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Gesellschaft: Von Tisch zu Tisch: La Vigna

Um den Mittagsgast kämpfen die besten Berliner Köche vergeblich. Denn er ist eine flüchtige Erscheinung, hat nie Zeit und Geld sowieso nicht mehr.

Um den Mittagsgast kämpfen die besten Berliner Köche vergeblich. Denn er ist eine flüchtige Erscheinung, hat nie Zeit und Geld sowieso nicht mehr. Wehmütig erinnern sich einige noch an die alte West-Berliner Zeit, als Wirtschaftskapitäne und Bankdirektoren ihre Gäste von zwölf bis fünf freihielten, als Kenner auch mal zum Lunch eine Flasche Petrus entkorken ließen. Vorbei, vorüber. Aber irgendwas muss der Mensch ja essen, und deshalb geht der Trend zum gehobenen Schnellimbiss; auch abends, so scheint es, räumen viele dem Essen weniger Zeit ein, weil die Kinofilme immer länger werden, weil das Networking so viel Zeit kostet, oder weil es auf den Promiparties ja ohnehin noch Häppchen gibt.

Zwei Vorschläge. "La Vigna" ist eigentlich ein italienischer Feinkostladen, ein wenig versteckt, nicht weit vom Olivaer Platz. Die Chefin hat sogar promoviert - aber das Essen ist unkompliziert und auch ohne Abitur verständlich. Für 8,90 Euro gibt es beispielsweise Salat mit gutem Essig und Öl, Spaghetti mit Tomaten, Speck und (knapp dosierten) Pfifferlingen, ein Glas Wasser und einen anständigen Espresso. Wer bietet mehr? Abends rückt dann auch das interessante Weinangebot des Ladens stärker in den Blickwinkel. Der Platz vor der Tür ist ein angenehmer Ort zum Sitzen, die Tische drinnen nicht minder, und die quirlige Chefin sorgt auf charaktervoll italienische Weise für mediterrane Nestwärme. Ein Ort.

Nun der andere Ort. Belagert! Voll! "Würde es Ihnen was ausmachen, ein bisschen zusammenzurücken?" Aber woher denn. Wer sich zu den harten Sitzbänken von "Monsieur Vuong" in der Alten Schönhauser Straße durchkämpft, der ist nicht auf beschauliches Tafeln aus, sondern er möchte der Ost-City beim Essen den Puls fühlen. Der Name des Betriebs deutet auf Vietnam, soll aber wohl eher ein vages ostasiatisches Lebensgefühl ausdrücken. Fünf Standardgerichte, dazu drei wechselnd auf der Wandtafel - das ist alles, und mehr als 6,40 Euro sind dafür nicht gefordert. Es gibt Hähnchen-Saté mit Erdnusssauce und etwas Salat, Tintenfischsalat mit Ingwer, Koriander und Glasnudeln, Wan-Tan-Suppe mit sehr authentischer, offenbar im Haus gemachter Füllung. Kein Mief von Tütensuppe, kein Brennen von Glutamat, statt dessen frische, flink zubereitete und ebenso flink gebrachte Sachen für den schnellen, aber nicht unkultivierten Genuss. Wer Wein in Flaschen bestellt (Domaine du Tariquet, Gascogne, 11 Euro), gibt sich schon fast uncool als Genießer zu erkennen; für den Preis ist Eiskühlung freilich nicht drin. Der Chef erledigt den harten Job, die wenigen Plätze gerecht zu verteilen, mit unerschütterlicher Freundlichkeit - möglicherweise schöpft er seine Kraft aus einer rätselvollen, altarähnlichen Installation mit Aquarium im hinteren Teil des Restaurants. (Alte Schönhauser Str. 46, Mitte, täglich 12-24 Uhr, www.monsieurvuong.de).

Wo wir nun schon im Economy-Sektor sind, noch ein aktueller Nachtrag. Vom Kreuzberger "Svevo" war hier schon lobend die Rede. Und nun ist dort auch in Sachen Wein ein großer Sprung gelungen. Die neue Karte bietet eine individuell und intelligent ausgesuchte Kollektion bezahlbarer Flaschen, und zu Claudio Andrattas prima Vier-Gang-Menü (Fenchelcreme mit Wachtel, Saibling auf Rettichsalat, Entrecote mit Pfifferlingen, Tresterparfait mit Erdbeeren, 32 Euro) gibt es für weitere 12 Euro einen tollen Wein-Set quer durch Europa. Wer noch nicht genug hat, frage nach dem 89er Riesling von Thanisch, einem Wunderding für Fans gereifter Riesling-Weine. Bilanz: In der Preis-Qualitäts-Relation kaum zu schlagen. (Lausitzer Straße 25, Kreuzberg, Telefon: 6107 32 16, nur Abendessen, montags und im August geschlossen. Unbedingt reservieren.)

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