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Gesellschaft: Kochen aus der Wundertüte

Nie wieder Supermarkt! Rüben, Lachs und Rezepte werden ins Haus geliefert. Selbstversuch einer Familie

MONTAG, 18.50 UHR.

Es klingelt. Eine Gurke wartet vor der Tür. Begleitet wird sie von zwei Paprika und Ronny Dressler, der das Gemüse und einiges mehr in zwei Papiertüten gepackt hat und nun alles zur Küche trägt. Essen kommt! Zum Selberkochen. Vier warme Gerichte für fünf Tage, Rezepte inklusive. Alle Zutaten sind abgewogen oder, wie die halbe Knolle Sellerie im Plastikbeutel, bereits geschält. Wie praktisch. Dazu Bio-Eier, ein Kilo Schweinefleisch, Lachs, Knoblauch, Strauchtomaten.

Das Kochen für zwei Söhne und zwei Erwachsene könnte beginnen – wenn nicht ein Blick auf die Uhr sagen würde, dass es zu spät wird für Bruno, den Sechsjährigen. Essen, Zähneputzen, Vorlesen: Bis 20 Uhr schaffen wir das nie. Wie bitte stellt sich der junge Berliner Lieferdienst „KommtEssen“ den ersten Abend der Kochwoche vor? Ach ja, er kalkuliert eine halbe Stunde Zubereitung pro Gericht. Doch das funktioniert bei uns erfahrungsgemäß nicht. Denn erstens kann ich Zwiebeln nicht in Windeseile hacken. Und zweitens zanken sich der große und der kleine Bruder zwischendurch. Das Schlichten kostet Zeit. Seufzend räume ich Fisch, Fleisch, Bio-Joghurt, Ananas und Gemüse weg, schiebe die Fischstäbchen in den Herd und zupfe Salat. Morgen machen wir ernst mit dem Kochen…

DIENSTAG, 17.15 UHR

Luis, der das Mittagessen in der Schule „ekelig“ fand, hat während meiner Abwesenheit nicht nur die Ananas und den Joghurt gegessen, sondern auch Mitleid mit den quiekenden Meerschweinen gehabt: Es gab Gurke für die Haustiere. Die „Lachs-Frikadellen mit Ananassalsa“ fallen heute also schon mal weg. Alternativ gibt es „Topinambur-Salat mit Schinken-Hühnchen und Reis“. Das klingt nach einem Essen für alle: mit Schinken- und Tomatenscheiben überbackenes Hühnchen in der Auflaufform. Ein Lob verdienen die Tomaten, die weit frischer wirken als jenes Gemüse, das ich die Woche davor im Laden bekommen habe. „KommtEssen“-Chefin Lisa Rentrop kauft direkt auf dem Berliner Großmarkt und sorgt so für kurze Wege. Sieben Produkte jeder Lieferung sind garantiert biologischer Herkunft, die übrigen Zutaten so weit wie möglich regional oder klimafreundlich erzeugt. Das hat seinen Preis: Die zwei Tüten kosten zum Ausprobieren 49 Euro. Anschließend zahlt man 78 Euro wöchentlich. Klar ist auch: Wer sich die Lebensmittel selbst zusammenkauft, kommt preiswerter davon. Doch darum geht es bei der aus Schweden importierten Idee nicht. Sie spart Zeit und reduziert den Stress berufstätiger Eltern oder viel beschäftigter Wohngemeinschaften, die abends anständig essen wollen. Ohne hastiges Einkaufen. Mit neuen Rezepten für jede Woche. Und mit Tüten, die sich wie von selbst in die Wohnung tragen.

Im Ofen brutzeln seit zehn Minuten die Hühnchenfilets, da begreife ich, weshalb man ein Rezept stets komplett lesen sollte. Ich brauche Apfelessig, den wir nicht haben. Und Reis. Grundzutaten werden von „KommtEssen“ nicht mitgeliefert. Ich schwenke um auf weißen Balsamico und Weizenkörner, zerteile die kleinen Topinambur-Knollen, hacke die Zwiebel und bereite eine Salatsoße vor. 30 Minuten später sitzen alle am Tisch. Die Kinder mögen das Huhn, nicht aber die Beilage. Der süßliche Nussgeschmack von Topinambur ist ihnen fremd. Bloß die Erwachsenen freuen sich über den neuen Geschmack auf dem Teller.

