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Medien: Wie ein wilder Stier

„AS“ oder „Marca“– Spaniens Sportpresse scheut keine Attacke

Bislang galt die britische Sportpresse als die garstigste der Welt. Wird sie künftig von der spanischen abgelöst? Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn das, was die Reporter auf der iberischen Halbinsel nach dem Spiel von Real Madrid über die Bayern, speziell über Torhüter Oliver Kahn, geschrieben haben, war weit unter der Gürtellinie.

In der Meute der spanischen Sportpresse haben die beiden Madrider Tageszeitungen „Marca“ und „AS“ seit langem die Führung übernommen. Während die übrigen Blätter, etwa „El Mundo Deportivo“, „Sport“ und „Don Balon“, sich wie Terrier in das sportliche Geschehen stürzen, sind „Marca“ und „AS“ in die Rolle der Dobermänner geschlüpft – sie fletschen die Zähne, knurren und beißen. Hält man die beiden in den Händen, so gleichen sie einer flott und gut gemachten Boulevardzeitung: Bilder, Layout und Textzuordnung sind optisch hervorragend gelöst. Ob gewollt oder nicht, man bekommt Lust zu lesen.

„Marca“ verkauft jeden Tag über 550 000 Exemplare und ist damit die größte Tageszeitung des Landes. 13 festangestellte Mitarbeiter sollen sich allein um das Geschehen bei Real kümmern, dem Verein, dem die Zeitung am nächsten steht. Und wehe, ein anderer kommt den „Galacticos“ (Außerirdischen) ins Gehege, wie vor zwei Wochen die Bayern, die die Superstars aus Madrid entzauberten. Als dann auch noch Roberto Carlos wegen einer Tätlichkeit für das Rückspiel in Madrid gesperrt wurde, fielen Sätze wie „Carlos hatte noch Glück, dass er in München nicht in die Gaskammer gesteckt wurde." Ein paar Tage später entschuldigte sich derselbe Kolumnist für diese verbale Entgleisung in „Marca“.

Aber auch Konkurrent „AS“ (etwa 150 000 verkaufte Exemplare) ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, Konkurrenten spanischer Mannschaften eins auszuwischen. Nach dem Spiel kommentierte die Zeitung den Patzer von Oliver Kahn: „Ausgerechnet der alte Kahn, der gehasste, hässliche und unsympathische Feind, bereitet Real die einzige Freude des Abends." Und: „Er ging wie eine alte, schwangere Frau zu Boden." Und um dem angekratzten spanischen Selbstbewusstsein Balsam aufzutragen, formulierte AS ebenso schlicht wie einprägsam: „Casillas war viel besser als Kahn."

Dennoch wäre es falsch, den Journalisten absolute Einseitigkeit vorzuwerfen. „AS“ ließ auch Stimmen von Spielern zu, die den Münchner Torwart in Schutz nahmen. So erklärte Real-Keeper Iker Casillas in einem Interview über Kahn: „Er hat bei Bayern und in der Nationalmannschaft alles gegeben. Und das kann man nicht in einer Minute auslöschen. Es ist nicht das Ende von Kahn, es war nur ein Fehler. Er ist immer noch einer der fünf besten Keeper der Welt."

An diesem Wochenende sorgte sich die Sportpresse um das gesundheitliche Wohl der „Galacticos", die in der spanischen Liga gegen Racing Santander 1 : 1 unentschieden spielten: „Un Madrid gripado", was soviel heißt wie „Die Grippe hat Madrid fest im Griff" – Raul krank, Beckham so gut wie, Zidane gesundheitlich angeschlagen und Ronaldo so schwer verletzt, dass er beim Rückspiel gegen Bayern nicht dabei sein wird.

Nun hofft man in der spanischen Hauptstadt, dass spätestens morgen, beim Spiel gegen den Erzrivalen aus München im Bernabeu-Stadion, wieder alles im Lot sein wird. „Wenn alle unsere Spieler in Form sind, werden wir den Bayern den Arsch versohlen", sagte ein Madrider Taxifahrer mit leuchtenden Augen. Und die spanische Sportpresse wird das Geschehen auf dem grünen Rasen, dessen kann man sich sicher sein, mit den entsprechenden Formulierungen kommentieren.

Michael Ludwig[Madrid]

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