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Katrin Saß

© AFP

Interview: Katrin Saß: "Wer fragt hier noch nach Ossi oder Wessi?“

Die Schauspielerin Katrin Saß im Interview über die große Sehnsucht nach der Freiheit, erschreckende Verklärung der DDR, Alkoholsucht und warum in Berlin die Einheit nicht nur ein Wort ist.

Ein Blick zurück: Wie haben Sie den 9. November 1989 und danach erlebt?

Am 9. November selbst stand ich am Abwaschbecken in meiner Wohnung in Babelsberg und hörte Nachrichten. Das habe ich vorher nur selten getan. Die Nachrichten im Westfernsehen betrafen mich nicht so direkt, und die Aktuelle Kamera bei uns im Osten war reine Propaganda. Zeitung habe ich auch nicht gelesen, das war langweilig. Um den 9. November herum wurde es aber spannend, da habe ich ständig Nachrichten gehört. Plötzlich sprach Schabowski von Ausreise. Ich dachte, damit seien Leute gemeint, die in der DDR vorher einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Aber selbst in diesem Moment glaubte ich nicht, dass die Mauer fallen würde. Als ich dann im Fernsehen abends Tausende an den Übergängen stehen sah und dieses große blonde Mädchen sah, das einem DDR-Polizisten um den Hals fiel, war ich verwirrt: Hatten so viele einen Antrag gestellt? Ich hätte es zur Glienicker Brücke nicht weit gehabt, bin aber nicht hingegangen.

Warum nicht, was hat Sie abgehalten?

Das war eine ganz merkwürdige Gefühlsmischung. Einerseits riesige, unbeschreibliche Freude, andererseits Angst vor der Zukunft und Ungewissheit. Wenn die alle jetzt in den Westen können, vielleicht ändert sich dann etwas bei uns – so dachte ich. Bis zum 11. November habe ich gewartet. Ich bin dann mit meinem Lada nach West-Berlin getuckert. Ich dachte wirklich, ich träume.

Waren Sie vorher in West-Berlin gewesen?

Mit 24 Jahren hatte ich bereits den Silbernen Bären bekommen und durfte zur Berlinale in den Westen, erst 1982 und dann noch einmal 1987. Man hatte bei den DDR-Oberen immer Angst, dass ich nicht zurückkomme. Mein Bild vom Westen war von der Propaganda geprägt. Das war ja für mich ein Land, in dem man gar nicht leben konnte. 1987 konnte ich aber dann sieben Tage lang bleiben. Da hat sich das Bild schon verändert. Ich glaubte den Darstellungen von Herrn Schnitzler nicht mehr.

Was assoziieren Sie heute mit der Zeit unmittelbar nach dem Mauerfall?

Es war die große Sehnsucht nach Freiheit, die im Vordergrund stand. Nicht die Banane oder der BMW, den ich heute fahre. Gerade in meinem Beruf war diese Lust auf Freiheit unbändig groß. Wir haben nur darüber geredet. Wir haben gespielt und uns abgemüht, aber wir spielten in der DDR gegen eine Wand. Es blieb immer alles in diesem kleinen Land, der Kontakt nach außen fehlte uns, auch die Kritik und die Anregungen. Sich dann ohne die Genossen, die mich vor 1989 immer in peinlich großer Zahl in den Westen begleitet hatten, jetzt allein im Westen umsehen zu können, war eine Erfahrung, die ich ganz für mich machen wollte.

Hatten Sie in den Jahren nach der Wiedervereinigung „Heimweh nach drüben“?

Heimweh konnte bei mir nicht aufkommen. Ich hatte den Westen vor der Tür und konnte im Osten bleiben. Besser ging es nicht. Jetzt war plötzlich diese Freiheit da, nach der ich mich immer gesehnt hatte. Ihr Idioten, dachte ich, warum habt Ihr sie uns nicht früher gegeben? Vielleicht wäre die Sache dann anders gelaufen. Ich erkannte aber schnell, dass es mit zwei deutschen Staaten nicht gegangen wäre. Es gab zwei Währungen, und irgendwann hätte bei uns niemand mehr arbeiten wollen. Ich glaubte auch nicht, dass man irgendetwas aus der DDR in das geeinte Deutschland hinüberretten könnte. Sehr früh habe ich meine Stasi-Akte eingesehen. Das war entsetzlich, sehr enttäuschend. Es waren Freunde und Kollegen und vor allem die beste Freundin, die mich ausspioniert hatten. Damals wollte ich alles vernichten, was mit der DDR zu tun hatte.

