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ZDF-Serie: Schuld, manchmal Sühne

Nach 15 Jahren wieder in einer Fernsehproduktion: Moritz Bleibtreu spielt den Anwalt in der neuen Schirach-Verfilmung.

Vielleicht erschließen sich einem die Bücher von Ferdinand von Schirach am besten, wenn man einen Blick auf seine Website wirft. Dort zitiert er den Rechtsanwalt Max Alsberg, der in der Weimarer Republik ein berühmter Strafverteidiger war, und, wie von Schirach selbst, Schriftsteller. 1930 schrieb Alsberg, dass es Aufgabe des Strafverteidigers sei, „den hochgemuten, voreiligen Griff nach der Wahrheit zu hemmen“.

Dieses Zitat kann man jedem von Schirachs Büchern voranstellen, vor allem den Erzählbänden „Verbrechen“ und „Schuld“. „Verbrechen“ erschien im August 2009, machte von Schirach schlagartig berühmt und wurde 2013 als Miniserie im ZDF ausgestrahlt. Oliver Berben hatte sich mit seiner zu Constantin gehörenden Produktionsfirma Moovie die Filmrechte am Buch gesichert und sechs Geschichten daraus realisiert. Jetzt hat Berben sechs neue Folgen produziert, die erneut im ZDF laufen werden - diesmal stammen die Vorlagen aus Schirachs Erzählband „Schuld“. Der Sender musste angesichts des Erfolgs von „Verbrechen“ nicht lange überredet werden.

Von Anfang April bis Ende Juli wurde gedreht, fast alle Szenen in Berlin. Spielte in „Verbrechen“ noch Josef Bierblichler die Rolle des Anwalts – der einzigen Figur, die sich wie ein roter Faden durch die Krimis zieht – hat die Rolle nun ein Jüngerer übernommen: Moritz Bleibtreu. „Da der Anwalt diesmal jünger sein musste, dachte ich relativ früh an Moritz“, erzählte Berben am Rande der Dreharbeiten. „Ich habe aber nicht geglaubt, dass er es macht.“ Denn Bleibtreu war zum letzten Mal vor 15 Jahren in einer Fernsehproduktion zu sehen. Damals spielte er in einer 3sat-Komödie einen Ökobauern. Seitdem kennt ihn das Publikum nur noch aus dem Kino.

Doch Bleibtreu hatte im vergangenen Jahr begeistert die Verfilmung von „Verbrechen“ gesehen – und sagte für „Schuld“sofort zu. „Ich fand ,Verbrechen’ interessant und besonders gemacht“, sagt er, „ein Format, das so vor zehn, 15 Jahren im deutschen Fernsehen nicht möglich gewesen wäre“. Seiner Meinung nach zeigen „Verbrechen“ und „Schuld“ genau wie die US–Serien „Breaking Bad“ oder „The Wire“ Beispiele einer Entwicklung, durch die sich im deutschen Fernsehen eine neue, künstlerische Erzählform etabliert habe. Und: „Wenn die Erzählstrukturen komplexer, intelligenter und abgründiger werden, ist es natürlich auch für einen Schauspieler interessant.“

Für die Verfilmung von „Schuld“ hat Berben die sechs beeindruckendsten Kurzgeschichten des Buchs ausgewählt: „Volksfest“, „DNA“, „Die Illuminaten“, „Der Andere“, „Schnee“ und „Ausgleich“. Alle Geschichten machen den Unterschied zwischen Rechtsprechung und moralisch empfundener Gerechtigkeit deutlich – teils in brutaler Offenheit.

„Nicht alles, was als Recht gesprochen wird, entspricht den Vorstellungen der Bevölkerung von Gerechtigkeit“, sagt von Schirach und erklärt damit gleichzeitig das Zitat von Max Alsberg. Von Schirach musste das selbst erst lernen. Und so kommt „Volksfest“ als Initiationsgeschichte des jungen, unerfahrenen Advokaten daher, der glaubt, mit seinem Uni-Wissen gegen und für alles gewappnet zu sein. Dass sich in der Realität vieles ganz anders darstellt als in der Theorie, lehrt ihn gleich sein erster Fall. Eine Geschichte mit starkem Tobak, die das Gerechtigkeitsempfinden vieler Zuschauer völlig unbefriedigt lassen wird.

Produzent Berben war wichtig, dass „Schuld“ keine Fortsetzung von „Verbrechen“ ist. Obwohl mit André Georgi, Jobst Oetzmann und Nina Grosse wieder dieselben Drehbuchautoren am Werk waren, biete „Schuld“ „einen anderen, neuen Blick und eine neue Art der Inszenierung“, sagt er. „Interessant für mich war, dass es einen starken Unterschied gibt, wie sich die Fälle mit Kriminalität, Tätern und Opfern beschäftigen. ,Verbrechen’ hat sehr klar beschrieben, was bei Tätern, Opfern und Behörden passiert, die in die Tat involviert sind. In ,Schuld’ setzen sich die Fälle auf einer deutlich psychologischeren Ebene mit dem Thema auseinander.“ Dies äußere sich in der Entwicklung der Figuren ebenso wie im Schnitt und der Aufbereitung der Filme: „Während wir in ,Verbrechen’ mehr auf Geschwindigkeit, bunte Farbgebung und knallige Effekte gesetzt haben, ist die Erzählweise in ,Schuld’ zurückgenommener und deutlich ruhiger“, sagt Berben.

In welcher Reihenfolge die neuen Folgen gezeigt werden, wollen Berben und das ZDF erst kurz vor Ausstrahlung entscheiden. Der Sendeplatz der sechs 45 Minuten langen Filme steht aber bereits fest: Die Folgen laufen von Ende Februar bis Ende März 2015 immer freitags um 21 Uhr 15. „SOKO Leipzig“, das momentan diesen Sendeplatz hat, muss dann pausieren.

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