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Die CBD-Blüten liegen unter der Grenze von 0,2 Prozent THC.

© picture alliance/dpa

Stoff mit Potenzial: Gesunder Darm mit CBD?

Ein Team von Forschenden untersucht die antientzündliche Wirkung von Cannabidiol – mit zukunftsweisenden Beobachtungen.

Von Catarina Pietschmann

Hast Du es denn schon mal mit CBD probiert?“ Wer schlecht schläft, unter Migräne leidet oder Hautprobleme hat, hat diesen Rat sicher schon gehört. Cannabidiol, kurz CBD, ein nichtberauschender Inhaltsstoff von Cannabis, wurde 1940 in der weiblichen Hanfpflanze entdeckt und erlebt seit einigen Jahren einen echten Hype.

Die Palette an freiverkäuflichen Produkten ist bereits riesig: Im Handel sind neben Öl, Tropfen oder Kapseln auch Fruchtgummis, Kaugummi, Kekse, Schokolade und Erfrischungsgetränke mit CBD erhältlich. Äußerlich lässt sich das Zaubermittel als Gel gegen Muskelkater oder als Duschbad verwenden sowie in Form unzähliger kosmetischer Hautpflegeprodukte auftragen. Selbst renommierte Marken wie Kneipp, Kiehl’s und Babor sind auf den Zug aufgesprungen. An diesem Wirkstoff muss doch was dran sein! Oder?

Auch wenn bisher wenig davon wissenschaftlich untermauert ist: CBD umwabern diverse Heilsversprechen. Angstlösend soll es sein, entkrampfend, gut gegen Übelkeit und entzündungshemmend. Letzterem ging nun Salah Amasheh, Professor für Veterinär-Physiologe an der Freien Universität Berlin, auf den Grund. Das Spezialgebiet des Biologen ist die Barriereforschung, also die Erforschung von Durchlässigkeit und dem Transport durch Körpergrenzflächen im weitesten Sinne. „Besonders interessiert uns derzeit das Darmepithel – vom Menschen wie vom Tier.“ Salah Amashehs Team sucht nach Wirkstoffen, die die Darmwand stärken, die antientzündlich wirken und somit einen Beitrag zur Darmgesundheit leisten können.

An einer Dünndarm-Zelllinie, die normalerweise als Modell für die Untersuchung von Entzündungsprozessen dient, testeten die Forschenden nun das Cannabinoid CBD. Nachdem sie die Substanz auf die Darmzellen geträufelt hatten, beobachteten sie Erstaunliches. „Wir konnten eine signifikante Stärkung der Proteine nachweisen, die die Darmzellen untereinander verknüpfen. Die Durchlässigkeit des Epithels wird dadurch messbar reduziert“, erläutert Salah Amasheh.

Wirkt Entzündungen entgegen 

Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, unter denen in Europa etwa zwei Millionen Menschen leiden, ist das Darmepithel durch Entzündungsprozesse dermaßen beeinträchtigt, dass Toxine und andere schädigende Stoffe durch die Darmwand in den Körper dringen können und dadurch die Entzündung immer wieder anfachen. Auslöser dieser Erkrankungen sind fehlgesteuerte körpereigene Entzündungsvermittler, sogenannte Zytokine – allen voran der Tumornekrosefaktor alpha (TNF): Er beeinflusst direkt die interzellulären Barriereproteine.

In einem zweiten Versuch imitierten die Forschenden in ihrem Modell eine Entzündung, indem sie sowohl TNF als auch Cannabidiol zu den Darmzellen gaben. Auch hier sahen sie eine Wirkung: „CBD milderte deutlich den Anstieg der Durchlässigkeit, den wir sonst bei einer Entzündung sehen.“ Bei genaueren Analysen stellten die Forschenden fest, dass CBD nicht nur direkt das Epithel gestärkt hatte. Auf der Oberfläche der behandelten Darmzellen wurden auch weniger TNF-Rezeptoren gebildet, die normalerweise das Zytokin wahrnehmen und das Entzündungssignal via Signalkaskade in das Zellinnere leiten. CBD wirkt der Entzündung also direkt aktiv entgegen.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind bislang nicht heilbar. Um die Symptome zu lindern, werden neben Kortison vor allem sogenannte Biologika wie TNF-Hemmer eingesetzt, die jedoch schwere Nebenwirkungen haben. Das Team der Freien Universität will nun in weiteren Studien untersuchen, ob CBD eine schonende Alternative sein könnte. Aus Salah Amashehs Sicht könnte es darüber hinaus sinnvoll sein – ganz unabhängig von der Indikation – bestimmten Arzneimittelformen, etwa magensäureresistentem Kapselmaterial oder Tabletten generell CBD beizufügen. Um so, quasi nebenbei, etwas für die Darmgesundheit zu tun und Entzündungen vorzubeugen. Dazu sind allerdings noch umfangreiche Studien zur Verträglichkeit des Wirkstoffes notwendig.

Nur bei Epilepsie zugelassen

Gegen den Selbstversuch mit CBD-Tropfen oder -Bonbons spricht wohl nichts, wenn man unter wiederkehrenden Darmentzündungen leidet – oder doch? Die Verbraucherzentrale mahnt generell zur Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln mit CBD, denn bisher gibt es für diese Produkte keine Zulassungen nach der „Novel-Food-Verordnung“ der Europäischen Union. Sie dürften also eigentlich gar nicht als Lebensmittel verkauft werden. Anders als der bekanntere Cannabis-Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) hat CBD zwar keine berauschende Wirkung, kann aber einige unerwünschte Nebeneffekte haben: Bei jedem zehnten Konsumenten löst es Benommenheit und Schläfrigkeit aus. Aber auch das Gegenteil kann auftreten – Schlaflosigkeit und innere Unruhe. Auch Magen-Darm-Beschwerden kommen vor. Außerdem sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und geeignete Dosierungen noch nicht ausreichend erforscht.

Als Arzneimittel zugelassen ist CBD bisher übrigens nur als Zusatztherapie gegen Krampfanfälle bei bestimmten Formen von Epilepsie. Sollten sich die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe von Salah Amasheh erhärten, dürfte sich das in den nächsten Jahren allerdings ändern.

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