Haben Sie die Auseinandersetzung mit den Leuten in Ihrer Akte gesucht?

Ich habe jeden einzelnen angerufen. Der eine hat geschrien, der andere hat geheult. Jeder hatte sich auch etwas ausgedacht, nach dem Motto „Ich musste, weil sonst meine Frau …“ Heute ist das alles nicht mehr wichtig für mich, denn ich weiß von einem Freund, den man wirklich erpresst hatte mit einem Verhältnis, das er hatte. Das gab es also auch. Ich hatte das Glück, dass die Stasi an mich nie herangetreten ist. Die wussten wahrscheinlich, dass ich in die Kantine gerannt wäre und gerufen hätte: Leute, ich glaube, das war gerade die Stasi.

Wie ist Ihnen das Berlin der Nachwende-Zeit in Erinnerung?

Das wurde immer aufregender. Jetzt war Berlin ja wieder eine Hauptstadt. Ich habe immer noch eine kleine Wohnung in der Nähe des Mauerparks in der Schwedter Straße. Wenn ich dort aus dem Fenster schaue und die Steine sehe, die man dort gelegt hat, finde ich es sehr schade, dass es heute 20-jährige gibt, die gar nicht wissen, was die Mauer einmal bedeutet hat. Da besteht leider oft gar kein Interesse, mehr zu erfahren. Damals fuhr ich in meinem Bewusstsein noch immer in den Westen, inzwischen fahre ich nur noch in den anderen Teil der Stadt.

Es gibt im Film „Good Bye, Lenin!“ eine Szene, in der ein Hubschrauber mit einer großen Lenin-Statue über die vorbildliche DDR-Bürgerin Christiane Kerner hinweg fliegt. Konnten Sie nachvollziehen, dass Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, das Gefühl hatten, man wolle ihr Land, ihre Heimat so schnell wie möglich „abtransportieren“ und entsorgen?

Natürlich. Es gab nicht nur massive Identitätsprobleme, es gab auch Menschen, die sich umgebracht haben. Ich hatte einen Kollegen, der wurde 1992 operiert. Er sagte zu mir: Die Wende ging mir an die Nieren. Genau dort hatten sie ihn nämlich behandelt. Oder denken Sie an Männer, die mit 25 Jahren die Mauer zu bewachen und den Schießbefehl zu befolgen hatten. Diese Menschen müssen ja irgendwie mit ihrer Vergangenheit klar kommen. Das gelang nicht allen. Manchen gelingt es bis heute nicht. Ich selbst muss für mich aber langsam begreifen, dass nicht alle Stasi-Leute waren, sondern dass es eben die einen, aber auch die anderen gab. Es kommt dazu: Wessis und Ossis – das ist auch im Grunde genommen eine ganze falsche Gegenüberstellung. Es sind die gleichen Deutschen. Unter den Bedingungen des DDR-Regimes hätten sich die Westdeutschen nicht viel anders verhalten als wir.

Wie haben Sie die Stimmung in West-Berlin nach der Wende erlebt? Gab es Ressentiments gegen die DDR-ler?

Und ob! Da waren doch die Rufe von West-Berlinern nicht zu überhören: Zieht die Mauer wieder hoch. Macht sie noch höher und setzt mehr Stacheldraht oben drauf. Das war furchtbar. Bis heute sprechen manche West-Berliner leider immer noch von Dunkel-Deutschland.

Wie sieht es mit der Vergangenheitsbewältigung im Westen und im Osten heute aus?

