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Ferndiagnose. Per Bildschirm ist Christoph Arntzen, Chefarzt im Krankenhaus in Angermünde, zu einer Konferenz mit Fachärzten zugeschaltet.

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Telemedizin: Ärzte ohne Grenzen in der Uckermark

Wer in der Uckermark Ruhe sucht, ist richtig. Wer krank wird, hat normalerweise ein Problem. Helmut Kalmutzke leidet an Krebs. Seine Heimat muss er trotzdem nicht verlassen. Spezialisten helfen aus der Ferne – per Telemedizin. Unser Blendle-Tipp.

Von Andreas Austilat

Natürlich hat alles zwei Seiten. Doch Helmut Kalmutzkes Sicht auf sein Leben ist eindeutig: „Ich habe immer Glück gehabt.“ Kalmutzke, ein schwerer Mann von 78 Jahren, sitzt aufrecht auf seinem Stuhl, sagt das lächelnd, ohne erkennbare Ironie, ohne eine Spur von Bitterkeit. Vielleicht ist diese Haltung auch der Grund, weshalb er überhaupt noch am Leben ist. Denn seine Krankengeschichte ist so lang wie die Wege, die damit verbunden waren.

Helmut Kalmutzke stammt aus Zehdenick, einer Kleinstadt an der Havel, 60 Kilometer nördlich von Berlin. Zehdenick liegt am Rand des Naturparks Uckermärkische Seen, eines Refugiums für die Europäische Sumpfschildkröte und das strohgelbe Knabenkraut. Die Uckermark ist der am dünnsten besiedelte Landkreis Deutschlands, der dabei größer ist als das Saarland. Wer Ruhe sucht, für den ist das ein Glücksfall. Wer krank wird, der hat ein Problem.

Für den Schriftsteller Moritz von Uslar war Zehdenick kaum verhüllt als Stadt „Oberhavel“ in seinem Buch „Deutschboden“ eine Folie für die ostdeutsche Provinz schlechthin, ein bisschen grau, ein bisschen fies, ein bisschen fremd. Für Kalmutzke ist Zehdenick die Heimat, die ihm Arbeit gab, damals, als hier noch Ziegel gebrannt wurden. Später, als er nicht mehr am Ringofen stand, sondern die Lok durch den Mildenberger Museumspark fuhr. Er hat mit seinen Händen unzählige Ziegel gepackt, erzählt mit gespreizten Fingern, wie er das gemacht hat. Und dass er abends Mühe hatte, die Hand wieder zu schließen.

Diese Heimat will er nicht aufgeben, auch wenn andernorts vielleicht besser für ihn gesorgt werden könnte. Doch Telemedizin soll auch in Flächenländern wie Brandenburg eine dezentrale Gesundheitsversorgung möglich machen, wie sie in den großen Städten selbstverständlich ist: High-End-Technik selbst dort, wo das Knabenkraut gedeiht.

Ende der 70er Jahre fingen die Probleme bei Kalmutzke an. Immer wieder entzündete sich sein Darm. Wohl erblich bedingt. Vielleicht hat er, was die Lotterie des Lebens angeht, doch nicht das ganz große Los gezogen.

Kalmutzke lernte viele Ärzte kennen und viele Krankenhäuser, musste Diät halten, ernährte sich ein Jahr lang überwiegend von Milch und Quark. Die Probleme kehrten immer wieder. Schließlich wurde Darmkrebs diagnostiziert, 2014 operiert, in Gransee. 2016 fanden die Ärzte in Hennigsdorf Metastasen in der Lunge, für die große Brustkorboperation wurde er ins Neuköllner Krankenhaus überwiesen. 90 Kilometer, die Hälfte davon quer durch die Stadt Berlin, das war ein weiter Weg, für seine Kinder, die ebenfalls in Zehdenick leben, für seine Frau, die nicht mehr gut zu Fuß ist, ihren Mann aber auch heute begleitet.

Nun also sitzt er wieder beim Arzt, diesmal in Templin, in der Praxis von Silvia Lehenbauer-Dehm. Was für ein Glück, sagt er einmal mehr, „da fahre ich ja nur eine halbe Stunde“. Eine halbe Stunde, in der er zwei Dörfer passiert, einen großen Wald, ansonsten ist da nicht viel.

Frau Lehenbauer-Dehm übernimmt jetzt in seinem Fall die Nachsorge. Dass sie das kann, das ist nun wirklich ein Glücksfall. Denn sie betreibt die einzige onkologische Praxis im Umkreis von rund 50 Kilometern. Doch das bedeutet nicht, dass sie mit ihrer Expertise alleinsteht. Wenn es darauf ankommt, werden Experten den Fall Kalmutzke diskutieren, dann kann sie mitten in der Uckermark den Rat von Strahlentherapeuten, Lungenexperten, Chirurgen und Radiologen einholen. Es braucht dafür im Prinzip nur eine sichere Datenleitung und einen großen Flachbildschirm.

Gerade Krebserkrankungen müssen ...

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