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Kugelrund und stachlig: der Igelfisch.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (47): Der Igelfisch

Getrocknet und aufgeblasen hängt er in vielen Souvenirshops. Dabei macht sich der Fisch nur größer, wenn er erregt ist - oder die Putzkolonne kommt.

Den Fisch kennt jeder. Der Igelfisch ist der stachlige Luftballon, der in manchen Pizzerien von der Decke hängt. Manchmal erwischt es auch seinen Verwandten, den Kugelfisch. In Andenkenläden dieser Welt ist der Igelfisch zu finden, falls sich ein warmes Meer in der Nähe des Andenkenladens befindet. Er ist dann getrocknet und aufgeblasen, und es ist ein Jammer, ihn so zu sehen.

Lebende Igelfische sind reizende Geschöpfe. Im Berliner Aquarium gehören die beiden Exemplare zu den Publikumslieblingen. Warum? Weil sie große, melancholische Augen haben und mit ihrem Köpfchen perfekt in das menschliche Kindchenschema hineinpassen. Ein Hollywood-Regisseur könnte jederzeit diesen Fisch zum Helden einer anrührenden Geschichte machen, im Stil von „Findet Nemo“. Alle würden dahinschmelzen. Außerdem reagieren sie auf Menschen. Wenn der Pfleger mit dem Futter kommt, werden sie wuschig und scharwenzeln herum wie junge Hunde. Sie fressen aus der Hand, meist Krebstiere, die sie mit ihren Mäulchen aufknacken, die ein bisschen an einen Schnabel erinnern.

Die Menschen jagen den Igelfisch, er scheint uns trotzdem zu mögen. „Wenn ich das Becken reinige“, sagt der Reviertierpfleger Christian Heller, „verhalten die Fische sich kooperativ.“ Sie machen bereitwillig Platz, greifen nicht an, sie scheinen einfach nur freundlich und neugierig zu sein. Und lernfähig. Aus welcher Richtung der Pfleger mit dem Futter kommt, kapieren sie schnell. Wenn er ab morgen aus einer anderen Richtung käme, dann könnten sie sich schnell umstellen. Mit Bezeichnungen wie freundlich, neugierig und lernfähig nimmt man natürlich die menschliche Perspektive ein. Was wissen wir schon über das Seelenleben der Fische? Eigentlich gar nichts. „Sie sehen uns“, sagt Christian Heller, „sie kriegen mit, was außerhalb des Aquariums passiert.“

Igelfische sind groß, 50 Zentimeter vom Kopf bis zum Schwanz, und mehr. Für ein Privataquarium ist das in der Regel zu viel. Der Fisch stellt seine Stacheln nur auf und verwandelt sich in einen Ballon, wenn er aufgeregt ist. In Berlin ist dies in den frühen Morgenstunden der Fall, wenn das Putzkommando kommt. Ob ihn der Anblick der Putzkolonne ärgert oder in Euphorie versetzt, weiß niemand. Die beiden Berliner Igelfische stammen aus der Karibik. Im Aquarium vermehren sie sich bisher nicht. Männchen und Weibchen sind äußerlich nicht zu unterscheiden, auch das macht die Zucht schwierig. Ob die Berliner Fische Männchen oder Weibchen sind oder ein Paar, weiß nicht einmal der Pfleger.

Sie sind keine Langstrecken-Schwimmer. Ihren Stammplatz am Riff verlassen die meisten der 22 Igelfisch-Arten nur ungern. Dort bewegen sie sich im Stil eines langsamen Hubschraubers hin und her und beobachten mit ihren Babyaugen aufmerksam, was vorgeht. Der Igelfisch ist nur wehrhaft, wenn seine Stacheln ausgefahren sind. Passt er nicht auf, packt ihn von hinten ein Hai. Davon stirbt er nicht aus. Leider ist es aber so, dass an vielen Küsten die Fischer mehr Geld mit dem Fang von sinnlosen Souvenirs verdienen als mit Fischen, die wenigstens gegessen werden. Deshalb ist der Igelfisch bedroht, obwohl er nicht einmal gut schmeckt.

IGELFISCH IM AQUARIUM

Lebenserwartung:  vermutlich 10 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich zwischen 10 und 10.30 Uhr

Interessanter Nachbar: Zackenbarsch

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