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Ex-"Tagesthemen"-Mann und neuer WDR-Intendant Tom Buhrow rockt die Bühne.

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Von den "Tagesthemen" zum WDR: Tom Buhrow tritt sein Amt als Intendant an

Am Montag nimmt Tom Buhrow offiziell auf dem Chefesessel des WDR Platz. Als neuer Intendant wird er allerdings nicht mit vollen Händen Geschenke verteilen können. Immerhin bringt er die richtige Begleitmusik mit.

Tom Buhrow rockt das Studio und hat Spaß dabei. „Don’t get me wrong“ - er singt den alten „Pretenders“-Song und spielt dazu durchaus gekonnt Gitarre. Das Publikum lässt sich anstecken von diesem lockeren, enthusiastischen Auftritt eines Mannes, den es sonst nur als seriösen Nachrichtenvermittler aus den „Tagesthemen“ kennt. Im April 2012 war das, bei „Gottschalk live“, einer Sendung aus dem ARD-Vorabend, die auch schon wieder Geschichte ist. Und die eng verknüpft war mit dem Namen Monika Piel, die als ARD-Vorsitzende die Verpflichtung des einstigen „Wetten, dass?“-Stars Gottschalk betrieben hatte.

Dass Buhrow schon bald Piels Nachfolger als Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) werden könnte, hätte vor 15 Monaten in Gottschalks Studio niemand im Traum gedacht. Aber am Montag ist es so weit, der 54 Jahre alte Buhrow nimmt auf dem Chefsessel bei seinem Heimatsender in Köln offiziell Platz. Ebenfalls mit Begleitmusik. Nach seiner Wahl hatte der gebürtige Rheinländer einen Deutsche-Welle-Song zitiert: „Ich düse im Sauseschritt und bring’ die Liebe mit.“ Das werden demnächst lustige Betriebsfeste beim WDR.

Aber „Don’t get me wrong“ (Versteh' mich nicht falsch) ist auch ein schönes Motto für einen Intendanten-Novizen im Chor der neun ARD-Rundfunkanstalten. Buhrow stehen nun Verhandlungen in Endlosschleife bevor, es gilt, sich permanent abzustimmen und auf spezifische Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Schon im Herbst geht es ans Eingemachte, da soll über den ARD-internen Finanzausgleich verhandelt werden. Beim WDR ist die Bereitschaft, weiterhin Teile der eigenen Einnahmen für Radio Bremen (RB) und den Saarländischen Rundfunk (SR) abzutreten, zuletzt spürbar gesunken. Wie wird sich da der Neue verhalten? Pikant am Rande: Buhrow setzte sich bei seiner Wahl deutlich gegen RB-Intendant Jan Metzger durch.

Tom Buhrow in seiner letzten "Tagesthemen"-Sendung
Am 16. Juni hat Tom Buhrow seine letzte Ausgabe der "Tagesthemen" moderiert. Später gab's Blumen von den Kollegen.

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Der unerfahrenste unter den Intendanten

Und vermutlich werden Äußerungen von Buhrow besonders schwer auf der Goldwaage liegen, denn der ehemalige Korrespondent und „Tagesthemen“-Moderator ist zwar der unerfahrenste unter den Intendanten, aber auch der prominenteste. Bekannt aus Funk und Fernsehen eben. Die ARD wird nach außen zurzeit von Lutz Marmor vom NDR vertreten, doch der ist auch keine rhetorische Wunderwaffe. Könnte sein, dass Buhrow in der öffentlichen Wahrnehmung leicht in die Rolle eines Neben-Vorsitzenden gerät. Da heißt es am Anfang nicht allzu forsch aufzutreten.

Daheim in Köln gibt’s ohnehin genug zu tun. Zum Beispiel: Sparen. Der WDR ist mit 4100 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der größte ARD-Sender. Ein nicht gerade ausgehungerter Koloss, für den jedoch trotz verbriefter Gebühren-Ausstattung die Zeiten der Expansion vorbei sind. Im Betriebshaushalt 2013 kalkuliert der WDR mit 1,38 Milliarden Euro, was niedriger als 2012 (1,44 Milliarden) und in etwa auf der Höhe der Jahresabschlüsse von 2005 und 2006 liegt. Durch einen Griff in die Rücklagen muss im Finanzplan ein Fehlbetrag von 47,5 Millionen Euro ausgeglichen werden. Und wie sich die Gebührenerträge entwickeln werden, ist ungewiss. Monika Piel hatte für den WDR zuletzt als jährliches Sparziel 50 Millionen Euro ausgegeben.

