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Träumt süß. Im Fahrradanhänger klappt es mit dem Mittagsschlaf oft besser als im Bettchen – selbst im Winter.

© Zwei plus zwei

Familie in Berlin: Mit Kind und Fahrrad durch die Stadt

Immer schön ruhig und fest angeschnallt: Wie man mit Kind und Rad am besten vorwärtskommt und ab wann die Kleinen alleine fahren sollten. Ein Ratgeber.

Wenn der Winter so bleibt, wie er ist, dann dauert die Fahrradsaison wohl bis Ende Dezember, bevor Anfang Januar die nächste beginnt. Davon profitieren auch Familien, denen auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schule volle Busse, zähe Fußmärsche oder nervige Autofahrten samt Parkplatzsuche erspart bleiben.

„Die Zeitersparnis gegenüber dem Kinderwagen war enorm“, erinnert sich Carsten Brönstrup, Kommunikationschef der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Vater dreier Kinder und seit rund acht Jahren stolzer Besitzer eines „Bakfiets“. Das Lastenrad mit großer Holzkiste am Bug war für ihn jahrelang das Alltagsverkehrsmittel, um seine noch kleinen Kinder durch die Stadt zu kutschieren. „Es war besonders praktisch für die Zeit, als die Kinder zu groß für den Kinderwagen, aber noch zu klein für den Kindersitz waren. Auch Einkaufen geht super, denn man bringt so viel unter wie im Kofferraum eines Kleinwagens und spart sich die Parkplatzsuche.“

Lastenräder sind nicht die gängigste, aber die auffälligste Art, Kinder von A nach B zu bringen. Genug Möglichkeiten gibt es jedenfalls. Das Auto soll hier nicht dazu zählen, denn zum einen lebt in der Innenstadt die Hälfte der Haushalte ohne und zum anderen warnt selbst der ADAC vor den „Elterntaxis“, die morgens vor der Schule die anderen Kinder gefährden, während der eigene Nachwuchs als Passagier nicht lernt, sich im Straßenverkehr zu bewegen.

Unfälle mit Kindern spielen statistisch praktisch keine Rolle

Ganz allgemein gilt: Unfälle mit Kindern als Mitfahrer erwachsener Radler spielen statistisch praktisch keine Rolle, sind also selten. Solange der Nachwuchs noch nicht selbst fährt, sitzt er aus Sicht von Polizei und ADFC im Anhänger am besten: Der Metallrahmen schützt bei leichten Unfällen, der tiefe Schwerpunkt macht die Fuhre stabil und minimiert das Sturzrisiko. Das (je nach Modell mehrlagige) Dach schützt vor Regen und Sonnenbrand, ein Gurt hält das Kind bequem im Sitz, in dem es auch gefahrlos schlafen kann. Laut ADFC können selbst Säuglinge so reisen – in einer Art Hängematte oder Babyschale, die es für manche Anhänger gibt. Allerdings kommt diese Variante nur auf gutem Belag und mit einem gut gefederten Anhänger infrage.

Falk Schobranski, der bei der Berliner Polizei die Verkehrssicherheit koordiniert, rät, immer das mitgelieferte Fähnchen zu installieren, damit der relativ flache Hänger nicht übersehen wird. Außerdem gehört gerade im Winter ein eigenes Rücklicht daran, zumal das Fahrradrücklicht vom Nachzügler verdeckt wird. Schobranski rät bei Anhängern „zum teuren Produkt, wenn es finanziell geht“ und verweist außerdem auf die Stiftung Warentest, die von Modell zu Modell sehr unterschiedliche Schadstoffbelastungen festgestellt hat.

Das Kind sollte auch auf dem Fahrradsitz einen Helm tragen

Wesentlich billiger fährt der Nachwuchs auf einem Kindersitz. Der sollte hinter dem Fahrer montiert sein und nicht davor, damit der Erwachsene bei einem Unfall oder Sturz nicht so leicht aufs Kind fällt. So oder so wird die Fuhre aber wackliger, weil sich der Schwerpunkt nach oben verlagert. Das ist vor allem bei Stopps gefährlich, weil das Rad samt Kind leicht umkippen kann. Deshalb muss das Kind auf dem Sitz immer (!) einen Helm tragen und sicher angeschnallt sein. Weiterer Nachteil: Der „Rücksitz“ blockiert den Gepäckträger.

Vorteile des Kindersitzes sind die geringen Einschränkungen, was Abstellmöglichkeiten und Engstellen unterwegs (Poller/Drängelgitter) betrifft. Auch dürfen laut den Beförderungsbedingungen des Verkehrsverbundes VBB weder Anhänger noch Lastenräder in Zügen mitgenommen werden. Bakfiets-Veteran Brönstrup berichtet allerdings, er habe bei Kontrollen in der S-Bahn nie Ärger bekommen.

Schon Dreijährige können üben, alleine zu fahren

Bleibt die Frage, ab wann das Kind aufs eigene Rad gesetzt werden soll. „So früh wie möglich“, sagt Oberkommissar Schobranski. „Das schult die Kinder.“ Wenn ein Dreijähriges schon routiniert Laufrad fahre und Lust aufs Fahrrad habe, spreche in ruhigen Gefilden nichts dagegen. Die Eltern müssten nur jederzeit eingreifen können – durch Rufen und notfalls im Wortsinn. Deshalb sei es in der Regel besser, das Kind voraus oder neben sich fahren zu lassen als dahinter, wo es vielleicht unbemerkt anhält oder zurückfällt.

Die absurde Vorschrift, die Kinder bis zum achten Lebensjahr auf den Gehweg zwingt und ihre Eltern auf die Straße, wird nach Auskunft von Schobranski wohl auf Bundesebene bald geändert. Bis dahin gehe er davon aus, dass die Berliner Polizei mit dem Dilemma kulant umgehe. Was ausdrücklich nicht freie Fahrt auf Bürgersteigen bedeutet: Gerade älteren Kindern – bis sie zehn sind, dürfen sie noch den Gehweg benutzen – müsse man klarmachen, dass sie nicht vor Hauseingängen entlangbrausen sollen und keine Fußgänger beiseiteklingeln dürfen.

Wer regelmäßig in Berlin unterwegs ist, ahnt, dass das bei manchen inzwischen erwachsen gewordenen Kindern wohl versäumt worden ist.

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