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Hier und dort. Links eine rumänische Bluse, rechts ein rumänischer Mann.

© promo, Albrecht Fuchs

Moderne Trachten: Die Frau mit dem Schnüffelgen

Wie aus der Suche nach einer bestickten Bluse für Katharina Koppenwallner eine Lebensaufgabe wurde.

Katharina Koppenwallner ist nach Rumänien gefahren, weil sie eine Bluse suchte. In Deutschland hatte sie nur eine billige Kopie bei einer Bekleidungskette entdeckt, sie wollte eine bestickte aus Baumwolle. Sie kaufte sich einen Reiseführer, las alles über die abgelegenen Gegenden in Rumänien und fuhr hin. Und sie fand nicht nur Blusen, sondern auch die Frauen, die Stoffe besticken, wie schon ihre Mütter und Großmütter. Katharina Koppenwallner ist Kunsthistorikerin und sie stattet Werbefilme mit Kostümen aus. Als sie Blusen mit nach Deutschland brachte und sie ausstellte, merkte sie, dass sie genau das gefunden hatte, was sie machen wollte – Kleider dort suchen, wo sie eine Geschichte haben, und gerade deshalb getragen werden. Und sie dann in Deutschland zeigen und verkaufen. Das war vor drei Jahren. Seitdem reist sie an abgelegene Orte, wo sie schöne Kleider vermutet: „Ich habe das Schnüffelgen.“ Und sie hat dabei eine Faustregel: Immer in die Berge, immer zu den Minderheiten. Sie war bei den Yao in Vietnam und bei der ungarischen Minderheit im rumänischen Kalotaszeg, dort kaufte sie bestickte Schürzen und in China indigogefärbte Jacken. Sie verändert fast nichts an der Kleidung, manchmal schließt sie eine Naht, entfernt Flecken. Viele der Stücke sind so schön, dass man sie einfach nur betrachten will, wie die mit Blüten und Erdbeerpflanzen bestickten Schürzen, die in steife Falten gelegt und aus Stoffen gefertigt wurden, denen man anmerkt, aus welcher modischen Epoche sie stammen. Oder das chinesische Kinderjäckchen, das aus sechs übereinander gelegten Schichten in verschiedenen Blautönen besteht, die jeweils untere Kante schaut an Ärmeln und Säumen hervor, damit man genau erkennt, wie gut es das Kind hat. Denn je mehr Schichten, desto reicher ist die Familie, desto weniger frieren muss der Träger und desto weniger bewegen muss er sich. Katharina Koppenwallner möchte genau dieses Wissen weitergeben, aber sie hat auch nichts dagegen, wenn ihre Fundstücke getragen werden, gern auch zu Jeans. „Ich suche nicht nach den total authentischen, aus besten Materialien hergestellten Stücken.“ Sie nennt es Kulturarroganz, wenn man etwas in diesen oft armen Gegenden sucht, was authentisch, unverfälscht und wertig sein soll. „Ich kaufe gerne Dinge, in denen sich die Moderne eingeschlichen hat und ich habe nichts gegen Polyester.“ Fellweste, Anorak, Jogginghose ist so eine typische Kombination, die ihr gefällt. Bevor sie verreist, recherchiert sie, welche Trachten es gibt und wo sie zu finden sind. Jetzt würde Katharina Koppenwallner gern nach Peru fahren, aber sie hat etwas getan, das ihre Reiselust bremst: Sie hat einen Laden mit all ihren Kleidern eröffnet. Aber vielleicht fährt sie bald wenigstens mal wieder kurz nach Bangkok oder nach Rumänien – mit einer Gastarbeiterairline ab Dortmund. Da darf man besonders viel Gepäck mitnehmen. Und wenn die Blusen gut laufen, hat Katharina Koppenwallner bald auch ein Problem. In Ungarn sticheln nur noch die Omas. „Alles was ich anbiete, ist endlich.“

Die Trachten von International Wardrobe kann man in der Almstadtstraße 50 in Mitte kaufen. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag von 12 bis 20 Uhr.

Infos: www.internationalwardrobe.com

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