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Mode: Fazit zur Fashion Week Berlin: Vielfalt zieht uns an

Die Mode in Deutschland ist spannend geworden. Bei der Fashion Week konnte man sich einen guten Überblick verschaffen, wie groß die Bandbreite ist - wenn auch Hugo Boss wieder nicht kam.

DIE STARS DER STUNDE

Der Gewinner ist: Marina Hoermanseder. So schlau, wie sie Kommerzielles mit Kunst mischt und dabei keine Mühen und Kosten scheut, ist schon toll. Wie bei diesem Outfit: der Rock aus gegossenem Kunststoff, besetzt mit Blüten aus Kristallglas, das T-Shirt aus fein gestreiftem Jersey, der bestimmt auch zur Jeans gut aussieht. Es macht Spaß zuzuschauen, wie die Österreicherin ihr Geschäft aufbaut.

Das hat Nobieh Talaei mit ihrem Label Nobi Talai noch vor sich. Am Dienstag musste die 38-Jährige mit ihrer ersten Schau erst einmal die hohen Erwartungen erfüllen, die in sie gesetzt werden. Sie ist, wie Hoermanseder, die erste Designerin, die vom Fashion Council Germany unterstützt wird. Am Montag gewann sie den Nachwuchswettbewerb der Premium. Mit ihrer Schau setzt sie ein eindeutiges Zeichen in Richtung erwachsene Eleganz, die der Modewoche gut tut.

Unser dritter Favorit ist Bobby Kolade. In der vergangenen Saison waren seine Entwürfe in einer seltsamen Zwischenphase; Farben, Materialien, Schnitte schienen ein wenig zusammengeworfen. Jetzt ist daraus eine mutige und dennoch stimmige Kollektion entstanden.

DIE NEWCOMER
Davon hat Berlin ja immer was zu bieten. Auch wenn es nicht ihre erste Schau war, rechnen wir die Berlinerin Louise Friedländer dazu. Was sie im Sommer begann, setzte sie jetzt fort, wie sie Materialien und Schnitte zusammenpuzzelt, ist bemerkenswert.

Die erste Schau auf großem Laufsteg zeigte Maisonnoeé, ebenfalls aus Berlin. Das Label konzentriert sich auf schwarzes Nappaleder und kombiniert es mit monochromen Farben, erst Rot, dann Blau, dann Olive. Die Ambitionen sind an der aufwändigen Verarbeitung abzulesen, die bei Leder anspruchsvoller ist als bei vielen Stoffen.

Julia Leifert mit ihrem Label Philomena Zanetti blieb mit ihrer ersten Präsentation sehr zurückhaltend, dafür ist ihre Haltung sehr eindeutig, sie macht ausschließlich nachhaltige Mode. Komplett aus der Reihe fiel Sample-CM. Zwanzig Kleidungsstücke hingen im Raum, die zwei Anziehhilfen einem Model an- und wieder auszogen. Das war nach einem langen Tag voller schneller Schauen wohltuend langsam und ließ einem Zeit, über Mode im allgemeinen nachzudenken.

So hat sich das die Designerin Margot Charbonnier auch vorgestellt: Sie will die Grenzen zwischen Mode, Kunst und Soziologie ausloten. Das ist das Tolle an der Berliner Modewoche: Immer wieder neue, unterschiedliche Ansätze gibt es hier zu bestaunen.

DEUTSCHE GRÖSSEN
Vor rund einem Jahr hatte die Berliner Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer angekündigt, sie wolle kämpfen, dass Hugo Boss wieder auf der heimischen Fashion Week zeigt. Lange Zeit war Boss das einzige international relevante Label, das in Berlin zeigte. Passiert ist trotz Yzers Einsatz bisher nichts, die baden-württembergische Marke präsentiert weiterhin in New York.

Doch einige bekannte Häuser halten Berlin weiterhin die Stange, und diese Saison sind weitere dazu gekommen. Die Neuankömmlinge Baldessarini und Sportalm oder Alteingesessene wie Marc Cain und Dorothee Schumacher können vielleicht nicht ganz mit der Bekanntheit von Hugo Boss mithalten, trotzdem reicht ihre Stahlkraft weit über die Grenzen Berlins hinaus. Baldessarini hat als Tochterunternehmen von Hugo Boss angefangen und wird seit zehn Jahren unabhängig geführt. Verkauft wird in an rund 40 Ländern, das Budget ist entsprechend großzügig. Jeder Schnitt der neuen Kollektion „Road Warrior“ sitzt exakt, die Materialien sind von hoher Qualität.

Das Wintersportlabel Sportalm aus Kitzbühel ist in Geschäften im gesamten deutschsprachigen Raum sowie in Osteuropa vertreten, seit Neuestem auch in den USA. Chefdesignerin Ulli Ehrlich zeigte Anoraks mit Fellbesatz, verschrieb sich mit leichten Seidenkleidchen darunter aber auch dem Trend zum „Saisonlosen“ (siehe Bilderleiste oben).

