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„Ich bin doch kein Sozialamt“: Playboy und Discobesitzer Rolf Eden baute sich im West-Berlin der 60er und 70er Jahre ein Nachtclub-Imperium auf.

© ZDF

ZDF-Doku über West-Berlin: Wo Rolf Eden die Puppen tanzen ließ

Was war, was bewegte, was erschütterte West-Berlin zwischen Mauerbau und Mauerfall? Eine Dokumentation gibt eine zweiteilige Antwort im ZDF.

Wie hat er den Lärm verursacht? Ganz spannende Frage. Hat sich Otto Schily mit dem Oberkörper aufs Lenkrad und damit auf die Hupe gelegt? Hat er mit der Faust gehupt? Dauerhaft oder rhythmisch? Und trug er damals schon Krawatte? Herrliche Vorstellung, Schily, der spätere RAF-Anwalt, „legte sich auf die Hupe, um gegen den Mauerbau zu protestieren“. Klar, die RAF und ihr Umfeld hatten mit dem Sozialismus à la DDR inhaltlich nie wirklich etwas am Hut, trotzdem.

Schily erzählt die Nummer mit dem Protest sichtbar vergnügt, er ist einer der Zeitzeugen in der ZDF-Dokumentation „,Die Insel – West-Berlin zwischen Mauerbau und Mauerfall“. Schily, der spätere knochenhart konservative Bundesinnenminister, ist auch Hauptperson in den, sicher unfreiwillig, komischsten Sequenzen der zweiteiligen Reportage. Schily aus dem Off: „Ost-Berlin war ja ausgesprochen hässlich.“ Im Bild: ein Mercedes, der am nüchternen, keineswegs hässlichen Ost-Berliner Restaurant Moskau vorbeirollt. Schily, wieder aus dem Off: „Dann der Gestank vom Ostbenzin, ausgesprochen unangenehm.“ Im Bild: die Karosserie eines BMW, geparkt in Ost-Berlin.

Kleinigkeiten, nicht repräsentativ für diesen Film. „Die Insel“ ist eine gute, informative Aufarbeitung der Geschichte der „Frontstadt“ (der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper).

Stefan Aust und Claus Richter, die Autoren, greifen alle Themen auf, die zwischen 1961 und 1989 diese Stadt prägten. Natürlich – schließlich ist RAF-Experte Aust beteiligt –, mit einer gewissen Fokussierung auf Studentenunruhen, Bewegung 2. Juni, RAF.

Ein Problem ist das nicht. Erstens erhält die Thematik nicht zu viel Gewicht, zweitens profitiert Aust von seinen Kontakten. So redet der frühere Terrorist Till Meyer informativ und ausführlich über die Entführung des damaligen CDU-Spitzenkandidaten Peter Lorenz und überforderte Polizisten, die mit einem Käfer Terroristen in ihren BMW verfolgen mussten. Dass Meyer durchaus vergnügt erzählt, muss man wohl in Kauf nehmen.

Die Dokumentation greift – natürlich eingeengt auf ein medial bedeutsame Themenkomplexe – wunderbar die damalige Atmosphäre und den Zeitgeist der Mauerjahre auf. Highlight zweifellos dieser Reporter, der den Playboy und Disco-Besitzer Rolf Eden fragt: „Warum machen Sie so etwas? Aus sozialem Engagement? Oder ist das Geschäft?“ Auf so eine bescheuerte Frage kann es nur eine Antwort geben, und die gibt Eden ganz cool: „Ich bin doch kein Sozialamt. Für mich ist es das reine Geschäft.“

Korruption, Ku’damm-Glamour, Fassaden mit Einschlusslöchern, Laubenpieper-Romantik, Tunnelbauten, ein Mann, der protestierende Studenten „am liebsten an die Wand stellen und abknallen würde“, alles dabei. Und Zeitzeugen: Walter Momper. Ex-US-Botschafter Richard Burt, Sängerin Ute Lemper, Schriftsteller Peter Schneider, Travestie-Ikone Romy Haag. Warum der Klampfen-Sänger Gunter Gabriel mehrfach auftaucht, wird nicht klar.

Irgendwann erzählt auch ein junger Mann, was er gerade an einem besetzten Haus renoviert hat. Ein Schwabe natürlich. Schon damals gehörten sie zu den Leuten, die andere nervten. So viel hat sich also auf der früheren Insel nicht verändert.

„Die Insel - West-Berlin zwischen Mauerbau und Mauerfall“, ZDF, am Dienstag und am 28. Oktober, jeweils um 20Uhr15.

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