zum Hauptinhalt

Medien: Zurecht gerechnet

Als „Mister Netto-Netto“ wurde Bernd Kundrun bezeichnet, als er im November 2000 Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr wurde. Noch bösere Zungen nannten ihn einen „Taschenrechner auf zwei Beinen“.

Als „Mister Netto-Netto“ wurde Bernd Kundrun bezeichnet, als er im November 2000 Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr wurde. Noch bösere Zungen nannten ihn einen „Taschenrechner auf zwei Beinen“. Er hatte sich zuvor beim Bertelsmann Buchclub einen Ruf als Sanierer erworben. Kundrun schmerzte das und sprach fortan von seinem sozialen Engagement, davon, dass sein Traum wäre, mit der Familie die Welt zu umsegeln, und er erzählte vom Bergsteigen und beeindruckenden Naturgewalten. Um die Fähigkeit zur verlegerischen Vision zu demonstrieren, verbreitete er Internet-Euphorie. Das war damals gerade en vogue. Seitdem sind anderthalb Jahre vergangen.

2001, das erste Jahr von Kundrun als Vorstandschef von Europas größtem und weltweit zweitgrößtem Zeitschriftenhaus („Stern“, „Brigitte“, „Gala“), war ein Crashjahr. Die New Economy erwies sich als Seifenblase, das Internet als Investitionsgrab, die Konjunktur verschlechterte sich, der 11. September kam. G+J erzielte nur noch drei Prozent Rendite bei rund drei Milliarden Euro Umsatz. Der Umstand, dass G+J einen hohen Anteil seiner Umsätze mit Anzeigen und Wirtschaftsmagazinen macht, verschlimmerte die Situation. Kundrun holte den Taschenrechner heraus.

Die Strategie der 90er Jahre, Ableger von Zeitschriftentiteln zu gründen und ins Internet zu investieren, war vielfach misslungen. Der „Stern“-Ableger „Konrad“, der „Capital“-Ableger „Bizz“, der „TV-Today“-Ableger „Online-Today“ – alles eingestellt. Die Internet-Portale Computer-Channel, Business-Channel, Faircar – es gibt sie nicht mehr. Personal wurde reduziert. Kostenmanagement ist angesagt, national wie international (G+J erwirtschaftet 61 Prozent seiner Umsätze außerhalb Deutschlands). Rund hundert Millionen Euro sollen künftig zudem gespart werden, indem Spesen und Reisekosten gedrückt, Zeitschriftenformate vereinheitlicht, Räume optimaler genutzt werden und anderes mehr – Vorschläge, die die zum Sparen angehaltenen Mitarbeiter machten. Rund 60 der damit jährlich einzusparenden hundert Millionen Euro machen sich bereits in der Bilanz für das Jahr 2002 positiv bemerkbar, so dass zu erwarten ist, dass G+J in diesem Jahr bei weiter sinkendem Umsatz ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 200 Millionen Euro und sechs Prozent Rendite erzielt. 2003 soll dann das Ziel einer zweistelligen Rendite wieder erreicht sein.

Dieses Ziel will der Verlag trotz des einen oder anderen Sorgenkindes schaffen. Bei der defizitären „Financial Times“ etwa „sind sämtliche Einstellungsgerüchte Quatsch, wir werden die Reißleine nicht ziehen“, sagt Kundrun. Auch der Berliner Verlag soll 2003 wieder kostendeckend arbeiten. Kundrun erwartet, dass sich die Gruppe um die „Berliner Zeitung“, den „Berliner Kurier“ und „Tip“ bis dahin zumindest nicht mehr belastend auf das Ergebnis des Hamburger Verlages auswirkt, und er hofft, diesen Plan ohne Partner zu realisieren. Ähnliches gilt für „TV Today“. Die Programmzeitschrift erwirtschaftet nach der Einstellung von „Online Today“ wieder ein ausgeglichenes Ergebnis – allerdings nur, wenn man die Gewinne der Druckerei dazurechnet. Sie gehört auch zu G+J und verdient daran, alle 14 Tage eine Million „TV-Today“-Exemplare zu drucken. Alles eine Frage, wie geschickt man den Taschenrechner benutzt. Ulrike Simon

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false