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Unfall: Der kritische Bereich von "Wetten, dass...?"

Nach dem schweren Unfall in der Liveshow "Wetten, dass...?" denkt das ZDF über Konsequenzen nach. Hat der Sender Fehler gemacht?

„Wetten, dass...?“ versteht sich als Familienshow, mit einer Mischung aus prominenten Gästen auf dem Sofa, Showacts und Wettspielen. Am Samstagabend wurde in Düsseldorf aus der Unterhaltungsevent großer Ernst. Der 23-jährige Samuel Koch wollte mit Sprungfedern wie ein Känguru über ihm entgegenfahrende Autos hüpfen. Zweimal gelang es ihm, ein Versuch missglückte, dann rollte der Audi mit seinem Vater am Lenkrad los. Bei seinem Salto touchierte Koch das Auto und landete brutal auf dem Oberkörper. Die Show wurde abgebrochen, zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Samuel Koch wurde auf die Intensivstation des Uniklinikums Düsseldorf gebracht. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut kündigte anschließend an, der Sender werde den Unfall „gründlich untersuchen und Lehren daraus ziehen“. Bellut lobte zugleich Moderator Thomas Gottschalk, der „mit dieser schwierigen Situation sehr gut umgegangen“ sei. Ein ZDF-Sprecher sagte, die Redaktion stehe in engem Kontakt zur Familie des Verletzten.

Wie geht es Samuel Koch?

Sein Zustand ist nach Klinik-Angaben kritischer als nach dem Unfall gehofft. Der 23-Jährige habe eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule, sagte der ärztliche Direktor der Uniklinik Düsseldorf, Wolfgang Raab, am Sonntag. Auch das Rückenmark sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Raab sprach außerdem von Lähmungserscheinungen. Zwar bestehe keine akute Lebensgefahr, der Patient sei aber in „ausgesprochen kritischem Zustand“, erläuterte Raab. Er sei einer Notoperation unterzogen worden und befinde sich im künstlichen Koma. Zu möglicherweise bleibenden Schäden wollte sich Raab nicht äußern.

Ist Koch ein zu großes Risiko eingegangen?

Samuel Koch stammt aus dem südbadischen Efringen-Kirchen. Er studiert an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Der junge Mann wird als durchtrainiert, als Hobby-Kunstturner beschrieben. Ein bisschen Geld verdient der Student als Akrobat und Stuntman. Seine Salto-Wette für die ZDF-Show hatte er vor der Live-Sendung mehrfach geprobt. Dabei sei er bereits zweimal schwer gestürzt, sagte der Wettkandidat der „Badischen Zeitung“ in einem Interview vor der Show. Moderator Gottschalk hatte dagegen betont, bei den Proben sei eigentlich alles gut gegangen.

Wie werden die Wettideen ausgewählt?

Prinzipiell steht die Show für nahezu jede Wette offen. Nach ZDF-Angaben gehen für jede Sendung bis zu 150 Vorschläge ein. Eine Vorauswahl treffen die Show-Redaktion im ZDF und die Produktionsfirma. ZDF-Sprecher Alexander Stock sagte am Sonntag, „alle Wetten werden von Redaktion, Produktion und einem Sicherheitsingenieur des ZDF erst nach intensiver Begutachtung freigegeben“. Das ZDF werde den Ablauf und die Ursachen des Unfalls überprüfen und daraus Konsequenzen bei der Wett-Auswahl ziehen.

