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Zu PAPIER gebracht: Wie es euch gefällt

Ist das Internet ein öffentlicher Raum? Oder ist es, wie ein Einkaufszentrum, im Privatbesitz von jenen, die es bewirtschaften?

Ist das Internet ein öffentlicher Raum? Oder ist es, wie ein Einkaufszentrum, im Privatbesitz von jenen, die es bewirtschaften? Wem gehört das Internet? Angesichts der vor kurzem bekannt gewordenen geheimdienstlichen Eingriffe der NSA in unsere digitalen Kommunikationswege stellt sich diese dringliche Frage erneut. Dringlich, denn seit einiger Zeit findet ein Großteil unserer Informationsarbeit über das Internet statt. Mehr als 75 Prozent – und das sind 53,4 Millionen Deutsche – nutzen das Netz. Ob es sich um die neuesten Nachrichten oder unsere Gesundheit handelt, ob es die Öffnungszeiten eines Museums sind oder ob wir unseren Urlaubsort online recherchieren: Neben Freunden, Nachbarn und professionellen Experten, die wir um Rat fragen, wenden sich viele von uns ans Internet, um eine erste Orientierung zu gewinnen. Gleich, ob man das gut findet oder nicht: Für unsere Gesellschaften ist es damit in den letzten Jahren ein wichtiger und unverzichtbarer Ort geworden. Doch wer passt auf diesen Ort auf?

Bislang hoffte man, der Staat könne der Sammelwut der verschiedenen Datenkraken Einhalt gebieten. Das scheint nun fraglich: Dass die USA digitale Plattformen als ihre hauseigenen gigantischen Abhörmuscheln begreift, nur weil viele erfolgreiche Internetfirmen aus den USA kommen, stellt uns vor ein neues Dilemma. Bislang forderten wir, Google zu regulieren, oder stritten uns um das Verhalten der Bürger in Bezug auf das Urheberrecht online. Jetzt stehen wir zum ersten Mal vor der Gegebenheit, dass nicht nur dem Bürger oder der Wirtschaft gesetzlich auf die Finger geklopft werden muss, sondern auch Vater Staat. Ausgerechnet jene Instanz, welche den Gesetzeshammer schwingt, macht sich ungeniert breit und konsumiert gefräßig Daten nach Gusto.

Firmen, Privatpersonen, aber auch Staaten benehmen sich wie ein unerzogenes Kleinkind, das sich vorschnell den Nachtisch grabscht und „Meins!“ schreit. Im Augenblick behandeln alle diesen neuen technischen Raum, als ob er zu ihrer freien Verfügung stünde, als würde er nur zur Wahrung ihrer eigenen Interessen von uns mit Inhalten angefüllt.

Der Grund dafür liegt in der neuen sozialen Beschaffenheit des Netzes, die wir gleich den amerikanischen Pionieren oft in schlechter Cowboymanier erobern. Bislang war mediale Beschaffenheit nämlich eindeutig: Küchentischstreitigkeiten, Telefongespräche und Briefe waren privat. Theaterbühnen, Museumssäle, Radio und Fernsehen waren öffentlich. Philosophen haben die Gültigkeit dieser wohlgeordneten Dichotomie „privat/öffentlich“ zwar schon immer haareraufend hinterfragt, nirgends kollidiert sie aber deutlicher als im Internet. Der hilfsbedürftige Begriff „soziale Medien“ kann keine Abhilfe schaffen, im Gegenteil. Was hier als sozial und asozial zu gelten hat, was offen gesammelt wird oder vergehen darf, ist zu oft die Entscheidung des Datensammlers. Es werden dann vermeintlich staatliche oder wirtschaftliche Interessen behauptet und die haben Vorrang. Das Internet ist jedoch vor allem ein gesellschaftlicher Raum. Soll er das bleiben, so sieht es im Moment aus, müssen wir alle seine Gültigkeit verteidigen.

Die Autorin war Online-Chefin des Tagesspiegels. Sie lebt heute in London und bloggt unter www.mercedes-bunz.de.

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