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Von TISCH zu TISCH: Traube

Kalbshaxenscheiben mit Bries

Traube, Reinhardstr.33, Mitte, Tel. 278 793 93, tägl. außer Sonntag ab 11.30 Uhr, www.traube-berlin.de. Foto: Roxana Arif

Es gibt anscheinend verhexte Orte in der Berliner Restaurantszene. Falsche Lage, ungünstige Verkehrsanbindung, schräge Erdstrahlen, verdeckte Wasseradern, falsches Karma – wer weiß? Insofern kann ich Wolfram Ritschl, dem Wirt vom „Paris-Moskau“, nur alles Gute wünschen beim Versuch, dem unseligen Restaurant in der Reinhardstraße 33 in Mitte endlich Leben einzuhauchen. Das ist ein bei aller Schlauchförmigkeit edler Raum, gestaltet vom Großarchitekten Kollhoff persönlich, und doch ist dort zunächst das „Witzmann“ mit mehreren Konzeptänderungen gescheitert, dann ging es unter italienischer Leitung mit dem „Ferrari“ auch nicht besser. Allerdings floriert in dieser eher dunklen, von ewigen Bauarbeiten gelähmten Ecke auch sonst nur das Scheitern. Sie profitiert vom Regierungsviertel offenbar so wenig wie vom Pariser Platz, dem Schiffbauerdamm oder der Oranienburger Straße, obwohl all diese höchst lebendigen Gegenden nur ein paar Schritte entfernt sind.

Ob die „Traube“ das ändert? Die Voraussetzungen sind nicht schlecht, mir hat es, psst, hier sogar besser gefallen als im offenbar dauerhaft erfolgreichen „Paris-Moskau“, das ja eher noch abseitiger liegt. Traube bedeutet zwangsläufig Wein, das ist auch schon der größte Teil des Konzepts, aber die Küche ist womöglich komplizierter, als das den Erwartungen an eine Weinstube entspräche. Aber sie ist, vor allem, gut gemacht: Ein deftiges Vorgericht wie die Kalbshaxenscheiben mit gebratenem Kalbsbries zeigt bereits Willen zum Geschmack und handwerkliches Können, und auch der Wachtel zum Salat wäre allenfalls anzulasten, dass die Artischocken drunter ein wenig zu weich geraten waren – alles sah gut aus, war gut abgeschmeckt und sorgfältig gegart. Besonders gut geraten schien mir der Schweinerücken mit Champagnerkraut und kleinen Maultaschen, denn er verkörperte genau jene Mischung aus guten Rohprodukten und geschmackssicherer Zubereitung ohne Schnörkel, die dem Rahmen angemessen ist. Gut auch, dass das Huhn hier zu seinem Recht kommt: die saftige Bressepoulardenbrust mit Paprikastreifen gelang ausgezeichnet, schade, dass das begleitende Risotto mit einer komplett untauglichen Reissorte angerührt war und deshalb enttäuschte.

Die Desserts halten das Niveau: Gut im Geschmack, aber deutlich zu gummihaft fanden wir beispielsweise die Himbeer-Panna-Cotta mit sehr passablem Schokoladeneis. Insgesamt macht dieses Restaurant also keinen schlechten Eindruck, und das bei vernünftigen Preisen von maximal 19 Euro für die Hauptgänge und etwa 12 Euro für Vorspeisen – ein Vier-Gang-Menü ist für 48 Euro, einschließlich passender Weine für 69 Euro zu haben. Mittags wird auch gearbeitet, das ist lobenswert, das Essen ist etwas einfacher und deutlich preisgünstiger.

Die endgültige stilistische Linie hat die „Traube“ sicher noch nicht gefunden, denn sie existiert erst seit Mitte August. Das gilt vermutlich auch für die Weinkarte. Sie enthält ein gutes, reelles Angebot offener Weine, ist aber noch zu allerweltsmäßig sortiert, es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund, in einer Berliner „Traube“ argentinische oder neuseeländische Importe anzubieten – das kann getrost einer Institution wie dem „Rutz“ mit seinem Tausend-Flaschen-Sortiment überlassen bleiben. Dagegen könnte vor allem der ostdeutsche Weinbau wesentlich repräsentativer dargestellt werden. Großartig fand ich hingegen, dass hier endlich einmal die wirklich guten Schweizer Weine propagiert werden. Wir verstiegen uns zu einem Walliser Spätburgunder, dem Grand Cru aus Salgesch von Mathier, großartig und seine 68 Euro bis zum letzten Tropfen wert; trotzdem würde ich überlegen, ob solche Weine nicht bei freundlicherer Kalkulation noch besser laufen können und dem Restaurant dann ein Alleinstellungsmerkmal bescheren.

Generell scheint die Sachkenntnis beim jungen Restaurantchef und seiner Mitstreiterin vorhanden zu sein – selten hat in einem neuen Berliner Betrieb der Service so geschmeidig und sympathisch funktioniert. Dies ist die bislang beste Phase des schwierigen Restaurants. Wenn mich nicht alles täuscht, wird es bislang von den Gästen auch gut angenommen.

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