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Thatchers machen Mode für Frauen,die mitten im Leben stehen.

© Nancy Warnke

Mode aus Berlin: Schönheit gibt Halt

Vor 25 Jahren waren Thatchers junge Wilde. Jetzt gehören sie zu den Labels, die sich mit ihrem Laden etabliert haben und die Mode in Berlin mitprägen

Von Susanna Nieder

Der typische Thatchers-Look sah so aus: ein superschmales Kleid aus Jeansstoff mit einem hohen, kelchförmigen Kragen, der bis übers Kinn reichte. Oder ein Oberteil, das aus nichts weiter bestand als aus einer extrem dehnbaren Nylonröhre mit zweimal zwei Einschnitten an einem Ende. Nylonröhre über den Kopf, Arme durch die Einschnitte, fertig war das Tanktop mit zwei Trägern auf jeder Seite.

Das Nylontop von 2000. Hier wurden zwei übereinander gezogen.
Das Nylontop von 2000. Hier wurden zwei übereinander gezogen.

© Elmar Schwarze

Dieses Top ziert zurzeit die Schaufensterpuppe im Thatchers-Laden in der Kastanienallee – Sonderaktion zum 25-jährigen Jubiläum. Drinnen hängen heute kaum noch Kleider, die nur hoch gewachsene junge Wilde mit knabenhafter Figur tragen können. „Wenn wir so weitergemacht hätten, wären wir nicht mehr da“, stellt Thomas Mrozek trocken fest

Jeanskleid mit Kelchkragen für wilde Mädchen und Jungs (1999)
Jeanskleid mit Kelchkragen für wilde Mädchen und Jungs (1999)

© Kerstin Ehmer

und hebt einen Kleiderbügel mit einer schlicht geschnittenen schwarzen Hose hoch. „Wonderpants nennen wir die, weil sie so gut sitzt“. Er grinst. Es ist ja nicht so, als hätten Thatchers ihren Humor verloren, nur, weil sie sich den Zeitläuften angepasst haben.

Mode für eine Frau, die weiß, was sie braucht

Die Frau, die sie heute einkleiden, ist nicht mehr ganz jung, hat schon eine Ehe hinter sich, braucht Kleidung, in der sie arbeiten kann – und Thomas Mrozek hat sie sogar zusammen mit ihren zwei Söhnen für die neue Kampagne fotografieren lassen. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen, kombiniert ein schwarzes Kleid mit feinen Plissees mit Cowboystiefeln. Mrozek erzählt eine ganze Geschichte um diese „Thatchersfrau“ und weiß, was sie braucht: Outfits, die sie den ganzen Tag und auch zur Abendveranstaltung tragen kann.

Eine weiße Bluse mit breiten Manschetten und großzügigem Kragen, der sich zu einem Matrosenkragen öffnen lässt, ein schwarzes Etuikleid, am Oberkörper verziert mit einer

Lady auf der Leiter. Elegantes Schwarz mit weißen Paspeln (2005).
Lady auf der Leiter. Elegantes Schwarz mit weißen Paspeln (2005).

© Skye Tan

Lage aus dünnem, schwarzem Lederstoff, aus dem Blumenranken ausgestanzt sind – das sieht zugleich elegant und bodenständig aus. Praktikabel, aber viel weicher als das normale Businesskostüm.

Vorbei die Zeiten, als Thatchers als junges Label für den Aufbruch der Mode in Berlin standen. Ihre Entwürfe wurden gern in internationalen Magazinen abgedruckt, um zu zeigen, was in Berlin gerade Aufregendes passierte. Diesen Zustand muss man erst mal überleben und es schaffen, sich eine Zielgruppe zu suchen, die tatsächlich die Kleidung kauft und nicht nur die Designer bejubelt. Zumal Thatchers in einer Zeit groß geworden sind, als es in Berlin weder eine Modewoche mit Messen und Modenschauen noch eine professionelle Infrastruktur gab.

