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Vierte Liga: Die Amateur-Sportschau

Im Internet versuchen unterklassige Fußballer aus dem Schatten der großen Bundesliga zu treten – mit einer Show.

Endlich wieder Sportschau. Der Vorspann läuft, zu den Klängen einer Synthetik-E-Gitarre sausen Vereinslogos durchs Bild, Spielszenen von jubelnden Spielern und fluchenden Trainern, dann sind da auch die Fußballstars Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller. Vertraute Bilder. Doch danach geht es befremdlich weiter. Ein sonnenbank-gebräunter Moderator klammert sich vor einer mit Sponsoren bepflasterten Wand an sein Mikrofon und kündet hölzern in bayerischem Dialekt vom Spitzenspiel des Tages: „Hallo und servus, wir melden uns mit unserem mobilen Studio hier aus Rosenheim, wo das große Lokalderby zwischen 1860 und dem Sportbund stattfand.“ Es folgt eine wirr-wacklige Kamerafahrt in die Kabine, dann kündigt ein Vorspann weitere „Top-Spiele, Tore satt im Viererpack“ an: Unterhaching II gegen Gersthofen, Heimstetten gegen Aindling und Bayern Hof gegen Rain am Lech.

Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich nicht um die große „Sportschau“ in der ARD, die ab heute wieder Profifußball von der Ersten bis zur Dritten Liga zeigt. Nein, hier wird im Internet gesendet und über Amateurfußball in Bayern berichtet. „BFV.tv“ nennt sich die Amateursportschau des Bayerischen Fußballverbandes (BFV). Das Konzept, in einer selbst produzierten Sendung von Amateursport zu berichten, mag zwar hier und dort in der Ausführung dilettantisch daherkommen, ist aber revolutionär. Nicht nur für den Amateurfußball, sondern auch für andere Sportarten, die durch die mediale Dauerpräsenz des Profifußballs kaum öffentliche Beachtung finden.

„Der Amateurfußball ist viel stärker, als er medial präsentiert wird“, sagt BFV-Präsident Rainer Koch, „aber seine Schwäche liegt darin, dass er seine Kräfte bisher nicht auf einer gemeinsamen Plattform gebündelt hat.“ Der BFV will das ändern, bietet auf seiner Internetseite zahlreiche Spielvideos an. Das ist nicht ganz neu. Hobbyfilmer können schon länger ihre Videos hochladen, beim BFV wie auch bei Internetplattformen wie Fußball.de oder Hartplatzhelden.de. Neu ist, dass seit dieser Saison wöchentlich eine eigene Sendung nach „Sportschau“-Vorbild produziert wird, um die Spiele und Beiträge zu produzieren, auch ein Bayern-Tor des Monats wird gewählt. Die Spielberichte drehen die Verbandsmitarbeiter nicht selbst, die meisten Spielszenen stammen von regionalen Fernsehsendern. Sie erhalten freien Eintritt ins Stadion. Dafür stellen sie ihre Aufnahmen zur Zweitverwertung zur Verfügung. Nur zum Topspiel der Woche schickt der BFV ein eigenes Kamerateam, arbeitet dafür mit einer Produktionsfirma zusammen. Die wackeligen Hobbyvideos der Stadiongänger dafür nicht zu gebrauchen. Das Konzept lautet daher noch statt „alle Spiele, alle Tore“ wie in der Bundesliga: „einige Spiele, einige Tore“. Die erste Sendung erreichte ein paar Tausend Zuschauer.

Über die Kosten möchte Koch nicht reden. Er deutet zumindest an, dass sie pro Sendung im vierstelligen Bereich liegen. Finanziert wird die Sendung durch Sponsoren und Beiträge, die die Vereine an den Verband zahlen. „Man kann mit Amateurfußball im Internet kein Geld verdienen“, sagt Koch. „Es geht auch nicht darum, mit der Sendung auf eine schwarze Null zu kommen, sondern, dass sie sich im Gesamtkonzept rechnet.“ Der BFV möchte seine Vereine vor allem interessanter für Sponsoren machen und dem Mitgliederschwund entgegenwirken. „Die Kameras werden immer günstiger, wir hoffen, dass irgendwann alle Klubs selbst Bilder liefen können“, sagt Koch.

Dass es so kommt und daraus ein Konzept für andere Sportverbände erwächst, ist zumindest zweifelhaft. „Es ist schwierig, dafür Personal zu finden und einen Sponsor, der das finanziert“, sagt Bernd Schultz vom Berliner Fußball-Verband. Viele Verbände und Vereine schaffen es bisher kaum, Ergebnisse auf ihre Webseite stellen. Die meisten Verbände setzen daher auf die Seite Fußball.de, wo Ergebnisse und Hobbyvideos hochgeladen werden. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) stellte den Verbänden im Mai auch in Aussicht, hin und wieder ein Kamerateam vorbeizuschicken und Beiträge auf DFB.tv zu zeigen, aber passiert ist noch nichts. Auch andere Sportarten scheiterten an der medialen Selbstdarstellung, ein Tischtennis-Magazin wurde ebenso eingestellt wie Basketball-Übertragungen im Internet.

Auch die Rechtslage ist unklar. Der Württembergische Fußballverband beispielsweise verklagte erfolglos die Seite Hartplatzhelden.de, die ebenfalls Spielvideos anbietet. Auch Tagesspiegel.de mischt munter mit, sucht gemeinsam mit Hartzplatzhelden ab kommender Woche „Berlins Traumtor“ auf den Amateurplätzen. Der Amateurfußball könnte im Internet seine Zukunft finden. Die Agentur „Die Ligen“ etwa produziert semi-professionelle Camcorder-Videos für wenige Hundert Euro. „Das wird aber wohl nur im Fußball eine Chance haben“, sagt Gründer Markus Kleber. „Da schlägt selbst ein Kreisliga-Spiel eine Bundesliga-Partie der meisten anderen Sportarten.“ Und in den klassischen Medien schlägt Profifußball alles, auch ab heute wieder, in der echten „Sportschau“.

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