers, der den seligen Zeiten von Uwe Seeler und Manfred Germar nachtrauert? Vielleicht. Doch jenseits allen Moralisierens ist der kühle Blick auf die Ursachen der Misere nötig. Wichtig für diesen Blick: Die drei beteiligten Sphären – der Sport, die Wirtschaft, die Medien – müssen im Zusammenhang betrachtet werden.

Denn die Argumentationslogik der drei Sphären bezieht sich aufeinander:

– Der Sport braucht Geld, damit er in der Nationenwertung oder in der Champions-League endlich wieder ganz vorne landet. Darum verlangt er von den Medien Übertragungshonorare, verspricht als Gegenleistung spannende Wettkämpfe und tolle Quoten. Und er fordert Sponsoring-Gelder, verspricht den Unternehmen dafür als Gegenleistung Image und Bekanntheit.

– Die Wirtschaft braucht – jenseits der klassischen Werbung, deren Wirksamkeit immer mehr abnimmt – Projektionsflächen, auf denen sie ihre Botschaften rüberbringen kann. Das Sportsponsoring ist eine dieser Projektionsflächen. Und die Wirtschaft braucht Spielwiesen für eitle Manager, die hier unter dem Vorwand, Marketing zu machen, die Ferrari-Box besuchen können.

– Die Medien brauchen attraktive Inhalte, um ihre Nutzer zu binden. Und sie brauchen Inhalte, die nicht nur Raum für klassische Werbung – TV-Spots, Anzeigen – bieten, sondern auch Platz für subkutane Werbebotschaften via Sponsoring.

Zu den Hoffnungen, die in dieser Argumentationskette stecken, hatte sich in den Zeiten der Börseneuphorie und befeuert durch den Börsengang von Manchester United im Jahr 1991, eine weitere Hoffnung gesellt: die Hoffnung, dass man mit dem Betreiben eines Sportvereins selbst Geld verdienen kann. Man bringt seinen Club an die Börse, schwupps hat man ganz viel Geld, kann sich eine tolle Mannschaft zusammenkaufen und mit dieser Mannschaft noch viel mehr Geld verdienen. Manchester United wurde inzwischen von einem amerikanischen Investor übernommen. Durch diese Transaktion ist aus dem zuvor reichsten Verein der Welt über Nacht ein Club mit 800 Millionen Euro Schulden geworden.

Betrachtet man die Resultate all dieser Entwicklungen, wird schnell deutlich, dass viele Pläne nicht funktionierten, dass viele Hoffnungen sich als Illusion erwiesen haben. Erste Erkenntnis: Man kann mit einzelnen Sportclubs Geld verdienen – siehe Bayern München –, aber die Gesamtheit aller Clubs wird unter dem Strich immer Schulden anhäufen. Ist ja auch logisch: Es kann nur einer Meister werden, drei müssen immer absteigen. Deutschland steht mit seinen Fußball- Schulden von 700 Millionen Euro im europäischen Vergleich ja noch gut da. In Italien oder Spanien sieht es finsterer aus.

Außerdem darf man nicht vergessen: Da, wo Clubs noch mehr für Spieler ausgeben als in Deutschland, ist die Herkunft der Gelder – vorsichtig gesagt – oft eher zweifelhaft. Werder Bremen oder der VfB Stuttgart konkurrieren mit Vereinen, die von russischen Oligarchen, spanischen Bauunternehmern oder italienischen Medienmogulen unterstützt werden. Auch Borussia Dortmund versuchte, in dieser Liga mitzumischen. Man hatte sogar kurzzeitig einen türkischen Waffenhändler als Anteilseigner. Schuldenstand der Dortmunder zurzeit: 100 Millionen Euro.

Um mit solchen Konkurrenten mithalten zu können, verlangt die Bundesliga höhere Fernsehhonorare. Statt 300 Millionen Euro fordert Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender von Bayern München, 500 Millionen pro Jahr. Hört man genau hin, was Georg Kofler, Vorstandschef des Pay-TV Premiere, zur Situation seines Unternehmens sagt, wird schnell klar: Sollten für Premiere die Kosten steigen – momentan bezahlt man 180 der 300 Millionen –, ohne dass die Sportübertragungen im Free-TV massiv eingeschränkt werden, dann wird sein Sender Probleme bekommen. Wir erinnern uns: Das Kirch-Imperium ist nicht zuletzt wegen zu hoher Ausgaben für Fußball und Formel 1 untergegangen.