Es gibt erschreckende Ergebnisse von Unkenntnis und Desinteresse bei jungen Menschen, im Osten mehr noch als im Westen. Mich hat sehr gefreut, als ich in Rom erfuhr, dass man in Italien „Good Bye, Lenin!“ im Schulunterricht einsetzt und den jungen Leuten sagt: Schaut Euch das an, das war die Teilung Deutschlands. Da muss bei uns viel mehr passieren. Im Grunde ist es wieder wie nach 1945: Was wissen wir von der Geschichte? Von den Eltern haben wir nichts gehört. Natürlich war die Nazi-Zeit eine ganz andere Dimension des Schreckens und der Unterdrückung. Aber damals wie heute wollte oft niemand etwas gewusst haben. Schlimm ist, dass ehemalige DDRler noch heute sagen, es ging uns doch früher viel besser und schöner. Da werde ich wütend.

In dem Lied „Ich möchte am liebsten weg sein – und bliebe am liebsten hier“ von Wolf Biermann steht die Zeile: „Die Wunden, sie wollen nicht zugehen, die Wunden, sie wollen nicht zugehen, unter dem Dreckverband“. Stimmt das heute immer noch für Berlin und für Deutschland?

Ich denke schon. Es muss viel mehr aufgeklärt werden, in den Schulen und an anderen Orten in der Gesellschaft. Der Satz „Nun wächst zusammen, was zusammen gehört“ war nur ein frommer Wunsch. Das ist leider nicht eingetreten. Es wird auch viel zu wenig dafür getan.

Was haben die Wessis, was die Ossis falsch gemacht, als man aus zwei Deutschlands wieder eines machte?

Man hat vor allem nicht über das geredet, was wirklich passiert ist. Man hat einen Staat überrollt und übernommen. Da hatte man keine Zeit und auch kein Interesse, sich intensiv mit den Verhältnissen zu beschäftigen, die in der DDR bestanden hatten. Ich spreche nicht von Historikern oder Journalisten, sondern von der deutschen Öffentlichkeit im Westen. Vorhin sagte ich Ihnen, aus der DDR hätte ich nichts in das geeinte Deutschland retten wollen. Es gab in der DDR aber – selbstverständlich unter ganz falschen Voraussetzungen und auf einer verkehrten Grundlage – Einrichtungen wie die Kinderkrippe, die heute vermisst werden. Viele Mütter, die heute arbeiten wollen oder müssen, können das Geld dafür nicht aufbringen. In der DDR gab es auch keine Rassendiskriminierung, denn alle hatten ja Arbeit. Natürlich war die Wirtschaft nicht wirklich produktiv. Nach der Wende, als viele Menschen im Osten mit einem Schlag aus dem Arbeitsleben verabschiedet wurden, kam dann aber leider auch dort ein ganz hässlicher Rassismus zum Vorschein.

Sie waren Schauspielerin in der DDR, sie sind heute Schauspielerin in Deutschland. Trauern Sie manchmal den früheren Arbeitsbedingungen nach, gab es da vielleicht eine andere Ernsthaftigkeit als in der kapitalistischen Spaßgesellschaft?

Ernsthaftigkeit ja, denn wir hatten ja genug Zeit. Wir konnten noch richtige Bilder schaffen. Was heute im Fernsehen gemacht wird, entsteht unter großem Druck. Für einen Film hatte man erst 27 Tage, dann 24, heute sind es 21 Tage. Das ist teilweise unmenschlich und geht auf Kosten der Qualität. Die Drehbücher werden in Fließbandarbeit geschrieben. So sehen sie dann auch aus. Wenn ich meine alten Filme sehe, wie zuletzt auf einem Festival, verstehe ich, was man machen kann, wenn man genügend Zeit und auch Geld hat. Bei „Good Bye, Lenin!“ war dies übrigens auch noch der Fall.

Sie haben in den 90er Jahren persönlich eine schwere Zeit gehabt. Gab es dafür Gründe, die mit den rasanten politischen Veränderungen nach 1989 zu tun hatten?

Sie meinen den Alkoholismus und meinen Zusammenbruch? Nein, wenn das auch manche Journalisten gerne so hätten. Ich habe nach der Wende mit dem Theater aufgehört. Plötzlich war der Druck, unter dem ich früher getrunken habe, nicht mehr da. Im Osten tranken viele Schauspieler. Das fiel dort nicht ganz so auf, man war da nicht so streng. Im Westen konnte ich dann die Krankheit überwinden, spät zwar, erst 1998, aber immerhin. Wahrscheinlich wäre ich heute tot, wenn mein Leben im Osten auf diese Art weitergelaufen wäre.