Wie erfolgreich ist „Wetten, dass...?“

Die Show wird seit 1981 im deutschsprachigen Raum ausgestrahlt, sie gilt als die erfolgreichste ihrer Art in Europa. Entwickelt und zuerst präsentiert von Frank Elstner wird „Wetten, dass...?“ seit 1987 (mit kurzer Unterbrechung) von Thomas Gottschalk moderiert. Seit Oktober 2009 assistiert ihm Michelle Hunziker als Co-Moderatorin während der 180 Minuten (mit Überlänge). Vermarktet wird die Sendung von der Dolce Media AG, Geschäftsführer ist Gottschalks Bruder Christoph. Die Show, gefeiert als das „letzte Lagerfeuer der Fernsehgesellschaft“, konnte stets mit herausragenden Millionen-Quoten triumphieren, bei mancher Ausgabe in den 80er Jahren kam dieses XXL-Fernsehen auf über 20 Millionen Zuschauer. Allerdings ist der Zuspruch seitdem langsam und jüngst deutlich gefallen. Die Februar-Ausgabe 2010 markierte mit 7,80 Millionen das Allzeittief der bislang 192 Sendungen.

Wie wirkt sich der steigende Wettbewerb mit der privaten Konkurrenz aus?

Der Publikumsschwund reflektiert die gestiegene Konkurrenz der privaten Sender, allen voran RTL. Dem kommerziellen Programm ist es mit der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ und jetzt mit dem Format „Das Supertalent“, das mit seinen Kandidaten sehr genau auf „Wetten, dass...?“ zielt, gelungen, dem ZDF-Showdino das junge Publikum abspenstig zu machen. Auch ProSieben hat mit Stefan Raab, seinen „TV Total“-Ablegern und „Schlag den Raab“, beim „Wetten, dass...?“-Klientel gewildert. Für die Zielgruppen des werbefinanzierten TV sind diese Formate ein Einschaltargument. „Wetten, dass...?“ gilt bei den 14- bis 49-Jährigen als Angebot für Großeltern und Enkel. „Das Supertalent“ hatte am Samstag 8,34, „Wetten, dass...?“ bis zum Abbruch 8,13 Millionen.

Werden die Wetten gefährlicher?

Seit längerem schon lautet ein Vorwurf, den man an „Wetten, dass...?“ macht: Die Wetten seien langweilig, unspektakulär, zu einfach, zu dumm. Sie würden keine Rolle mehr spielen, nicht mehr im Mittelpunkt stehen in einer Show, in der die Prominenten nur noch ihre Dutzendware aus Film, Fernsehen und Popmusik vermarkten wollen. Und es kann sein, dass da Druck war, den die Verantwortlichen spürten. Der Druck, mithalten zu wollen gegen vermeintlich spektakuläre neue Showformate der privaten Konkurrenz. Es sieht so aus, als habe das ZDF im Quotenkampf bei den Wetten an der Schraube gedreht – spektakulärer, circensischer, vom Kitzel hochgezogen zum Nervenkitzel. Gottschalk hat die Verschärfung bejaht: „Sagt man, wir wollen jede Gefahr vermeiden? Dann sind wir bei einem Kindergeburtstag und blasen Kerzen aus. In einer Situation, wo die Konkurrenz größer wird.“ Dass er aber eine zu gefährliche Wette zugelassen habe, das verneinte Gottschalk. „Den Vorwurf, wir hätten unter Konkurrenzdruck eine unverantwortliche Wette ins Programm genommen, möchte und muss ich zurückweisen“, sagte Gottschalk der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir hatten immer schon riskante Wetten, ob mit Motorrädern oder auf Skisprungschanzen. Das ist ein Teil des Programms.“ Bisher gab es in drei Jahrzehnten Showgeschichte erst drei erwähnenswerte Unfälle. Der bis Samstag schwerste passierte Oktober 2008, da brach sich ein Amerikaner ein Bein beim Versuch, mit einem BMX-Rad über ein Einfamilienhaus zu springen.

Hat Gottschalk richtig reagiert?

Nach dem Sturz von Samuel Koch am Samstag brach Thomas Gottschalk in Absprache mit der ZDF-Spitze seine Sendung ab. „Wir wollen nicht auf heiter machen, wenn wir nicht heiter sind“, sagte der 60-jährige Bamberger zum Publikum. Wenn Samuel Koch ernsthaft zu Schaden komme, müsse man sich „ernste Gedanken machen, inwieweit man diese Sendung mit der gleichen Unbedarftheit fortführen kann“.

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