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Kinderschutzgesetz: Eltern werden zu Vorsorgeuntersuchungen aufgefordert

Das Abgeordnetenhaus will in der nächsten Woche das Kinderschutzgesetz verabschieden. Wenn Eltern mit ihren Kindern nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, kann das Gesundheitsamt die Familien besuchen. Eine Pflicht zum Arztbesuch soll es aber nicht geben.

Von Sabine Beikler

Vor gut zwei Jahren startete die Berliner „Hotline Kinderschutz“. Allein im Oktober registrierten die Mitarbeiter 95 Meldungen, die 124 Kinder betroffen haben; in 27 Fällen wurde das Jugendamt eingeschaltet, es gab 65 direkte Beratungen. Damit sollen Vernachlässigungen und Misshandlungen von Kindern verhindert werden. Die Hotline unter der Nummer 61 00 66 ist aber nur ein Baustein in dem Kinderschutzgesetz, das Anfang Januar 2010 in Kraft treten soll. Das Abgeordnetenhaus wird das Gesetzespaket in der nächsten Woche verabschieden.

Das Gesetz hätte schon längst vor der Sommerpause verabschiedet werden sollen, doch hatte die Koalition intern noch „Gesprächsbedarf“, wie SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde und SPD-Jugendpolitikerin Sandra Scheeres sagten. Dieser „Gesprächsbedarf“ betraf den Datenschutz beim verbindlichen Einladungswesen für die Vorsorgeuntersuchungen ab der U4 im dritten Monat bis zum zehnten Lebensjahr – ein Kernbereich des neuen Gesetzes.

Fast 99 Prozent aller Neugeborenen werden beim Screening nach der Geburt erfasst. Jedes Kind erhält eine Screening-ID, eine individuelle Identifizierungsnummer. Diese Nummer wird auf ein gesondertes Blatt im gelben Vorsorgeheft geklebt. Der Kinderarzt schickt das Blatt an eine zentrale Stelle in der Charité. Sollten Eltern mit ihren Kindern nicht zu den Untersuchungen erscheinen, werden sie angeschrieben. Den Abgleich zwischen der Screening-ID und dem Namen der Kinder übernimmt eine separate Vertrauensstelle in der Charité, deren Datenbank von Charité-Daten getrennt ist. Erscheinen die Eltern trotzdem nicht bei der Untersuchung, wird der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) der Bezirke eingeschaltet. Innerhalb einer „sehr kurzen Frist“, sagte Winde, werden Bezirksmitarbeiter den Familien einen zuvor schriftlich angekündigten Besuch abstatten. Dafür erhalten die zwölf Bezirke zusätzlich 1,1 Millionen Euro für je zwei Stellen, eine im KJGD und eine im Jugendamt.

Als Frühwarnsystem setzt der Senat auch auf Hausbesuche des KJGD bei Erstgeburten. Doch dafür fehlen nach wie vor ausreichend Stellen. „Ich bin nicht dagegen, dass Stellen für das verbindliche Einladungswesen geschaffen werden“, sagte Gesundheitsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) aus Tempelhof-Schöneberg. „Aber wir brauchen dringend Stellen im Gesundheitsdienst für die aufsuchende Sozialarbeit.“ Ihr Spandauer Amtskollege Martin Matz (SPD) konnte nur durch interne Umbesetzung von Sozialarbeitern in seiner Behörde annähernd eine Quote von 75 Prozent der Erstbesuche erfüllen. In Berlin gab es im vergangenen Jahr 20 781 Erstbesuche bei 31 936 Geburten. Das sind 65 Prozent. Die Koalition will Anfang 2010 über die Personalausstattung im öffentlichen Gesundheitsdienst erneut beraten. Sabine Beikler

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