Für die Medien sind überteuerte Sportrechte also riskant; auch weil manche Sportarten ihre Attraktivität über Nacht einbüßen: Tennis ohne Boris Becker, Skispringen ohne Sven Hannawald oder Autorennen mit einem Michael Schumacher auf der Schleichspur sind für TV-Sender von begrenztem Charme.

Da ist es nur konsequent, dass einzelne Sender sich ihre Sportevents jetzt selbst basteln: Kabel 1 hat für eine Mannschaft aus den Niederungen des Amateurfußballs im Ruhrpott einen Ex-Profi als Vereinsmanager engagiert; Ziel: der Aufstieg in die nächsthöhere Liga. „Helden der Kreisklasse“, heißt das Reality-Format, das in den besseren Folgen fast so spannend ist wie Synchronschwimmen.

Sport und Medien bilden somit eine Schicksalsgemeinschaft, die nur zu häufig auf wirtschaftlichen Illusionen aufgebaut ist. Die Fixierung auf vermeintlich quotenträchtige Sportarten und Events führt außerdem dazu, dass alle anderen Leibesübungen – vom Hockey bis zum Handball – für die elektronischen Medien uninteressant sind. Sie müssen sich mittlerweile – wie schon vor den Fällen Emig und Mohren allgemein bekannt – ihre Sendezeiten selbst kaufen.

Diese Haltung scheint im Mediensystem zunehmend akzeptiert zu werden. Der Bayerische Rundfunk verteidigt den Verkauf von Sendezeit: „Im Sinne einer sparsamen Gebührenverwendung“ benötige man halt „Produktionshilfen“. So wird in der ARD das Verhalten von Emig und Mohren nicht grundsätzlich kritisiert, bemängelt wird nur, dass das Geld in privaten Taschen verschwunden ist.

Auf diesem Hintergrund ist das Verhalten des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags konsequent. Der hat für seine Zeitungen (u.a. „Flensburger Tageblatt“ und „Schweriner Volkszeitung“) die Sportredaktion abgeschafft. Die Mitarbeiter einer zum 1. August ausgegliederten „Sport und Event GmbH“ sollen nicht nur Sportberichte zuliefern, sondern auch andere, nichtjournalistische Produkte betreuen; z.B. Sonderbeilagen und Veranstaltungsprogramme.

Kritisch wird das Verhältnis Sport und Medien schließlich überall dort, wo Medien selbst als Sponsoren und Vermarktungspartner auftreten. Die ARD als Unterstützer des Telekom-Radsportteams zeichnete sich nicht durch übergroße Verbissenheit bei der Darstellung von Dopingproblemen aus. Dazu passt, dass mit Billigung des Senders NDR-Sportchef Gerhard Delling einige Zeit den Großteil seines außertariflichen Gehalts von der Werbetochter „Sales & Services“ bezog.

Den Medien droht also neben wirtschaftlichen Risiken der Verlust der journalistischen Unabhängigkeit. Der Sport gefährdet neben den finanziellen Grundlagen seine Eigenständigkeit; und er riskiert, nicht mehr geliebt zu werden: Als in diesem Jahr die Spieler der nordamerikanischen Eishockey-Liga gegen die Deckelung ihrer Gehälter streikten, fiel die ganze Saison aus. In den USA und in Kanada kümmerte das außer einigen hartgesottenen Fans niemanden.

Und die Wirtschaft? Hier irritiert, dass in kaum einem Bereich der Marketingwissenschaft die Wirkung von Maßnahmen und Werkzeugen so umstritten und so wenig erforscht ist wie im Sport-Sponsoring.

Der Autor war Chefredakteur der Fachzeitschrift „Werben & Verkaufen“ sowie Herausgeber von „Media & Marketing“.

Michael Geffken

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