MITTWOCH, 18.45 Uhr

Mit Bruno beim Fußball-Training gewesen. Nun ist er hungrig und müde. Das „Spanische Gemüseomelette mit Sprossen“ empfiehlt sich als schnelles Gericht. Beim Schneiden von Paprika und Steckrübe verstehe ich, was die Schwedin Kicki Theander als dreifache Mutter mit Job 2007 auf „EssenKommt“ gebracht hat. Es ist ein unglaublich gutes Gefühl, wenn man trotz aller Zeitnot abends statt Fastfood noch etwas Gesundes zustande bringt. Ohne übertriebenen Aufwand, dennoch mit reichlich Gemüse. Diesmal bin ich besser vorbereitet, mit einer Dose kleingehackter Tomaten und einer Tüte Paniermehl im Schrank. 20 lange Minuten muss das Omelette stocken, in dieser Zeit rührt man in der Pfanne Öl, Paniermehl und Knoblauch zu einer bemerkenswerten Panade: Sie kommt über das Omelette und macht es absolut herzhaft. Ein fleischloser Erfolg um kurz vor acht!

DONNERSTAG, 17 Uhr

Heute bin ich früh zu Hause und kann die „Winter-Pasta“ ausprobieren. Einmal kochen, zwei Tage essen. Die Arbeitsersparnis gehört zum Konzept. „KommtEssen“ liefert Zutaten für drei Mahlzeiten mit Fleisch, ein Fischgericht und ein vegetarisches Essen. Für das „Doppelgericht“ kommt nun ein mächtiges Kilo Schweinefleisch in die Pfanne. Dazu Champignons, Porree, Sellerie und Zucchini. Die Nudeln als Beilage steuert man selbst bei. Der nächste Griff in den Kühlschrank geht allerdings ins Leere – die zwei Romana-Salate sind ebenfalls Beute der Meerschweine geworden. Zur Strafe muss Luis im Supermarkt Nachschub holen, denn ich möchte zum Ausgleich für das viele Geschnetzelte plus Creme fraîche etwas Frisches auf dem Tisch.

Während ich warte, entwerfe ich Strategien gegen den Zutaten-Schwund. Alles in ein Fach im Kühlschrank räumen? Oder kennzeichnen. Aber wie? „Finger weg, das gehört zum Gericht!“, so ein Satz wäre albern. Und schließlich bin ich froh, wenn ein 13-Jähriger zu Joghurt und Ananas greift. Da hilft nur diskretes Nachkaufen. Am Tisch dann die Überraschung: Den Kindern fallen Pilze, Sellerie, Zucchini und Lauch im Essen kaum auf. Sie finden es lecker, nehmen nach.

FREITAG, 19 Uhr

„Reste essen“. Leider haben alle gestern so zugeschlagen, dass es heute nicht mehr ganz reicht. Ich schwenke um auf Brot, habe trotzdem Zeit gespart und nutze sie, um mich nochmal in den Speiseplan zu versenken. Meine vorläufige Bilanz: Die Rezepte sind abwechslungsreich, enthalten viel Gemüse und machen mit Zutaten wie Topinambur oder Bulgur bekannt.

SAMSTAG, 13 Uhr

Heute habe ich Zeit. Und einen Sohn, der sich ein bisschen langweilt. Also hilft Bruno mit, verknetet klein geschnittene Fischwürfel für die „Lachs-Frikadellen mit Ananassalsa“ mit Speisestärke und Joghurt, hilft bei der Zwiebel – für die er sich nach ersten Tränen eine Taucherbrille aufsetzt – und presst die Limette aus. Dann will er Gurke und Paprika schneiden, wirft alles zusammen und bringt mich so durcheinander, dass ich den Bulgur unter die Salsa mische – obwohl man alles getrennt zubereiten sollte. Egal, es schmeckt trotzdem. Vielleicht sogar besser: Ananas und Limettensaft geben dem geschroteten Hartweizen ein raffiniertes Aroma. Dennoch ziehen die Kinder die Fischfrikadellen vor. Die finden sie super. Ich werde sie öfter machen.

Das Fazit: „EssenKommt“ ist eine echte Hilfe und bequem. Mit knapp 16 Euro für alle kostet ein Abendessen weit weniger als in den benachbarten Restaurants, in die wir immer wieder einfallen, wenn wir abends zu müde zum Einkaufen plus Kochen sind. Allerdings muss man sich disziplinieren und jeden Abend brutzelnd in der Küche stehen, während die Kinder vehement Pfannkuchen oder Milchreis einfordern.

Für uns wäre die 3Mahl-Tüte für 63 Euro pro Woche wohl die bessere Option. Lisa Rentrop, die „KommtEssen“ vergangenes Jahr in Hamburg gestartet hat und nun sukzessive auf andere Städte ausdehnt, hat sie auf vielfachen Wunsch gerade eingeführt. Und wird mit beiden Tüten wohl noch weit mehr Berliner füttern als jene paar Hundert, die sich bislang auf das Experiment eingelassen haben.

www.kommtessen.de

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