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Zu PAPIER gebracht: Ab in die Mitte

In der Mitte der Gesellschaft angekommen sei man inzwischen, das hörte man auf der Republica in diesem Jahr häufig. Der Beweis?

In der Mitte der Gesellschaft angekommen sei man inzwischen, das hörte man auf der Republica in diesem Jahr häufig. Der Beweis? Microsoft und Daimler sind Sponsoren der Veranstaltung, Daimler-Chef Dieter Zetsche spricht hemdsärmelig auf der Hauptbühne über die Mobilitätsstrategie seines Konzerns, das ARD-Morgenmagazin nennt die Konferenz „die größte und wichtigste Internetmesse in Deutschland“ und auch das W-Lan funktioniert zum ersten Mal. Dazu kommen 5000 Besucher – Blogger, Youtuber, Twitterer und digitale Denker, die sich überlegen, wo es hingehen soll mit diesem Internet. Das muss doch reichen, um zur „Mitte der Gesellschaft“ zu gehören.

Nicht ganz – denn diejenigen, die tatsächlich etwas zu sagen haben in dieser Gesellschaft, in deren Mitte man angekommen sein will, die waren nicht da. Kein Minister, kein Parteichef, nicht mal ein Bürgermeister ließ sich blicken. Es ist erstaunlich, dass eine Veranstaltung, über welche die „Tagesschau“ berichtet, die drei Tage lang das Internet dominiert und die im Herzen von Berlin stattfindet, vom Politikbetrieb links liegen gelassen wird. Im vergangenen Jahr war wenigstens Regierungssprecher Steffen Seibert da. Eigentlich wollte Seibert wiederkommen, es scheint jedoch etwas dazwischengekommen zu sein. Peer Steinbrück wollte wohl kommen, war dann aber auch nicht da. Die Politik ignoriert die Republica, so gut es geht.

Bisher geht das noch ganz gut. Zu gut, finden einige der Klassensprecher des Landschulheims der deutschen Blogger. Sascha Lobo, der einzige Netzerklärer, den man auch „draußen“ kennt, forderte die Besucher auf, weniger zu reden, dafür mehr zu machen. Blogger-Kollege Felix Schwenzel (wirres.net) lobte Lobos Aufruf und sang in seiner gut besuchten Rede „10 Vorschläge um die Welt zu verbessern“ ein Loblied auf den Kompromiss. Und der ehemalige IBM-Innovationsbeauftragte und heutige Profi-Redner Gunter Dueck empfahl seinen Zuhörern, die Argumente der anderen nicht immer von vornherein zu verteufeln. Drei Reden mit ähnlichem Tenor: Die Republica will mehr sein als ein Blogger-Utopia, sie will raus aus der Nische und ab in die Mitte. Um diese Ziele mit der „Hobby-Lobby des Internets“ (Lobo) zu erreichen, will Sascha Lobo notfalls auch einen Pakt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eingehen. Doch zu einem Pakt gehören immer mindestens zwei Beteiligte. Und die Politik hat sich bisher kaum als williger Partner für die Anliegen der Netzgemeinde präsentiert. Die Piraten, die als Bindeglied zwischen Netz und Politik gedacht waren, sind zumindest derzeit keine Option mehr.

Bis die Republica wirklich in der Mitte angekommen ist, dürfte also noch einige Zeit vergehen. Aber Zeit totschlagen lässt sich im Internet ja ganz hervorragend.

Der Autor ist freier Journalist und schreibt für den Tagesspiegel über Internet und Gesellschaft.

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