Wo gehen Sie heute in Berlin am liebsten hin, was gefällt Ihnen besonders gut?

Der Prenzlauer Berg, wo ich auch meine kleine Wohnung habe. Ich lebe aber inzwischen in Müggelheim am See, wo es wunderschön ist, nehme aber gerne die 40 Minuten Autofahrt auf mich, um von dort immer mal wieder in die Stadt zu fahren.

Ist das eigentlich noch „Ihr“ Berlin?

Es hat sich ungeheuer verändert. Mich hat seit der Wende fasziniert, dass man den Wandel mit Händen greifen kann. Gerade in der Gegend, in der meine Wohnung liegt, ist ständig alles in Bewegung. Neue Läden machen auf, andere verschwinden wieder. Es gibt einen Konsum, der bis Mitternacht geöffnet ist. Das ist fantastisch. Viele sagen mir: Naja, der Prenzlauer Berg – da nisten doch die Ökoschwaben, die ganze Schickimicki-Szene. Nein, es gibt auch hier immer noch Ecken, die nicht davon erfasst wurden. Sicher, die Häuser musste man sanieren. Aber es bleibt trotzdem der Prenzlberg.

Gibt es etwas, was Sie an Berlin außer dem Hundekot nicht leiden können?

Die Sache mit den Hundehaufen ist schlimm. Manchmal habe ich auch Schwierigkeiten mit dem eigenartigen Humor der alteingesessen Berliner. Taxifahrer haben mitunter eine merkwürdige Art, mit ihren Kunden umzugehen. Da reagiere ich dann allergisch und denke an die ansteckende Fröhlichkeit, die von den Menschen in Köln ausgeht. Dort feiert man praktisch das ganze Jahr Karneval. Immer wenn ich von dort nach Berlin zurückkomme, denke ich, da könnten wir hier auch etwas von vertragen. Manchmal erschreckt mich die Berliner Schnauze, die sich immer gleich angegriffen fühlt und zurückschlägt. Deshalb bleibe ich bewusst immer Neuberliner, denn die Fremdheit schützt ja auch. Aber ob ich diese Rolle auf Dauer durchhalten kann, glaube ich nicht mehr so ganz. Ich erinnere mich an meinen Einzug in die Wohnung im Prenzlauer Berg. Der Doorman, den es im Haus gibt, begrüßte mich mit „Grüß Dir, Spreewaldjurke“. Das war drei Jahre nach „Good Bye, Lenin!“. Der kleine, dicke Mann sagte weiter: „Du ziehst hier ein, finde ick doll, wa. Jibts neue Projekte?“ Inzwischen sage ich zu ihm „Jurke“ und er zu mir „Spreewaldjurke“. Das ist die Berlinische Art, die ich mag. Damit muss man aber zurechtkommen. Das kann nicht jeder.

Werden Sie immer noch auf „Good Bye, Lenin!“ angesprochen?

Es ist anscheinend der einzige Film, den ich je gemacht habe. Ein westdeutscher Journalist hat mich einmal gefragt, was ich vor dem Film gemacht habe. Er konnte sich offenbar nicht vorstellen, dass Schauspielerin mein gelernter Beruf war. Er dachte, man hätte mir für diesen Film eine erste Chance gegeben.

Wenn auch wir bei ihrem einzigen Film gelandet sind - wie haben die Menschen in der ehemaligen DDR ihn empfunden?

Der Regisseur Wolfgang Becker sagte zu mir: Das soll keine Tragikomödie sein, sondern eine traurige Komödie. Die älteren Menschen im Osten, so ab 40, haben ihn auch so verstanden. Das fand ich schön. In Dresden etwa kam nach der Aufführung eine ältere Frau auf mich zu, griff meine Hand, drückte sie und sagte nur „Danke, danke“. Sie wollte gar kein Autogramm. Es war für sie eine Art von Abschied von dem Land, in dem sie geboren worden war und gelebt hatte. Wahrscheinlich konnte sich die Frau viel mehr als ich beim Lesen des Drehbuchs mit dieser Rolle identifizieren. Becker meinte vor dem Drehbeginn, als er meine Skepsis spürte: Warte nur mal ab, Du hast eine ganze Menge von dieser Frau, die nach dem Untergang der DDR aus dem Koma erwacht. Wenn Du das spielst, wird man es Dir glauben.

