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Fashion Week: Lob kann man nicht essen

Die Fashion Week macht aus Talenten Shootingstars. Aber leben können sie davon nicht. Lob bedeutet in dieser Branche nicht unbedingt auch, dass die Kleider getragen werden.

Neulich saßen drei Juroren von Peek & Cloppenburg bei Parsival Cserer auf der Couch. Von dort aus kann man alles sehen, was das Leben des Designers im Moment bestimmt. Oben im deckenhohen Regal stehen die dicken Spulen mit Baumwollgarn, darunter die mit glitzernden technischen Garnen und rechts die mit Kaschmir und Merinowolle. Auf der gegenüberliegenden Seite steht unter dem Fenster die Strickmaschine. Wenn Parsival Cserer eine neue Farbe einfädelt, ist er mit zwei Schritten am Regal. Die Juroren wollten sehen, ob der Gewinner ihres Nachwuchspreises „Designer for Tomorrow“ auch nach der Preisverleihung im vergangenen Sommer fleißig war. Dass Parsival Cserer wie ein Pferd an seiner Strickmaschine geschuftet haben muss, kann man auf den Fotografien sehen, die über der Couch hängen: Sie zeigen mehr als 20 gestrickte Kleider, dazu Jacken, Mäntel und Capes.

Parsival Cserer breitet die Arme aus und sagt: „Das bin alles ich.“ Eine harte Zeit sei es gewesen bis zur Modenschau im Januar. Aber jetzt wisse er, wie seine Mode aussieht und wie er arbeiten muss, um eine stimmige Kollektion zu entwerfen. Die gestrickten Kleider betonen den Körper, großflächig wie auf einer Leinwand sind die Muster aufgetragen.

„Eigentlich wollte ich nicht mit einer Maschine allein sein.“ Deshalb hat er lange gezögert, sich eine Strickmaschine ins Wohnzimmer zu stellen. Aber so konnte er ein Kleid am Tag stricken – jetzt kann er die knallbunten Muster fast schon blind konstruieren, die man sofort als Parsival Cserers Markenzeichen erkennt. Es ist schon eine Leistung, dass gleich die zweite Kollektion so wiedererkennbar ist. Ginge es nach den Gesetzen des Marktes, müsste er jetzt nur noch die dritte Saison überstehen, damit Einkäufer genug Vertrauen gefasst haben, um seine Entwürfe auch in ihren Läden zu verkaufen.

Dass ist genau die Krux der Designer, die jetzt in Berlin zum Nachwuchs gehören. Basteln geht nicht mehr – von der ersten Kollektion an wird erwartet, dass sie alles im Griff haben, von den Schuhen über die Accessoires bis zur Auswahl der Models. Alles andere würde auf einer Schau am Bebelplatz auch unangenehm auffallen. Das bedeutet aber auch, dass wie im Fall von Parsival Cserer die volle Konzentration auf dem Kern der Sache liegen muss: keine Zeit für die Buchhaltung, für den Businessplan und für die Vermarktung. Und vor allem keine Zeit zum Geldverdienen. So kommt es, dass ein Designer, wie auch in London und Paris, in Magazinen für seine Kollektion gefeiert wird, bevor er überhaupt ein einziges Kleid verkauft hat. Mit dem Geldverdienen soll es bei Parsival Cserer in der nächsten Saison losgehen, dann will er in einem Showroom in Berlin eine kleine Strickkollektion zeigen, die hoffentlich im darauffolgenden Frühjahr in vielen Läden hängen wird.

Michael Sontag ist schon einen Schritt weiter: „Ich bin vermutlich dazwischen.“ Er meint damit, dass er zwar nicht mehr zum Nachwuchs gehört, aber auch noch nicht zu den festen Größen der Fashion Week wie Michael Michalsky und Leyla Piedayesh von Lala Berlin, derentwegen die Fachwelt eigens nach Berlin kommt. Dazu muss man wissen, dass kein anderer Berliner Designer an so vielen Wettbewerben teilgenommen und so viele Preise gewonnen hat wie Michael Sontag. Vier Saisons zeigt er nun schon seine Entwürfe auf der Berliner Fashion Week. „Die Zeit seit meinem Diplom 2009 ist schnell vergangen – ich habe jetzt einen Namen.“

Er bekommt unter anderem vom Berliner Senat Geld, um in Ruhe an seinen Kollektionen arbeiten zu können – auch deshalb konnte Sontag jede Saison aufs Neue überzeugen und zu einem Shootingstar der Berliner Mode werden.

Das wäre noch vor wenigen Jahren in diesem Tempo nicht möglich gewesen. Heute ist es schon durch die Medienpräsenz in Berlin einfacher für begabte Absolventen, bekannt zu werden. „Die Mercedes-Benz Fashion Week ist zu einem Filter geworden, früher war alles, was in Deutschland stattfand, nicht interessant. Das ändert sich gerade“, sagt Sontag.

So hoch gelobt die Kleider von Sontag von der „Vogue“ und der Modekritikerin Suzy Menkes werden: Auch er verkauft in Deutschland fast nichts und die internationalen Einkäufer lassen auf sich warten. Preise gewinnen ist gut und schön – da sind sich Parsival Cserer und Michael Sontag einig, aber eigentlich wollen sie nur, dass ihre Mode getragen wird.

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