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Unsere Kolumnistin sucht bei dm die Fingervibratoren.

© promo

Maris Hubschmid traut sich was: Hallo, wo finde ich das Sexspielzeug?

Bei dm gibt es nun auch Sexspielzeug. Wie fühlt es sich an, am helllichten Tag und in aller Öffentlichkeit einen Vibrator auf das Kassenband zu legen?

Von Maris Hubschmid

Herrje, jetzt hat sie mich missverstanden. „Holzspielzeug...“, murmelt die Angestellte, runzelt die Stirn und blickt sich suchend um. Offenbar habe ich zu leise, vermutlich zu verschämt gesprochen. Nun wird es umso unangenehmer. Ich räuspere mich, wiederhole lauter: „Nein, nicht Holzspielzeug – SEXspielzeug.“

Was haben Ikea und die Drogeriekette dm gemeinsam? Stimmt, Servietten und Teelichter. Und: Immer verbringe ich dort mehr Zeit, als ich vorhatte. Und: Beide führen Artikel, die man nicht erwartet hätte. Ikea zum Beispiel Fahrradhelme. Dm Fingervibratoren.

Seit Juli kann man in den Filialen Produkte des Berliner Online-Sexshops „Amorelie“ kaufen. Zielgruppe sind „moderne Paare, die nicht in einem schmuddeligen Sexshop stöbern wollen“. Gewissermaßen ist die Platzierung auch ein Gegenentwurf zu den Geschäften von Beate Uhse, wo Lovetoys in einem Ambiente aus rotem Synthetikplüsch, Lack und Leder angeboten werden.

Sie stattdessen zwischen Babywindeln und Biobaumwollbodys zu packen, nimmt der Erotik den Flüsterton. Es verlagert die Lust aus schummerigen Hinterzimmern in die Normalität des Alltags. Oder? Wie leicht fällt es wirklich, mal eben in der Mittagspause und in aller Öffentlichkeit Liebeskugeln auf das Kassenband zu legen?

"Aber er spürt auch mehr"

Erste Hürde: Ich kann sie nicht finden. „Ach, Sexspielzeug“, sagt die Mitarbeiterin. Ist da ein pikierter Unterton? Nein, sie scheint bloß erleichtert, dass sie die Antwort weiß.

„Hier hatte ich schon geguckt“, werfe ich ein, als sie mich zu den Kondomen führt. „Da ist tatsächlich einiges ausverkauft“, stellt sie fest. Ihr Blick sucht die unteren Regalreihen ab, der Zeigefinger fährt über das Schild „Skipper Rabbit Vibrator Strawberry“. „Ich kann schauen, ob der noch im Lager ist. Ansonsten sind hier die Penisringe“, zeigt sie.

„Kennen Sie sich aus?“, platzt es aus mir heraus. Wie wird sie reagieren? „Es geht“, antwortet sie. Im nächsten Moment tippt sie auf eine Schachtel mit der Aufschrift „Tide Penisring mit Vibration“. „Ich würde mich immer hierfür entscheiden.“ Sie zwinkert. „Da haben Sie mehr davon.“

Gemeint ist: als vom schlichteren Konkurrenzteil. Ich begutachte die mintfarbene, minimalistisch gestaltete Packung. „Verwöhnt die Klitoris“, lese ich. „Aber er spürt auch mehr“, erklärt sie – und fügt lächelnd hinzu: „Sagt zumindest mein Partner.“

Fingervibratoren und Hochleistungshasen

Ich bin völlig geplättet. Mustere diese Frau, die mich mit größtmöglicher Selbstverständlichkeit und Kompetenz berät. Anfang, Mitte 30 vielleicht, groß, sportlich, dunkler Teint. Die schwarzen Haare hat sie gekonnt nach oben gebunden. „Wie ist es denn mit Umtausch?“, erkundige ich mich vorsichtig. Wäre das nicht der Moment, loszulachen? Ich jedenfalls finde die Frage ziemlich peinlich.

Sie aber bleibt total professionell. „Wenn was kaputt ist, klar – einfach den Bon aufbewahren. Ansonsten entscheidet die Filiale von Fall zu Fall“. „Dann wahrscheinlich nur in unbenutztem Zustand“, hake ich nach. „Ich denke, ja“, entgegnet sie.

Ich befrage sie noch zu den Fingervibratoren („kann man machen, sind nicht so teuer wie der Rabbit, aber der hat halt mehr Leistung“). Ein Plauderton stellt sich ein, als lümmelten zwei Freundinnen zusammen auf der Couch. „Vielen Dank“, sage ich schließlich. „Viel Spaß“, wünscht sie.

Dreht sich um und steht drei weiteren Damen gegenüber, die sich von uns unbemerkt der kleinen Führung angeschlossen haben. „Können Sie noch was zu den Gleitgels sagen?“, fragt eine etwa 50-Jährige. „Klar. Wobei ich da auch unser Online-Sortiment empfehle, da gibt es ausgefallenere Sorten“, sagt sie. „Zum Beispiel Salted Caramel.“ „Dann gucke ich dort“, sagt die Frau sofort.

Dieser Text erschien zunächst am 6. August 2017 im Rahmen der Kolumne Maris Hubschmid traut sich was im gedruckten Sonntagsmagazin.

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