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Gesellschaft: Von Tisch zu Tisch: Aglio in Wilmersdorf

Mir sind in der Stadt zwei Restaurants bekannt, die sich auf Knoblauchgerichte spezialisiert haben. Das eine heißt Knofel, befindet sich in Prenzlauer Berg und wurde an dieser Stelle schon früher einmal vorgestellt.

Mir sind in der Stadt zwei Restaurants bekannt, die sich auf Knoblauchgerichte spezialisiert haben. Das eine heißt Knofel, befindet sich in Prenzlauer Berg und wurde an dieser Stelle schon früher einmal vorgestellt. Das andere heißt Aglio und siedelt tief in Wilmersdorf am Hohenzollerndamm. Während man im Knofel aus der an Nebenwirkungen reichen Knolle einen sehr ernst genommen werden wollenden Kult macht, ist der Umgang im Aglio von eleganter Lässigkeit geprägt. Wer mit einem

Knoblauchsüchtigen kommt, am nächsten Tag selber aber wichtige Termine hat, kann alle Gerichte auch ohne bestellen. Überhaupt ist das Aglio ein auf den ersten Blick sympathisches Restaurant.

In hellen, freundlichen Tönen auf Orangebasis mit modernen Bildern eingerichtet, gibt es bequemes, aber nicht erdrückendes Mobiliar, Papier auf den Tischen, außerdem Kerzen und Blumen. Der klassische Fall eines Alltagsrestaurants, das Sonntagsgefühle hervorzaubern kann. Dazu trägt auch der besonders freundliche und fürsorgliche Service bei. Nur, dass es leider zu leer ist. Das ist das Einzige, das mich etwas besorgt gestimmt hat, denn im Moment sind alle Restaurants etwas gefährdet, auch die netten. Kürzlich ist mir ein Bistro mal gewissermaßen unter der Feder weggestorben. Die Kritik war schon fertig, aber bevor sie im Blatt war, musste das Lokal schließen, obwohl es eigentlich ganz gut war. Toi, toi, toi.

Vorweg gab es als Appetitanreger Bruschetti mit Tomaten, Knoblauch und Zwiebeln. Leider war die Sonderkarte, die auf einer Schiefertafel aufgezeichnet war, so gut versteckt, dass wir sie nicht rechtzeitig entdeckt haben. Das passiert uns häufiger und ist doch gar nicht im Sinne der Wirte, die ihre besonderen Gerichte gern probiert sähen.

Wer also keinen Pagen anheuern mag, der sie von Tisch zu Tisch trägt, stellt die Tafel entweder in den Eingang oder verzichtet ganz drauf. Wir blieben beim Programm der Standardkarte. Die Vorspeisen des Hauses türmten sich auf einem Teller, als gelte es, eine Meute von vier Leuten mindestens zu versorgen.

Dabei hatte mein Begleiter aus dem schlichten Genüssen zugetanen Blankenese genug damit zu tun, sich seiner ganz und gar vorzüglichen Zuppa di Aglio zu widmen, die eine reiche Substanz zur Schau trug und mit den allerknusprigsten Croûtons brillierte (5,10 Euro). Vielleicht war die Fülle der Antipasti auch auf die weitgehende Leere des Raumes zurückzuführen. Es gab dicke Rotwein-Zwiebeln, Auberginen, Paprika, Pomodori, Zucchini, Oliven, Artischocken, die Früchte eines reich gefüllten Meeres. Dazu schönes, festes Weißbrot (8,70 Euro). Die gegrillten Scampi lugten halb aus ihrer Schale in einen Urwald aus Salat. Der störte etwas auf dem gleichen Teller. Wenn man ihm einen eigenen gegönnt hätte, wäre es sehr viel besser gewesen. Die Kräuter-Knoblauch-Joghurt-Sauce wurde hingegen vorbildlicherweise getrennt und extra serviert. Insgesamt schmeckte das beherzt gewürzte Gericht aber sehr gut.

Das gilt auch für die Calamari alla Livornese; die Sauce war hinreißend, wer Knoblauch unbefangen verwendet, erzielt damit doch manchmal die überzeugendsten Ergebnisse. Die Tintenfischringe waren in der Konsistenz vielleicht ein bisschen zu fädig (9,20 Euro). Auch hier stand der Salat eher im Weg herum wie ein Wäldchen, das eine schöne Aussicht verdeckt. Volle, übervolle Teller mögen ihren Charme bei Vielfraßen voll entfalten können. Leere machen grundsätzlich aber mehr Appetit.

Wer ganz ohne Knoblauch essen will, bekommt den Appetitanreger dennoch offeriert; der wird dann aber auch freundlich und ohne Stirnrunzeln wieder abgetragen, wenn er unangerührt bleibt. Der Thunfischsalat mit seinem leichten Joghurtdressing etwa, ist garantiert frei von Nachwirkungen, die Vampire in die Flucht schlagen könnten (6,10 Euro).

Die Weinkarte ist so wie sie bei einem kleinen Nachbarschaftsrestaurant sein sollte. Wichtiges ist vorhanden, aber es gibt keine Extravaganzen. Ein Gavi di Gavi ist allemal ein zuverlässiger Begleiter zum Essen (27,50 Euro). Zum köstlichen Tartufo, Zabaglioneeis mit Kakaopuder, Schoko-Nuss-Zugabe und drei Tupfern Sahne werden anstandslos zwei Löffel serviert (3,80 Euro). Und am Schluss verabschiedet sich das Team im Chor. Gut, im Moment sind viele Restaurants relativ leer, aber dieses hätte mehr Zuspruch verdient. Wer Aglio mag, wird hier total auf seine Kosten kommen. Wer aus guten Gründen drauf verzichten muss, braucht Missionierung nicht zu fürchten. Und die liebevolle, hellfreundliche Ausstrahlung verfehlt ihre Wirkung auch nicht auf eher ins Gediegene orientierte blankenesische Gemüter.

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