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Medien: Von den Socken

Eine Globalisierungsdoku verfolgt den Weg der Baumwolle bis zum Strumpf

Wenn Männer ihre Hosenbeine lüften, dann kommt fast immer der Klassiker zum Vorschein – schwarze Socken. Es gibt sie hierzulande quasi überall zu kaufen, da Männer in Deutschland diese Farbe für ihre Fußbekleidung angeblich vor allen anderen bevorzugen. Fragt man die Konsumenten, so kann jedoch kaum einer sagen, wo seine Strümpfe entstehen respektive gefertigt wurden. Dabei hat dieses Alltagsprodukt eine halbe Weltreise hinter sich, bevor es über die heimische Ladentheke wandern kann. Aus welchem Holz die jeweils gemacht wurde, steht sowieso auf einem anderen Blatt.

Also zurück zur Socke. Mit der Gewinnung der Baumwolle fängt alles an. In Benin, im armen Cotonou, wachse die beste Sorte der Welt – mit ganz langen feinen Fasern. Auf den Socken, die es auf den Basaren jener Region zu kaufen gibt, prangt aber erstaunlicherweise „Made in China“ als Herkunftsnachweis. Das Geheimnis: Es gibt in Benin einfach keine Fabriken, um die eigene Baumwolle zu verarbeiten. Bauern, die bei lang anhaltender Hitze um den Ertrag ihrer Ernte bangen müssen, profitieren am wenigsten – auch wenn es um die recht teuren und in Deutschland so beliebten Burlington-Socken geht. Sie bekommen umgerechnet gerade mal fünf Cent für das Rohmaterial, das pro Paar benötigt wird. Gewaschen, gewebt und gefärbt wird die Baumwolle dann in Nordindien, gestrickt wird letztlich in Marokko. Die Firma Kunert in Immenstadt übernimmt im Prinzip nur mehr den Versand zum Handel oder einigen Privatkunden – je zwei Paare werden hier in eine schmucke Dose gepackt, die wiederum aus Italien stammt.

„Die Weltfabrik“ heißt die Dokumentation, die nicht nur die globale Entstehung von Herrensocken, sondern beispielsweise auch die Fertigung von aufwendigen Kinderbüchern kritisch beleuchtet. Zu sehen in einer Erstausstrahlung am heutigen Sonntag bei 3sat. Ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu fuchteln, zeigen die Autoren Dara Hassanzadeh und Philipp Müller Vor- und Nachteile dieser Seite der Globalisierung, die mit den weit verzweigten Produktionsabläufen der Alltagsgegenstände verbunden sind.

Ihr Weg führt sie dabei zu den einzelnen Produktionsstationen von Afrika bis Finnland. Eher nebenbei zeigen die Autoren, unter welch teils brutalen Akkordbedingungen gearbeitet und wie – viel wäre an dieser Stelle denkbar unangebracht – wenig in sogenannten Drittweltländern gezahlt wird. Dennoch sind diese Arbeitsplätze heiß begehrt. Aller Einschränkung der Meinungsfreiheit und allen Gefahren für die Gesundheit zum Trotz. Europäische Sicherheitsstandards oder ein Recht auf Betriebsräte sind in diesen Fabriken ebenfalls eine Ausnahme. Allerdings: Die deutschen Auftraggeber setzen sich kaum für nachhaltige Verbesserungen ein. Lieber sorgen sie mal mehr, mal weniger offensiv dafür, dass neben den billigen Arbeitskräften im Ausland auch ganz bestimmte Maschinen zum Einsatz kommen. So webt in Indien seit Jahren deutsche Technik, und auch in Marokko säubert eine Kläranlage „Made in Germany“ das durch Farbchemikalien verunreinigte Wasser. Sogar die finnische Kleinstadt Äänekoski profitiere von einer 65- Millionen-Euro-Investition. Erst mit einer baumverarbeitenden Maschine aus der Bundesrepublik konnte dort das beste und sicherste – Stichwort Essbarkeit – Papier für Kinderbücher produziert werden. In China wird daraus dann das Monster-Puzzle-Buch „Das Grüffelo“; unter Billiglohnbedingungen, versteht sich.

Besonders schockierend ist für den Zuschauer jedoch der Einblick in eine Glaskugelprodukion in China. Auch ein deutscher Geschäftsmann, der zwischen Hong Kong und Bonn hin- und herpendelt, ist hier Kunde. Die Kugeln werden von Hand mit gebogenem Pinseln von innen bemalt – zwei Stunden Arbeit pro Deko-Kugel. Gefärbt wird das Glas jeweils mit einem Kännchen voll Farbe. Im Sommer bei 40 Grad – ohne Klimaanlage, ohne Schutz vor giftigen Dämpfen – arbeiten viele fleißige Menschen daran, was dann etwa mit „Warsteiner“-Schriftzügen glänzt oder am Tannenbaum funkelt. Der Einkaufspreis beläuft sich inklusive Verpackung auf lächerliche 30 Cent, so der Geschäftsmann, der im Film eine wesentliche Wahrheit ganz unbekümmert ausspricht: Nur wenn viel Handarbeit drinsteckt, kann es so billig sein. Selbst Maschinen kommen da nicht mehr mit.

„Die Weltfabrik“, 18 Uhr, 3sat

Nino Ketschagmadse

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