Was schätzen Sie besonders am Kulturleben in Berlin?

Dass man alles haben kann. Es muss dabei nicht immer die große Bühne, die Hochkultur sein. In den kleinen Off-Theatern, wo manchmal eine oder zwei Personen alles alleine machen, kann man, wenn man Glück hat, wunderschöne Inszenierungen sehen. Andere Theaterleute machen Stücke, die sehr viele Menschen sehen wollen. Es gibt die Schaubühne und zugleich etwas wie das Renaissance-Theater, wo ich immer wieder gerne hingehe und begeistert bin. Dann findet man auch Laien, die tolle Sachen auf die Beine stellen. Es geht fast alles. Hier findet man außerdem die alten Kinos wie das „International“, wo wir in der DDR unsere Premieren hatten.

Wie haben Sie die soziale Entwicklung wahrgenommen, die Berlin in den letzten 20 Jahren erlebt hat?

Mir machen die Schieflagen schon Angst und Sorgen. Die Schere zwischen den wenigen Menschen, denen es sehr gut geht, und den vielen, die gerade so über die Runden kommen oder denen es schlecht geht, öffnet sich immer weiter. Das nimmt man in einer Großstadt wie Berlin ganz deutlich wahr. In den ersten Jahren nach der Wende hatte ich immer Kleingeld dabei. Diesen sichtbaren Unterschied zwischen Arm und Reich kannte ich ja aus der DDR so nicht. Ich glaubte fest daran, dass es jedem, der mir etwas erzählt und mich um Geld bittet, wirklich so schlecht geht, wie er sagt. Erst später begriff ich, dass sich Leute für ihren bedauernswerten Zustand auch Legenden erfanden. Ich wollte jedem helfen. „Nein“ sagen, wenn Menschen um etwas baten, konnte ich damals nicht. Mit Spenden tue ich mich persönlich schwer. Ich weiß nicht, wo das Geld genau hingeht, und das stört mich.

Würden Sie für den Wiederaufbau des Schlosses in der Stadtmitte Geld spenden?

Nein. Wer braucht denn ein wiederaufgebautes Schloss? Das finde ich komisch, ein nachgebautes Schloss. Ich war übrigens auch dafür, den Palast der Republik abzureißen.

Haben Sie den Eindruck, dass das Zusammenwachsen von Ost und West in Berlin schneller abläuft als im Rest der Republik?

Eindeutig. Man bekommt hier gar nicht mehr mit, was Ost und was West ist. Es ging ja auch gar nicht anders. Die vielen Menschen aus anderen Ländern, die nach Berlin ziehen, die Deutschen aus anderen Bundesländern – alle ziehen hierher und verändern die Stadt. Wer fragt da noch nach Ossis und Wessis? Dieser alte Gegensatz wird bald verschwinden, bei jungen Menschen ist er schon nicht mehr vorhanden. Bei der Vor-Premiere von „Good Bye, Lenin!“ hatte man im Publikum einen Bewertungsbogen verteilt. Dort wurde am Schluss nach der Herkunft dessen gefragt, der dem Film und den Schauspielern Noten geben sollte. Da stand dann Westen und Osten, und man sollte eines von beiden ankreuzen. Ein junges Paar vom Bodensee machte aber kein Kreuz, sondern schrieb „Süden“ auf das Blatt. Das macht mich zuversichtlich.

Das Gespräch mit Katrin Saß ist dem Buch „Berlin 1989 – 2009. Eine Bilanz in 12 Gesprächen“ entnommen, erschienen im BerlinStory Verlag, das seit diesem Montag im Handel ist. Am Dienstag, 31. März , lädt der Verlag um 19.30 Uhr zu einer Diskussion über das Buch in den Berlin Story Salon, Unter den Linden 26. Um Anmeldung wird gebeten bis 30. März unter mail@BerlinStory-Verlag.de

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