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Der Urban Force von Adidas hat eine beschichtete Sohle, wenn man den Turnschuh trägt, wird der Schriftzug "Show your are not afraid" sichtbar.

© Dan Beleiu

Konsumkritik: Produkte für einen besseren Kapitalismus

Die Produkte von RLF sollen helfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Friedrich von Borries hat Jetlag. Deshalb sieht er aus wie ein stinknormaler Kreativer: hellblaues Hemd, schmaler Wollpullover, blaue Jeans und Martin-Margiela-Turnschuhe. Normalerweise trägt er hier in seinem Büro Schwarz-Weiß, die Adidas-Turnschuhe „Urban Force“ und dazu eine goldene Brille, schließlich ist er Geschäftsführer von RLF. Zu dem Job ist er „ganz zufällig“ gekommen, der eigentliche Firmengründer ist tot. Er hieß Jan, war Werber bei einer Hamburger Agentur und ist in Venedig von einem Balkon gefallen. Der Verdacht liegt nah, dass von Borries ihn sterben ließ, um seine Ideen in der Wirklichkeit umzusetzen.

Im August erschien von Borries´ Roman „RLF“, dessen Handlung mit den Unruhen in London im August 2011 beginnt. Die Hauptfigur Jan gründet ein Unternehmen, mit dessen Gewinn die Welt revolutioniert werden soll. RLF steht für „richtiges Leben im falschen“ und ist an das Zitat des Philosophen Theodor W. Adorno angelehnt.

„Aber eigentlich ist es ein Text über bürgerliches Wohnen“, sagt Friedrich von Borries. Jetzt führt er wirklich ein Unternehmen, das den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen schlagen soll. Und weil Mode für die Identitätsfindung wichtig ist und sich mit ihr ganz hervorragend die Frage stellen lässt, was echt ist, gibt es bei RLF ein Sofa, ein Essservice, dazu Overall, Schmuck und Turnschuhe.

Von Borries hat schon viele schlaue Sachen geschrieben über Konsum und Kapitalismus. Aber das war immer Theorie. Jetzt hat er es mal von vorn bis hinten durchgezogen. „Ich bin ein Marketingfeind, aber hier arbeite ich mit den Mitteln des Marketings.“

Er ist sicher, dass es so ein Projekt noch nicht gegeben hat. Es gibt eine Homepage, die dokumentiert, was in der Welt Revolutionäres passiert, und zusammenfasst, worum es der Marke RLF geht: „Wir wollen mit Konsum das Schlechte im Kapitalismus überwinden. Alle gewinnen.“ Bald kann man auch mit RLF spielen: „Man macht draußen Sachen und stellt sie ins Netz.“ Die Mitspieler vergeben Punkte, und wer am meisten hat, gewinnt Turnschuhe von Adidas.

Ein Vexierspiel mit Realität und Fiktion

Ab nächsten Donnerstag gibt es in Berlin die Produkte zu kaufen, die man für das richtige Leben im falschen braucht. Ob mit dem Gewinn ein Stipendium oder ein Ort für die Revolution finanziert wird, „müssen wir danach diskutieren“, sagt der RLF–Chef.

Im Buch stehen Interviews unter anderem mit Menschenrechtler Stéphane Hessel, der Philosophin Judith Butler und dem Sozialpsychologen Harald Welzer. Die Videos, aufgenommen mit einem Iphone, stehen auf der Homepage. „Die hat Jan für uns geführt “, sagt Friedrich von Borries und lächelt. Der Entwicklungsprozess des Vexierspiels mit Realität und Fiktion dauert schon zwei Jahre. Nicht alle Produkte von RLF sind neu, die meisten wurden nur weiterentwickelt.

Von Borries war es wichtig, mit allen Marken zusammenzuarbeiten. Nur mit Ikea nicht, da haben sie einfach den Tisch „Lack“ genommen und ihn mit Blattgold belegt. Fährt man mit den Fingern darüber, bleibt Goldstaub haften. Aber das eigentlich Wertvolle liegt darunter, der schwarz-weiße Schriftzug „Show you are not afraid“ ist in vielen Schichten Lack aufgetragen. Er zeigt sich erst, wenn man den Tisch benutzt.

Das RLF-Projekt ist ein schmaler Grat

Friedrich von Borries hat an alles gedacht, an den Goldrand, der den Rand des Tassenbodens von KPM ziert und der nur zu sehen ist, wenn die Tasse zum Mund geführt wird. Aber da es ein Einpersonenservice ist, wird es niemand sehen. Trotz des Jetlags sieht man ihm an, dass er einen Heidenspaß hat, alles bis zu Ende zu denken und so lange auszuprobieren, bis es funktioniert. Wie das KPM-Service, von dem man Kopfschmerzen bekommt, weil sich im Inneren schwarz-weiß gemusterte Wirbel drehen. Oder die gemusterte Tapete, die bei ihm zu Hause eine Wand ziert und bei deren Anblick sich seine Kinder weigern, ihre Hausarbeiten zu machen.

Das RLF-Projekt ist ein schmaler Grat. Viele denken, der Professor der Designtheorie ist jetzt auf der falschen Seite, weil er teure Produkte vermarktet. Dabei sind seine nächsten Ideen durchaus nützlich für eine Revolution: eine Rakete, die Flugblätter in die Luft schießt, und ein goldener Golfschläger, mit dem man auch Fenster einschlagen könnte.

RLF-Produkte ab 18.10. bei Andreas Murkudis, Potsdamer Straße 81 in Tiergarten und unter www.rlf-propaganda.com

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