zum Hauptinhalt

Weniger Neues, weniger Zuschauer: Wiedersehen macht...

Im Sommer wechselt das Fernsehen in den Recycling-Modus. „Tatort“ und Serien sind besonders betroffen.

Die Zahl hat etwas Erschreckendes. Im Schnitt schaut jeder Bundesbürger pro Tag 3,5 Stunden in seinen Fernseher. Wenn einer mal ausfällt, muss der Nachbar ran, damit keine Lücke in die Quote gerissen wird. Traditionell wird in den kalten Monaten viel öfter und länger eingeschaltet. Die Sender reagieren darauf und heben sich viele Novitäten für Dunkel-Deutschland auf. Damit die Zuschauer nicht noch mehr Lebenszeit mit dem geliehenen Fernsehzuschauerleben verbringen, muss da nicht Dankbarkeit ausbrechen, wenn das Medium im Sommer in die Schmalspur biegt? Da steigt die Wiederholungsrate, und die Gier nach der Glotze sinkt. Danke, Fernsehen?

Was die Fiktion angeht, verhält sich das Fernsehen wie ein Theaterhaus. Auch auf den Bühnen Deutschlands geht nicht an jedem Abend der Lappen über einer Premiere hoch, der Großteil des Spielplans ist Reprise. Nicht anders beim „Tatort“: Am Sonntag laufen rund 35 Premieren im Jahr, der Rest verteilt sich auf den „Polizeiruf 110“ und eben Wiederholungen wie auch an diesem Sonntagabend. Die gezeigten Krimis wandern in den Repertoirestock der Dritten Programme und für den Wiederholungstermin am Freitag. So viel „Tatort“ war noch nie im Ersten Deutschen Fernsehen. Massive Beschwerden über diesen „Massenmord“ sind noch nicht laut geworden.

Déjà vu am Wochenende. Eva Mattes ermittelt erneut in einem „Tatort“ von 2011 (großes Foto), Günter Pfitzmann ist für das RBB-Publikum der ewige „Havelkaiser“ (links oben) und das ZDF holt einen „Wilsberg“ mit Leonard Lansink aus dem Archiv. Fotos: ARD(2), ZDF
Déjà vu am Wochenende. Eva Mattes ermittelt erneut in einem „Tatort“ von 2011 (großes Foto), Günter Pfitzmann ist für das RBB-Publikum der ewige „Havelkaiser“ (links oben) und das ZDF holt einen „Wilsberg“ mit Leonard Lansink aus dem Archiv. Fotos: ARD(2), ZDF

© rbb/SWR

Es gibt zweifelsfrei Fernsehstücke, auf deren erneute Ausstrahlung sich der Zuschauer freut. Manch einer hat die Erstausstrahlung seines Lieblingskrimis gar nicht gesehen. Frei nach dem Motto: Wenn ein Film bei der Erstausstrahlung 15 Prozent Marktanteil hatte, bleiben immer noch 85 Prozent, die ihn nicht gesehen haben. Das geht bis zum Ritual, wenn Freddie Frinton an Silvester in „Dinner for One“ übers Eisbärfell stolpert. Andererseits: Nicht jedes Wiedersehen macht denselben Spaß. Sehgewohnheiten verändern sich. Manche Filme können schon nach drei oder vier Jahren veraltet wirken.

Nach Angaben der ARD-Medienforschung schauten an einem Durchschnittstag im Januar 12,57 Millionen Menschen fern, im Juli waren es 9,29 Millionen. Ein deutlicher Rückgang, der den Senderverantwortlichen das Argument in die Hand gibt, warum im gleichen Zeitraum der Wiederholungsanteil von 15 auf 23 Prozent für die Sendestrecke zwischen neun Uhr und 23 Uhr steigt. Knapp ein Viertel des Sommerprogramms stammt aus dem Archiv, gemäß dem Satz von Rudi Carrell: Ich werde noch lange als Wiederholung weiterleben.

Die im Sommer zusätzlich wiederholten Sendungen beispielsweise im Ersten sind ausschließlich die fiktionalen Stücke am Mittwoch, am Freitag und am Sonntag um 20 Uhr 15. Da es sich dabei stets um 90-Minüter handelt, schlagen sie in der Wiederholungsquote stärker zu Buche. Ansonsten fallen in den Sommermonaten bestimmte Programmgenres wie die Talkshows oder der Fußballsport aus, dafür werden andere Formate wie Dokumentation, Dokumentarfilm und Spielfilme stärker eingesetzt. Die Aktualität von den Nachrichten bis zu den Magazinen macht keine Sommerpause.

„Tatsächlich haben wir im Sommer mehr Wiederholungen im Programm als im Herbst oder Winter“, sagt ein ARD-Sprecher. Allerdings werde eben im Sommer auch rund 20 Prozent weniger ferngesehen als in den kühleren Monaten. Das Erste halte den Anteil der Wiederholungen von Anfang Juni bis Ende August relativ gering: „In diesem Zeitraum machen Wiederholungen über den ganzen Tag weniger als 30 Prozent des Programms aus, in der zuschauerstärksten Zeit, zwischen 20 und 23 Uhr, liegt der Anteil der Erstsendungen sogar bei rund 90 Prozent, darunter echte Highlights wie das Dokudrama ‚George‘.“

Fernsehen im Recycling-Modus ist kein öffentlich-rechtliches Problem allein. Auch Pro7 und Sat1 geizen derzeit mit frischer Ware. Natürlich sei der Sommer saisonal bedingt wie jedes Jahr nicht unbedingt die Jahreszeit, in der jeder Sender sein gesamtes Pulver verschießt, sagt eine Sprecherin der Sendergruppe. „Aber im Gegensatz zu vor fünf bis acht Jahren gibt es auch in Deutschland eine sogenannte ,Mid Season’, auch im Sommer startet eine Reihe von Formaten, die den Zuschauer hoffentlich bei Laune halten.“ Neue Staffeln von US-Serienhits wie „The Mentalist“ oder „Castle“ „Navy CIS“ laufen allerdings erst ab Ende August. Gerade der Juli – im Grunde ja auch ein Sommermonat, oder nicht? – bleibt der Monat der vielen Wiederholungen.

Dieses permanente Déjà-vu-TV kann über die Sommermonate hinaus zum Dauerzustand werden. Vor Jahren warnten Produzenten infolge des Sparkurses vor einer Wiederholungswelle im Fernsehen. Laut einer Studie der Produzentenallianz hat die ARD beim Gesamtprogramm – von null Uhr bis 24 Uhr und übers Jahr gesehen – 40 Prozent Wiederholungen im Programm, das ZDF 31 Prozent, die RTL-Gruppe (ohne Super RTL) 74 Prozent, die Pro7Sat1-Gruppe (ohne Sixx) 73 Prozent. Was sich allerdings auch daraus erklären lässt, dass zum Beispiel die US-Serie „How I Met your Mother“ quasi unentwegt läuft. In einem Jahr gab es hiervon mal satte 2 045 Folgen, morgens, mittags, abends. Diese Zahlen sind aus 2011, dürften sich aber kaum geändert haben. Sehr auffällig ist auch der Wiederholungszwang bei den Dritten Programmen. Deren Anteil am Jahresgesamtprogramm liegt bei 68 Prozent.

Deswegen will „Havelkaiser“ Günter Pfitzmann einfach nicht untergehen und schippert am Samstagabend beim RBB wieder über die Bildschirme.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false