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An der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Unser Bild entstand im Jahr 1968 und zeigt die "Brücke ohne Wiederkehr" am 38. Breitengrad, die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea bei Panmunjom.

© dpa

1968 im Tagesspiegel: Zwischen Nord- und Südkorea zeigt sich die Spaltung am grausamsten

Drei Länder waren 1968 geteilt: Deutschland, Vietnam und Korea. Die ersten beiden sind inzwischen staatlich geeint. Im Tagesspiegel vom 11. Februar 1968 berichtete unsere Korrespondentin Hilde Richert über die Grenze im dritten dieser Länder, dessen Grenze noch heute fast so undurchlässig ist wie eh.

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 11. Februar 1968 ging es um die Grenze zwischen Nord- und Südkorea.

Beide haben sie Furcht voreinander. Südkorea glaubt seit fünfzehn Jahren, seit dem Ende des Korea-Krieges, daß Nordkorea erneut versuchen könnte, das Land gewaltsam — und unter kommunistischem Vorzeichen — wiederzuvereinigen. In dieser Furcht fühlt Südkorea sich bestärkt, seitdem die Agententätigkeit nordkoreanischer Infiltranten im Süden sowie die Zwischenfälle an der Grenze zwischen beiden Landesteilen zugenommen haben. Auf der anderen Seite hat das nach seiner Bevölkerungszahl um die Hälfte kleinere und militärisch schwächere Nordkorea Angst vor seinem südlichen Nachbarn und vor den in Südkorea stationierten amerikanischen Truppen, zur Zeit etwa 50 000 Mann.

Von den drei geteilten Ländern — Deutschland, Vietnam und Korea — hat Korea bei weitem die undurchlässigste Grenze, die, wie die deutsche, eine Folge des zweiten Weltkrieges ist. Korea war seit 1910 japanische Kolonie, und nach der Niederlage Japans im Jahre 1945 wurde das Land in zwei Besatzungszonen geteilt: im Süden die Amerikaner, im Norden die Sowjets.

Etwa ein Jahr nach Abzug der Besatzungstruppen griff Nordkorea 1950 den Süden an, um das Land mit Gewalt wiederzuvereinigen. Daraus entwickelte sich der Korea-Krieg, der 1953 mit einem Waffenstillstand zwischen den Amerikanern und den übrigen Truppen der Vereinten Nationen auf der einen Seite — Südkorea hat ihn nicht unterschrieben — und Nordkorea und dessen Bundesgenossen Rotchina auf der anderen Seite beendet wurde.

Die einzigen Kontakte gibt es in Panmunjon

Das Land blieb geteilt, und seit dieser Zeit stehen sich Nord- und Südkorea in tödlicher Feindschaft gegenüber. Die einzigen Kontakte zwischen beiden Landesteilen gibt es heute nur in Panmunjon, jenem Grenzort am 38. Breitengrad, an dem die Waffenstillstandskommission ihren Sitz hat. Aber auch hier ist die Atmosphäre von Feindschaft und Mißtrauen erfüllt. Amerikaner und Nordkoreaner beschimpfen sich in rüden Worten, nennen sich gegenseitig „Gangster" und „Banditen" und werfen einander Verletzungen der getroffenen Waffenstillstandsvereinbarungen vor.

Entlang der etwa 240 Kilometer langen Grenze, in der sogenannten Entmilitarisierten Zone, liegen sich, eingegraben und in militärischen Befestigungen, die Truppen Nord- und Südkoreas gegenüber, immer in Alarmbereitschaft. Selbst wenn sich nord- und südkoreanische Soldaten über die Grenze hinweg zu Gesicht bekommen, wird nie ein Wort oder ein Gruß gewechselt.

Südkorea ist heute, nach seinen eigenen Worten, das Land, in dem der Antikommunismus gewissermaßen die Staatsreligion ist; sie wird notfalls mit schweren Strafen durchgesetzt. Das läßt sich an den erlassenen Gesetzen ablesen. Wer Verbindungen, und seien sie noch so unpolitisch, zu Nordkoreanern aufnimmt, gleich ob es Verwandte oder Freunde, sind, riskiert eine Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren, im Wiederholungsfalle mehr. Auf Sabotage und Verschwörung gegen die südkoreanische Regierung stehen die Todesstrafe, und selbst die Diskussion zur Vorbereitung solcher Aktionen kann bis zu zehn Jahren Gefängnis kosten. So gibt es praktisch keine öffentliche Auseinandersetzung über die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung, wie es sie zum Beispiel in Deutschland zu allen Zeiten gegeben hat, es gibt keinen Briefverkehr und schon gar keine Passierscheine, selbst eine positive Äußerung zum Regime im Norden ist gefährlich. Die Tragik eines geteilten Landes ist hier vollkommen.

Antikommunismus entspricht der Einstellung der Südkoreaner

Aber dieser entschiedene Antikommunismus entspricht im großen und ganzen der Einstellung der Bevölkerung in Südkorea. Die Schrecken des Korea-Krieges sitzen tief, der unerwartete Überfall der Nordkoreaner, die in der Anfangsphase des Krieges fast den gesamten Süden erobert hatten, ist im Gedächtnis immer gegenwärtig. Söul, die Hauptstadt Südkoreas, war zu zwei Dritteln zerstört, und die Verluste unter der Zivilbevölkerung waren groß. Unter diesen Umständen kann es kaum noch überraschen, wenn der stellvertretende Chef des südkoreanischen Geheimdienstes dafür eintritt, daß die Amerikaner nordkoreanische Städte bombardieren sollten, um Nordkorea für die Aufbringung des amerikanischen Funküberwachungsschiffes „Pueblo" zu bestrafen.

Die antikommunistischen Gefühle der Bevölkerung Südkoreas werden selbst von nordkoreanischen Politikern zugegeben. Kim II Sung, der Regierungschef Nordkoreas, hat zwar die beiden Hauptziele der Kommunistischen Partei Nordkoreas klar definiert: erstens die Vollendung der „sozialistischen Revolution" im Norden, und zweitens die Vorbereitung für die „Befreiung" Südkoreas. Er hat aber zugleich erklärt, daß die Situation für die „Befreiung" des Südens noch „nicht reif" sei. So haben die Störmanöver Nordkoreas — die Provozierung von Grenzzwischenfällen und das Einschleusen von Agenten nach Südkorea — wahrscheinlich in der Hauptsache den Zweck, auf indirekte Weise dem kommunistischen Nordvietnam zu helfen. Nordkorea will die in Südkorea stationierten US-Truppen binden und verhindern, daß weitere südkoreanische Truppen, von denen bereits etwa 45 000 Mann gegen die Vietcong kämpfen, nach Südvietnam entsandt werden.

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Hilde Richert

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