Von Buhrow erhoffen sich die Mitarbeiter mehr Schwung als in der Piel-Ära

Keine Zeit also, in der ein neuer Intendant mit vollen Händen Geschenke verteilen könnte. Eher schon eine Zeit, in der es eine Charme-, vor allem aber eine Qualitäts-Offensive braucht, um die Gebührenzahler von der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überzeugen. Nach der nicht ganz reibungslos verlaufenen Umstellung auf die Haushaltsabgabe steht das System noch stärker unter Druck als ohnehin schon. Es besteht Erklärungsbedarf. Warum braucht die Gesellschaft eine „Grundversorgung“ nicht-kommerzieller Programme? Warum sollte es richtig sein, dass zur „Grundversorgung“ nicht nur die „Tagesthemen“, Politmagazine und der anspruchsvolle Dokumentarfilm zählen, sondern auch Fußballrechte, Unterhaltungsserien und mehrere Digitalkanäle? Was sollte uns das noch wert sein, das öffentlich-rechtliche Angebot in der Ära weltweiter Vernetzung?

Alles Gender, oder was? Thomas Roth und Caren Miosga moderieren künftig gleichberechtigt die „Tagesthemen“. Fotos: dpa
Alles Gender, oder was? Thomas Roth und Caren Miosga moderieren künftig gleichberechtigt die „Tagesthemen“. Fotos: dpa

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Einer wie Buhrow, der könnte den Daseinszweck der ARD gut vermitteln – das war eines der Argumente für dessen Wahl im WDR-Rundfunkrat. Und im Haus hoffen die Mitarbeiter wieder auf mehr Schwung als in der Piel-Ära, auf einen Chef, der mehr Präsenz zeigt und eine Kultur der offenen Türen pflegt. Buhrow will ein „Intendant zum Anfassen“ sein, aber es wird nicht reichen, über die Marktplätze zu tingeln, wie er nach seiner Wahl angekündigt hatte. Der WDR-Intendant muss sich an konkretem Handeln messen lassen, zum Beispiel ob er die neuerdings gerne propagierte Transparenz aktiv vorantreibt. Dabei geht es nicht nur darum, ob der Sender Unternehmenszahlen offenlegt und für die Allgemeinheit verständlich aufbereitet, was bereits mehr oder weniger geschieht, sondern ob die Aufsichtsgremien auch Einblick in Verträge mit Moderatoren erhalten und bei Sportrechten mitreden. Da hatte sich der Sender unter Monika Piel auf den Rundfunkrat zubewegt und etwa bei den Boxrechten nachgebessert. Hier ist noch Spielraum nach oben.

Nach außen hin gab sich der WDR, wenn es unangenehm wurde, eher zugeknöpft. So prozessierte er eifrig bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gegen einen freien Journalisten, der sich mit einer Anfrage an den Sender wandte und dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz berief. Es ging um Geschäftsbeziehungen des WDR mit Firmen, für die auch Rundfunkratsmitglieder arbeiten. Der WDR verlor vor dem BGH, allerdings muss der Sender nur Auskunft erteilen, wenn das Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibt. Das Verhältnis zwischen WDR und Öffentlichkeit wird Buhrow jedenfalls neu austarieren müssen.

Die Herkulesaufgabe: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk attraktiver für die Jungen machen

Und dann ist da noch die Herkulesaufgabe für jeden Intendanten: Wie können die öffentlich-rechtlichen Angebote für die junge Generation wieder attraktiv werden? Dass dies bei Tom Buhrow ganz oben auf der Liste steht, mag man an dem ersten Pressetermin ablesen, den der WDR mit dem neuen Intendanten angesetzt hat. Am Donnerstag will er „gemeinsam mit Jugendlichen“ in Köln das „WDR Studio Zwei – Die Medienwerkstatt“ einweihen, ein medienpädagogisches Angebot für Schülerinnen und Schüler, die hier eigene Fernseh- und Hörfunkbeiträge produzieren können. Buhrow im Kreis der heiß begehrten Zielgruppe, das gibt für den Anfang schon mal ein schönes Foto.

Dass mit Buhrow ein Journalist das Ruder übernimmt, klingt in der Hoffnung auf programmliche Akzente vielversprechend, ist aber nicht sonderlich spektakulär. Journalisten waren auch Vorgängerin Piel sowie Fritz Pleitgen und Friedrich Nowottny. Eher schon ist die Frage, welches Geschick Buhrow in der Personalpolitik an den Tag legen wird. Im kommenden Frühjahr 2014 müssen beim WDR Schlüsselpositionen neu besetzt werden, die Amtszeiten der Programmdirektoren Verena Kulenkampff (Fernsehen) und Wolfgang Schmitz (Hörfunk) enden. Gewählt werden die Direktoren vom Rundfunkrat, aber das Vorschlagsrecht hat der Intendant – kaum anzunehmen, dass das Gremium dem eigenen, mit überwältigender Mehrheit ausgestatteten Wunschkandidaten Buhrow Steine in den Weg legt. Er hat in den nächsten Monaten gute Chancen, den Sender zu rocken, in seinem Sinne zu formen. Die Frage lautet: Wen bringt er mit, außer der Liebe?

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