Marc Cain hat nur in Deutschland Geschäfte, davon aber fast 500. Designerin Karin Veit scheint Alessandro Michele von Gucci gut zu finden (siehe Bilderleiste oben). Dorothee Schumacher ist der Darling der deutschen Ausgabe der Vogue. Die Düsseldorferin, die ihre Marke in Mannheim führt, macht recht luxuriöse Mode und verkauft in etwa 30 Ländern. Im Stil der siebziger Jahre zeigte sie Kleider in Maxi und Mini, mit Streublumen verziert und überdimensionierten Schals kombiniert.

DIE ZUVERLÄSSIGEN 

In der Mode kann man sich eigentlich auf nichts verlassen, auf der Berliner Fashion Week schon. Einige Labels zeigen hier quasi jede Saison, auch wenn sie längst mit anderen Städten liebäugeln. Augustin Teboul zum Beispiel haben schon einige Saisons in Paris gezeigt, aber trotzdem auch in Berlin immer präsentiert. Überraschendes gab es diesmal schon, Farbe zum Beispiel. Annelie Augustin und Odély Teboul verwenden eigentlich fast nur Schwarz, allenfalls mal einen Nude-Ton, haben in dieser Saison mit bunten Stäbchenperlen und glitzernden Pailletten aber deutlich mehr Farbe bekannt. Trotzdem strahlte auch diese Linie Verlässlichkeit aus. Eine Vorliebe für netzartige Strickwaren, feingliedrige Stickereien und eine gewisse Ähnlichkeit zu den Entwürfen der amerikanischen Rodarte-Schwestern ist der neuen Augustin Teboul-Kollektion geblieben.

Mit asymmetrischen Schnitten, der textilen Dekonstruktion und der durch die Belgierin Ann Demeulemeester geprägten Ästhetik des Unfertigen blieb auch Vladimir Karaleev bei seiner Präsentation am Donnerstag auf der verlässlichen Seite. Wie Augustin Teboul zeigt auch er in Paris und Berlin.

Leyla Piedayesh zieht es eher nach Skandinavien: Sie präsentiert ihre Marke Lala Berlin gern in Kopenhagen. In Berlin aber auch, es muss ja nicht immer gleich eine richtige Modenschau sein. Dieses Mal gab es nur einen Film und eine kleine Ausstellung im Berliner Modesalon. Das Herz der in Teheran geborenen Designerin hängt an dem traditionellen Kufiya-Muster. Das klassische Muster der traditionellen Kopfbedeckung, auch als Palästinensertuch bekannt, interpretiert Piedayesh jede Saison neu.

Das Duo Perret Schaad zeigt jede Saison wieder Kleider, die Wohlgefallen auslösen. Und sie mögen ungewöhnliche Orte. Dieses Mal ließen sie ihre Models mitten am Tag durch einen Heimwerkermarkt laufen. Deshalb schauten nicht nur geladene Gäste, sondern auch rot gekleidete Mitarbeiter und Kunden zu. Und es gab zarte Muster, dazu kamen Goldlamé und olivefarbener Seiden-Crepe de Chîne und Angorastrick.


DIE STAMMGÄSTE 

Mit seinen Gästen geht Berlin manchmal recht ruppig um, doch die Fashion Week empfängt ihre Gäste mit offenen Armen. Manche fühlen sich hier so wohl, dass sie jede Saison einen Stopp auf der Berliner Modewoche einlegen, Marcel Ostertag zum Beispiel. Der Münchner ist aus dem Programm der Fashion Week gar nicht mehr wegzudenken. Die letzten Jahre hat er einen Wandel vollzogen, in seinem Atelier in München und auf dem Berliner Laufsteg. Eigentlich experimentierte Marcel Ostertag viel mit grafischen Schnittführungen und extremen Farbkombinationen, meistens in schmaler Silhouette. Die letzten Saisons schlug er leisere Töne an, auf seiner Schau am Dienstag reichten die Nuancen von Crème, Hellblau und Rosa bis zu tiefem Bordeauxrot. Die Schnitte waren weit, die Materialien fließend. Das passt zu Berlin.

Genau wie die Mode von Dimitir. Dimitrios Panagiotopoulos reist jede Saison aus Meran in Südtirol an. Am Donnerstag zeigte er zwar wie gewohnt auch festliche Kleider, die hier allenfalls zur Berlinale Verwendung finden, seine gefährlich kurzen Minikleider und glitzernden Teile kann man sich aber auch in der Oranienstraße oder im Berghain vorstellen. Anne Gorke kommt zu jeder Fashion Week aus Weimar, als Gastgeschenk hat sie immer viele Koffer voll bunter Kleider dabei. Gorke zeigt gern aufwändige Drucke, am Freitag gab es lange Kleider mit Herbstlaub-Dessins.

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