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Von TISCH zu TISCH: Facil

Indisch-arabische Moderne

Facil im Hotel The Mandala, Potsdamer Straße 3, Tiergarten, Tel. 590 0 51 234, Mo-Fr. 12-15. 19-23 Uhr. Foto: K. Kleist-Heinrich

Ja, es geht hier wieder um ein Luxusrestaurant, und zwar ein bekanntes. Mein letzter Bericht aus dem „Facil“ ist gut zwei Jahre her, an sich nicht lange genug, um erneut darauf einzugehen – ich vermute, dass dieses Preissegment nicht unbedingt an der Spitze unserer Lesergunst steht. Aber ich habe das Restaurant hier damals nicht übermäßig gnädig behandelt und schulde ihm deshalb die Mitteilung, dass sich die Küche von Michael Kempf seither ganz außerordentlich gut entwickelt hat. Kochen konnte er schon immer, das ist ja selbstverständlich auf dieser Ebene, doch die Suche nach einem eigenen Stil zwischen Überladung und zugespitztem Purismus ist ihm nicht leicht gefallen.

Doch das dürfte nun erledigt sein. Seine aktuelle Speisekarte – das ist nicht sehr häufig – mobilisiert in mir den Alles-Bestellen-wollen-Reflex. Reizvolle Produkte, auf ungewöhnliche Weise kombiniert, dazu Gewürze, die den Chef in einer indisch-arabischen Phase zeigen: Kardamom, Curry, Tandoori, Harissa. Nein, keine Garküche, nicht einmal explizite Schärfe. Sondern nur der höchst gelungene Versuch, die Stilistik der modernen französisch-mediterranen Richtung behutsam in Richtung Osten zu drehen – und zwar ohne High-Tech-Spiele.

Vor allem: Fisch. Der St. Pierre, ein schönes, sehr präzise gegartes Filet, wird mit einem kleinen Gemüse-Couscous serviert, dazu gibt es eine sehr dezent mit der scharfen Harissa-Paste befeuerte Sauce und Minzöl. Der intensive Geschmack der Urtomaten steckt in einer Suppe aus den passierten, nur vorsichtig erhitzten Früchten, die auf gebratene Lammfilets gegossen wird, ein Hauch von Curry flaniert gewissermaßen vorbei, ohne zu dominieren. Zum dicken Kabeljaufilet wagt Kempf abwechslungshalber einen südeuropäischen Brückenschlag: Gratiniert mit Bröseln und einem Hauch von Pancetta-Speck. Paprika-Letscho, Bronzefenchel und Kapern.

Ebenso gelungen die Vorspeisen: fein säuerlich marinierte rohe Langustinen, taufrisch, mit einem winzigen Gelee aus Amalfi-Zitronen und Tandoori-Rahm. Oktopus, gegrillt und auf einem Kräutersalat mit Tomaten-Chorizo-Marmelade bildschön angerichtet – alles herrlich leicht und animierend. Das alles tendiert ein wenig in die Richtung der entfesselten Küche von Tim Raue im „44“. Doch die ist in ihrer Drastik kulinarischer Rock’n’Roll, während wir es hier eher mit einer subtil swingenden Jazzcombo zu tun haben. Ich spiele das nicht gegeneinander aus – schön, dass wir die Wahl haben.

Nicht ganz einverstanden war ich lediglich mit dem in Langpfeffer pochierten Rehrückenfilet mit Kirschen und Kardamomjus, aber das ist subjektiv: Reh mag ich lieber bieder gebraten, weil es dann nicht so extrem mürbe ist. Und die Variationen vom Weinbergspfirsich wirkten bei aller Feinheit disparat, beliebig. Der Pfirsich mit Fichtensprossensabayon und Paranusscrumble allein hätte einen stärkeren Eindruck hinterlassen und uns viel süße weiße Schokolade erspart. Hinreißend dagegen das Schmand-Vanillesoufflé mit Waldblaubeeren und Karamelleis. (Menüs 75/110 Euro)

Was die Weinkarte angeht, hat sich nichts verändert. Das heißt: Wer einigermaßen auf dem Laufenden ist, der wird garantiert unzufrieden gehen – weil er von all den großen Weinen auf der Karte nur so wenig probieren konnte. Sommelier Felix Voges gibt sich große Mühe, so viel wie nur möglich glasweise anzubieten und findet Kombinationen wie den perfekt gereiften 2001er Spätburgunder von Thomas Siegrist zum Reh, er zeigt besondere Kompetenz in Sachen Spanien und Südfrankreich, und das zu keineswegs überzogenen Preisen – nicht die größte Weinkarte Berlins, aber in ihrer klugen Konzentration auf die Winzeravantgarde eine der besten.

Der diskrete, geräuschlose Service von Manuel Finster und seinen Leuten stimmt in Ton und Tempo, komfortabel, stilsicher eingerichtet und präzis beleuchtet ist das Restaurant bekanntlich ohnehin. Und so kann ich dieser Lobeshymne nur noch den Rat für Skeptiker anschließen: Mittags kostet jeder Gang 13 Euro. Und das für zwar weniger komplexe, aber kulinarisch gleichwertige Gerichte.

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