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Der Historiker Christian Nestler engagiert sich im Netzwerk "Dritte Generation Ostdeutschland".

© Jana Demnitz

Dritte Generation Ostdeutschland: "Die Einheit ist ein unschätzbares Gut"

Christian Nestler ist 1984 in Rostock geboren. Heute forscht der Historiker an der Universität Rostock unter anderem über Extremismus. Er engagiert sich aktiv im Netzwerk "Dritte Generation Ostdeutschland".

Warum fühlen Sie sich dieser "Dritte Generation Ostdeutschland", die vorrangig zwischen 1975 und 1985 in der DDR geboren wurde, verbunden und unterstützen das Netzwerk?

Aufmerksam bin ich geworden, als 2013 die Gründung des Regionalnetzwerks Mecklenburg-Vorpommern geplant wurde. Das Engagement ist für mich weniger in einer Rolle als Organisator begründet, sondern in der wissenschaftlichen Erforschung der Wendekinder. Denn hier liegt der Grund für die Verbundenheit. Diese rührt aus einer unbewussten Vergemeinschaftung durch die teilweise sehr ähnlichen Erfahrungen gerade auch in der medialen Debatte. Hier wurde lange Zeit ein monolithisches Bild von "jungen Ostdeutschen" gezeichnet, in dem ich mich kein Stück wieder gefunden habe.

Welche Erkenntnisse haben Sie durch Ihre Froschungen zu den "Wendekindern" bisher erlangt?

Unser Anliegen ist die differenzierte Betrachtung der gesamten Generation, und soweit das möglich ist, ihre Potentiale für die Gesellschaft offen zu legen. Dabei stehen wir in dieser Beschäftigung relativ am Anfang. In einem ersten Schritt haben wir ein Raster (Rostocker-Generationen-Model, RGM) entwickelt, das es möglich macht, Generationen zu "vermessen". Allerdings sind hierfür umfangreiche weitere Forschungen nötig. Trotzdem steht als Ergebnis, dass die Generation in jeder Hinsicht, trotz aller gemeinsamer Erfahrungen, divers ist. Der nächste Schritt ist die im Februar 2015 stattfindende Wissenschaftskonferenz in Berlin, auf der rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Ergebnisse im Forschungsfeld präsentieren und damit letztlich das RGM füllen.

Sie beschäftigen sich auch mit der Extremis- und Parteienforschung. Wie nehmen Sie die aktuelle Debatte bei der Partei Die Linke wahr, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei?

Die Debatte ist zwar nicht neu und die Begrifflichkeit "Unrechtsstaat" konterkariert die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es zur DDR gibt. Denn es ist lediglich ein mediales Schlagwort, kein wissenschaftlicher Begriff. Der Zugang über Ernst Fraenkels Doppelstaat – also ein Normen-Staat, der aber über den Maßnahmen-Staat ausgeschaltet werden kann – bietet hier einen differenzierteren Zugang. Für die Linke ist die Diskussion aber in jedem Fall wichtig, gerade im Hinblick auf eine junge (Wähler-)Generation, die ein differenziertes, nicht mehr lebensweltlich geprägtes Bild, von der DDR haben.

Was ist Ihnen bis heute aus Ihrer Kindheit in Erinnerung geblieben?

Das ist etwas problematisch. Meine erste, im Nachhinein mit der DDR verbundene Erinnerung, ist, dass ich auf dem Balkon unserer Plattenbauwohnung "Aluchips", das Münzgeld in der DDR, mit dem Hammer bearbeiten durfte – sehr wahrscheinlich nach 1990. Diese Aktion war sicher keine späte Opposition meiner Eltern gegen das System, sondern ein Zeichen dafür, dass sie in der Bundesrepublik angekommen waren.

Wie bewerten Sie das aktuelle deutsch-deutsche-Verhältnis?

Als eine Erfolgsgeschichte, die aber weiterhin vor sozioökonomischen und -kulturellen Herausforderungen steht. Die Einheit in Frieden und Freiheit am 3. Oktober 1990 war ein Jahr vorher noch undenkbar und gerade deshalb ist sie ein unschätzbares Gut, welches gestaltet werden muss.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Netzwerkes.

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