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Zu meinem ÄRGER: Zipfelmützen besiegen „Tagesthemen“

Ernst Elitz resümiert die Medienwoche.

Herr Elitz, worüber haben Sie sich in dieser Woche in den Medien am meisten geärgert?

Über meinen Dauerärger. Wer sich in diesen Tagen zur gewohnten Zeit in den „Tagesthemen“ oder beim „heute-journal“ informieren wollte, stieß auf Herren mit Zipfelmützen, die faule Witze rissen. Über Berlusconi: „Porno von forno“, oder die vermoderte Kalauer wieder zum Leben erweckten: „Ein Dobermann, das war mein Glück, ein doofer Mann bleibt mir zurück.“ Nun hat die ARD zwar versprochen, die „Tagesthemen“ ab Herbst dieses Jahres verlässlich um 22 Uhr 15 zu senden. Stimmt aber nicht. Sie meint an vier Tagen, und das außer Fußball und Karneval. Ich bin dafür, „Tagesthemen“ und „heute-journal“ an allen sieben Tagen der Woche pünktlich in Phoenix auszustrahlen. Das macht ein gutes Programm noch besser und schafft bei ARD und ZDF mehr Raum für die oben beschriebene Volksbelustigung.

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

Dass der Medienhype um Guttenberg zu einer groß angelegten Debatte über Politik und Moral geführt hat. Kein Bürger konnte sich dem entziehen. Das Netz lieferte die Infos, die klassischen Medien das Meinungsfeuerwerk. Und alle Verschwörungstheoretiker, die im Volk wie in der Politikerkaste nur eine tumbe Masse sehen, die sich bereitwillig von den Medien manipulieren lässt, wurden krachend widerlegt. Da mochte die eine Journalistenkompanie fordern: Gutti muss bleiben! Prompt trat er zurück. Da mochten die andern frohlocken, dass er endlich im Staub lag. Flugs wollte eine Mehrheit im Volk ihn wieder zurück. So viel belebender Widerspruch im Meinungskampf ist mir lieber als eine Meinungspolizei, die eine Richtung vorgibt. Wir haben dank des depromovierten Freiherrn eine Sternstunde des Medien- und Meinungspluralismus erlebt, um die uns halb Europa beneidet, vom Rest der Welt mal ganz abgesehen. Bitte weiter so!

Welche Website können Sie empfehlen?

Den Blog „Ding und Dinglichkeit“ auf der Seite der FAZ. Andrea Diener und Sophie von Maltzahn schreiben höchst amüsant über „dingliche Phänomene“ wie Ohrstöpsel, Haarspangen, Jagdmesser, Kabelsalat und Wellnessbäder. Hier gelingt es der „FAZ“ im Netz, nicht nur die Frauen-, sondern auch die Originalitätsquote des Blattes locker zu überbieten. Und wie urteilen die Kommentatoren über die Texte der Bloggerinnen: „grosse Musik“ oder „köstlich krankes Zeug“. Na denn mal „klick“.

Ernst Elitz war Gründungsintendant des Deutschlandradios.

Er lehrt an der Freien Universität Berlin

Kultur- und

Medienmanagement.

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