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Westdeutscher Rundfunk: Prima jubeln und sparen

Der WDR feiert sein Kulturradio WDR 3 – und verkauft seine Kunstsammlung. Intendant Tom Buhrow will damit eine Etatlücke stopfen.

Bei diesem runden Geburtstag ließ sich der WDR wirklich nicht lumpen. 50 Jahre Kulturradio WDR 3, und Deutschlands mächtigste ARD-Anstalt lud am Samstag zur großen Party. Den ganzen Tag lang wurde ein Sonderprogramm aus Hörerwünschen, Archiv-Highlights und Konzerten berühmter Dirigenten gesendet. Auf der Jubiläumsgala spielte die WDR Big Band. Und es gab viele prominente Glückwünsche, angefangen bei NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft („Gratuliere ganz ganz herzlich!“) über Autor Roger Willemsen („Was für ein sympathischer Fünfzigjähriger!“) bis hin zu Fernsehmoderator Götz Alsmann („Eine herrliche Welle!“). Auch Intendant Tom Buhrow gab sich „stolz“ auf sein 1964 gestartetes Klassikradio und lobte es als „eines der aktivsten Kulturnetzwerke in Deutschland“.

Bei anderer Gelegenheit zeigt sich der Senderchef deutlich weniger kulturfreundlich. Denn Buhrow muss sparen. Bis 2015 möchte er das milliardenschwere WDR-Budget um 90 Millionen Euro gekürzt haben. Und dafür hat er nun gleich als erste „Sofortmaßnahme“ beschlossen, die hauseigene Kunstsammlung zu verkaufen. Die besteht aus knapp sechshundert Werken, die man seit den 1950er Jahren zusammengetragen hat, darunter auch Bilder von Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und Max Beckmann. Klassiker der Moderne also, die auf dem Kunstmarkt inzwischen hohe Preise erzielen. Entsprechend frohlockt die Pressestelle: „Unsere damaligen Kollegen hatten ein sehr gutes Händchen. Ein Werk des Expressionisten Kirchner erwarb der WDR 1956 zum Beispiel für 600 Mark. Der heutige Schätzwert liegt im hohen fünfstelligen Bereich.“

Insgesamt, so spekuliert man, könnte der Verkauf der Sammlung drei Millionen Euro einbringen. Kein Wort hingegen über den ideellen Wert der Werke. Und auch keines darüber, dass ehrenamtliche „Kunstbeauftragte“ des WDR wie etwa Walter Vitt, der die Sammlung von 1987 bis 1998 betreut hat, die Exponate einst keineswegs als Notgroschen für schlechte Zeiten angekauft haben. Vielmehr, so erzählt Vitt empört, habe das Kunst-Engagement des WDR vor allem zu Beginn historische Gründe gehabt. Man wollte mit seinem Bekenntnis für ehemals verfemte Künstler ein Zeichen setzen gegen die Kulturbarbarei der Nationalsozialisten. Vitt hat die Sammlung dann mit neueren Werken von Bob Stanley, Gerd Winner, Bernard Schultze, Frank Badur, Walter Dexel und André Heurteaux angereichert, wofür ihm die Anstalt die relativ bescheidene Summe von 40 000 Mark pro Jahr zur Verfügung stellte. Als inoffizieller „Art Scout“ vertrat er das Konzept, dass „die Produktion von modernem Rundfunkprogramm in die Arbeitsumgebung von zeitgenössischer Kunst gehört“. Und mit dieser Mission eines „gegenseitigen Befruchtens“, so betont der ehemalige WDR-Nachrichtenredakteur, habe er sich stets von seinen damaligen Vorgesetzten und Mitarbeitern „verstanden“ gefühlt. Nun aber befürchtet Vitt durch den Verkauf der Bilder einen nachhaltigen „Imageschaden“ für seinen ehemaligen Arbeitgeber, „der nur schwer wieder gut zu machen sein wird“.

Auch Marie Luise Syring vom internationalen Kunstkritikerverband AICA ist entsetzt. „Drei Millionen Euro sind doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, meint sie. „Wie kann man so kurzsichtig mit seinem Erbe umgehen?“ Im Namen des Verbandes hat sie Buhrow einen offenen Brief geschrieben und gebeten, „sich zu besinnen und das Vorhaben unbedingt zu korrigieren“.

Doch der nimmt anscheinend schon den nächsten Streichposten ins Visier: nämlich die seit 1947 aufgebaute WDR-Bibliothek mit ihren rund 120 000 Büchern und Zeitschriften. Anfang März teilte man den überraschten Bibliothekaren mit, dass der Fortbestand der Einrichtung „geprüft“ werden solle. Nun hagelt es erneut Protestbriefe an den Intendanten. Und auch wenn dessen Sprecher nicht müde werden zu betonen, dass ja noch nichts entschieden sei, sind viele WDR-Mitarbeiter beunruhigt. Zumindest hat die Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi beim Stichwort Bibliothek bereits düster verlauten lassen, dass „ohne signifikante Sparanstrengungen die journalistische Qualität unseres Programms nicht erhalten werden kann“.

Alexandra Zwick

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