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Gebäck, Wild oder Suppe nach uraltem Rezept: Besten Unsere

Grandioses Gebäck, Allerlei vom Wild, Fisch und Feinkost: In Berlin kann man so viel Gutes finden. Drei neue Lieblingsläden.

SUPPE  NACH  URALTEM  REZEPT

Und wieder lockt das Wildschwein viele Kinder an, die auch ihre Eltern heranzerren werden; der mächtige Sauenschädel hängt an einer Ecke der Kreuzberger Marheinekehalle, im Sommer wurde hier Eis verkauft. Und die Neugierigen finden dann heraus, dass nun – klein aber fein – ein Mann einen Imbiss betreibt: mit Wildgerichten, Salami, fertigem Gulasch, Brühe und Frischfleisch. Für diese Saison wird dazu Wilddöner versprochen, ein Novum, in drei Größen vorgesehen. Die Devise des kleinen Ladens lautet: handfest, nahrhaft, hundertprozentig Fleisch aus der Uckermark. Und kommunikativ!

Ein Geheimnis hat der Mann mit der grünen Schürze nicht, er hat es nicht nötig, es sind Wahrheiten, die ihm über die Lippen gehen. Je nach Tagesform regt er sich über Touristen auf, erzählt, wie er von einem Wildschützer geohrfeigt wurde. Weil er so ausgiebig redet, tun es seine Gäste auch, immer wieder gibt’s ein anderes Thema. Man geht satt heraus, einen Teller Brühe spendiert er gern.

„Wanne-Eickel“ steht auf seiner Jacke, da kommt er her, das steht für etwas. Eigentlich ist es die Geschichte seiner Kindheit: Seine Eltern hätten so geschuftet, dass er sich vornahm, ab dem 50. Lebensjahr nicht mehr zu arbeiten. Nun ist er 50 und arbeite gar nicht, meint er. Sein ewig langer Arbeitstag sei einfach Freude, bei aller Müdigkeit wird er so mitgezogen.

Nacht für Nacht mietet er sich in einer Restaurantküche ein und kocht. Jedes Gulasch hat zwölf Stunden hinter sich, die Brühe drei Tage und drei Nächte. Es ist Archaik, die ihn bestimmt, die ihm Rückgrat und Arbeitsmoral gibt. Und der Fleischanteil im Gulasch ist höher als sonst wo, man kann außerdem Hirsch und Reh bei ihm abgepackt als Braten kaufen. Seine Frau kocht den Grünkohl, das kann sie einfach besser.

Der Mann heißt Gregor, kleines Geheimnis: „Der dicke Bruno“ ist eine Hommage an den Vater, 150 kg bei 178 cm Körpergröße. Der musste Geld verdienen, eigentlich war er Bildhauer, in späteren Jahren hatte er an der Uni Dortmund die erste Behinderten-integrierte Kunstprofessur inne. Die Mutter eröffnete eine Kneipe. Der Vater erfand das Stamm-Menü dafür, benannte es nach sich selbst und sie verkauften Abertausende von Frikadellen in Brühe, dazu Bier. Weil sie keine Zeit hatten, vernünftig auf ihre Kinder aufzupassen, steckten sie die in Internate. Gregor war bei den Jesuiten. Die Eltern ackerten, die Mutter ist daran zugrunde gegangen. Dick war der Zigarettenqualm – 2002 eröffnete Gregor die erste Nichtraucherbar Berlins.

Gregor ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, die war ein Campinglager gegen das Internat, „totschweigen hilft am meisten“, er begann ein Medizinstudium, die Unterwelt Krankenhaus war nichts für ihn. Ein Kind wurde geboren, dann Scheidung, er begann eine Fliesenleger-Lehre, sumpfte ab. „Ich war gewalttätig …“

Er hat die Prinzipien des Lebens wiedergefunden, Ehre und Gewissen, er erklärt es so: Auf dem Pferdemarkt von Wanne-Eickel galt immer der Handschlag. Vertrag sei für Anwälte, Handschlag für Kaufleute: Wenn die Hand gestunken hat, wollte sie keiner mehr anfassen, dann fällt sie ab, fault sie weg.

„Habe so’n Hausmann-Job gemacht, putzen, kochen, Hausaufgaben.“ Er konnte kochen und organisieren. Uraltes Rezept: am ersten Tag die Knochenbrühe mit karamellisierten Zwiebeln und Salz kochen, am zweiten durchsieben, am dritten Tag 10 Stunden mit 5–6 kg Fleisch bei maximal 70° garen, entfetten, Sherry, Lorbeer, Wacholder dazu: deftig wie anno dazumal.

„fast life …, slow food“ – irgendwann am Vormittag wird das Lädchen gemächlich geöffnet, und dann geht’s volle Power bis zum Abend, so wie die Markthalle, bis 20 Uhr. Margarete Groschupf

Dicker Bruno, Kreuzberg, Marheinekeplatz 15 / Ecke Zossenerstraße, Tel. 95 99 44 72, sonntags geschlossen.

Margarete Groschupf

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