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Hotel Angleterre. Das Neo-Renaissance-Gebäude wurde 1891 vom Architekten Gustav Knoblauch errichtet.

© promo/facebook.com/Angleterre.Hotel.Berlin/

Hotelkolumne: In fremden Federn: Eine Nacht im Angleterre

Das Haus in der Friedrichstraße könnte als Batman-Kulisse herhalten. Auch die Hotelbarkarte klingt vielversprechend.

Wo bitte ist das? Die Frage stellten sich nicht wenige Berliner, als 2015 „Victoria“ ins Kino kam. Ganz am Anfang des Films nimmt die Protagonistin ihre Bekanntschaft mit in ein Café. Auf den Drehort Friedrichstraße tippten die wenigsten.

Wer mit der Einkaufsstraße vor allem Escada, die Galeries Lafayette und Montblanc verbindet, hat selten Kenntnis vom Kreuzberger Anhängsel südlich der Kochstraße, wo Kik, Ein-Euro-Shop und das Zentrum für Transzendentale Meditation zu Hause sind.

Doch die Straße aus dem Film ist ja auch schon wieder Geschichte. Gegenüber vom Café Wilhelm & Medné, wo noch ein gerahmtes Filmplakat an die Produktion erinnert, zieht die „Taz“ ihr neues Bürogebäude hoch, der Theodor-Wolff-Park wird derzeit für mehr als eine halbe Million Euro generalüberholt, und das inzwischen michelinbesternte „Nobelhart und Schmutzig“ hatte bei Drehschluss auch noch nicht auf. Was Adelbert von Chamisso wohl dazu gesagt hätte, der anno 1838 am Ort der heutigen Hausnummer 235 verschied? „Mich ärgern höchlich alle die Versuche, die Welt von Ost in West zurückzudrehen“ ...

Die Karte der Hotelbar klingt vielversprechend

Inmitten all des Wandels ruht stoisch die Fassade des „Hotel Angleterre“. Sie ist fast so alt wie Chamisso bereits tot. 1891 begann Gustav Knoblauch die Arbeit an dem Neo-Renaissance-Bau, dessen mit Giebeln, Türmchen, Erkern und steinernem Gargoyle verzierte Fassade jeden „Batman“-Film schmücken würde. 1893, dem Jahr als Paul Lincke im Apollo-Theater schräg gegenüber Kapellmeister wurde, zog hier die Basel Feuerversicherung ein, 1924 die Schweizer Botschaft.

Das Apollo überlebte den Zweiten Weltkrieg nicht, auch Knoblauchs Bau wurde zu großen Teilen weggebombt. Nur die Fassade blieb stehen, hinter der sich seit 2004 das „Hotel Angleterre“ verbirgt. Dem Namen und seinem Klang von Kolonialzeit kommt das Vier-Sterne-Haus mit roten Teppichen, schweren Ledermöbeln im historischen Treppenhaus und gemalten Weltkarten in der Lobby nach. Die 156 Zimmer selbst, die zum Großteil im Neubauflügel liegen, sind mit hellem Holz jedoch wesentlich weniger herrenzimmermäßig eingerichtet.

Es ist ein lauer Abend. Die Läden hier unten schließen trotzdem früh. Also auf den Balkon und vom Sessel aus dem Wandel und den Beamten vom Abschnitt 53 gegenüber beim Ausrücken zuschauen. Aber halt! Versprach die Karte der Hotelbar „Charlie’s“ nicht reichlich Kennerschaft in Sachen Craft Beer? Lieber nochmal los. Am Ende hatte Chamisso doch recht: „Lasset uns des flücht’gen Tags genießen, Gilt’s vielleicht doch morgen schon zu sterben!“

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