Die ältere Berliner Designer-Generation hat sich mit eigenen Läden etabliert

Vielleicht ist das ja sogar der Grund, warum es aus der Designer-Generation, die sich knapp vor dem Hype um die Modestadt Berlin etablierten, noch so viele gibt. Quasi moda in den Hackeschen Höfen, Herz & Stöhr in Schöneberg, Claudia Skoda in der Mulackstraße, Nix und Hut up in den Heckmann Höfen – alle diese Labels haben eigene Läden, dort machen sie ihren Hauptumsatz.

„Mode kann beschützen und Geborgenheit geben“, sagt Mrozek und zeigt ein anderes kleines Schwarzes, bei dem ein kurzes Cape die Schultern bedeckt. Oder einen zarten, blumigen Überwurf, der die Trägerin einhüllt, ihr aber alle Bewegungsfreiheit lässt. „Halt geben in Schönheit, das kann Mode.“ Die Schönheit beschränkt sich nicht aufs Aussehen; sämtliche Stoffe, ob feste oder zarte, gleiten angenehm durch die Finger. Und Seide gibt es zwar, aber nicht pur, sondern pflegeleicht als Beimischung zur Baumwolle – rein in die Waschmaschine und gut.

Die Fotostrecke für "Audrey´s Secret" wurde im ICC aufgenommen (2008)
Die Fotostrecke für "Audrey´s Secret" wurde im ICC aufgenommen (2008)

© David Eskens

Man merkt es dem Laden in der Kastanienallee an, dass hier seit langem über die Kundin nachgedacht wird. In der Mitte steht ein Tisch mit Kleinigkeiten wie bunten Brillenetuis, in den Regalen liegen Halstücher, auch ein Comicbuch, alles sorgfältig ausgesucht, damit Frauen und auch mal Männer reinkommen. Seit dem Einzug 2001 hat sich die ganze Gegend hier radikal verändert, alles ist schicker, glatter und viel internationaler geworden. Wer da überleben will, muss er selber bleiben, aber gleichzeitig genau schauen, was ankommt. Auch ein Täschchen, ganz aus Reißverschlüssen, hat im Sortiment überlebt – Westberlin Ende der Achtziger lässt grüßen.

Im Laden in der Kastanienallee hängen die Basics und Classics von Thatchers, die experimentellere Couture verkaufen sie in ihrem anderen Geschäft in den Hackeschen Höfen. Sie waren 2002 eins der ersten Berliner Modelabels, die dort einzogen. Da hatten Thomas Mrozek und sein Partner, Ralf Hensellek, sich schon im Pariser Messegeschäft ausprobiert und gemischte Erfahrungen damit gemacht. Sie beschlossen, sich ganz auf ihre Berliner Läden zu konzentrieren. Auf ihre Art prägen sie die Mode in der Stadt seit 25 Jahren mit.

Nach dem Schicksalsschlag musste es weitergehen

Vor drei Jahren wäre es fast aus gewesen, da starb Ralf Hensellek erst 48-jährig an Krebs. Für Thomas Mrozek war das ein harter Schlag. „Wenn dein Geschäftspartner stirbt, dann musst du dich komplett neu erfinden“, sagt er. „Ralf war schriller, impulsiver, kompromissloser als ich. Er fehlt mir immer noch.“ Einer seiner letzten Entwürfe hängt im hinteren Teil des Ladens, ein langes, schmales Kleid mit so großen Abnähern am Halsausschnitt, dass sie aussehen wie Tütchen, und einem sehr, sehr tiefen Rückenausschnitt. Dress Belvedere heißt es in echter Thatchers-Manier.

Moderne Mode, im Renaissancestil präsentiert (2012)
Moderne Mode, im Renaissancestil präsentiert (2012)

© Dan Zoubek

Thomas Mrozek hat den Weg aus der Krise gefunden. Wenn er über Bildstrecken und ein Videoprojekt spricht, merkt man, wie gern er visuell gestaltet. Ursprünglich war er Kostümbildner, derzeit entwirft er die Kleider zu einem Spielfilmprojekt – und natürlich die eigenen Kollektionen. „Wir leben in einer ideen- und visionsarmen Zeit“, findet er. „Da möchte man schon ein bisschen Licht und Freude anbieten.“

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