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Mobile Mode: Auch beim Radfahren kommt es auf den Stil an

Stilvolle Räder sind Statussymbole für gut verdienende und an Design interessierte Stadtbewohner. Dabei kommt es vor allem auf schlichte, klare und klassische Optik an, das heißt: je weniger sichtbare Technik desto besser.

Das Fahrrad ist das neue Symbol eines zeitgemäßen und aktiven Lebensstils. Gefragt sind Leidenschaft statt Leistung, Stil statt Speed, Eleganz statt Exerzitien. Ob Designbikes oder Cruiser, Reise- oder Rennrad – die Wahl ist Ausdruck des eigenen Selbstverständnisses.

Vor allem Fixies und Singlespeeds, Räder ohne Gangschaltung und Bremsen, haben dem Fahrrad und seiner Ästhetik einen enormen Entwicklungsschub beschert. Diese Räder sind mit ihrer schlichten, klaren und klassischen Optik so begehrt wie die schönsten Autos. Je weniger Technik die eleganten Linien eines Fahrradrahmens bricht, desto besser – also her mit Nabenschaltungen, Nabendynamos und im Rahmen verlegten Kabeln. Noch eleganter sind eigens entwickelte Gabelköpfe, Lampen oder Gepäckträger. So, wie Schuhe den Look der Kleidung bestimmen, sorgen Sättel, Komponenten und Accessoires beim Rad für die derzeit gefragte Prise Nostalgie.

Solche stilvollen Räder sind Statussymbole für gut verdienende und an Design interessierte Stadtbewohner. Die Käufer sind oft erfolgreiche Männer, die vom Leben mehr erwarten als Golf spielen. Architekt Norman Foster, Modedesigner Paul Smith, Mick Jagger oder der Gründer von Starbucks, Howard Schultz. In Berlin zeigten sich Wim Wenders oder Fotograf André Rival mit ihren Rädern. Ein gutes Mountainbike verspricht laut jüngsten Umfragen inzwischen mehr Status als ein VW Golf.

Zum Stilbewusstsein tritt das gute Gewissen: Das Rad ist das günstigste, flexibelste und auf Strecken bis zu fünf Kilometern schnellste Verkehrsmittel in der Stadt. Es ist gut für die Gesundheit, fürs Portemonnaie, für die Umwelt und fürs Gemüt. Fahrradfahren ist auch ein kleiner Akt der Anarchie im Alltag. Am Wochenende geht es raus aus der Stadt in die Natur: Eine Stunde mit dem Zug und die Erholung beginnt, ganz wie British Rail dafür schon 1955 in einem Film warb, der heute bei Youtube unter „Cyclists' Special“ zu finden ist.

Doch es ist nicht leicht, heute genauso stilvoll wie 1955 auszusehen. Hautenge, knallbunte und mit Sponsorennamen übersäte Trikots versprechen zwar weniger Luftwiderstand, aber auch weniger Stil. Und mit reflektierenden Westen wird man gesehen – nur wer will in einer solchen Weste gesehen werden?

Alternativen bieten einige neue Kleidermarken wie Outlier, SWRVE, Bleed, Osloh, Triple2, Rapha oder Dirt Foundation sowie Blogs wie Copenhagencyclechic.com. Dabei hat Rapha den Anspruch, die schönsten und besten Radkleider und -accessoires zu bieten. Inspiriert ist die hochwertige Kollektion von der Ästhetik der Tour de France und des Giro d'Italia der fünfziger und sechziger Jahre. Realisiert wird sie mit Merinowolle oder Funktionstextilien von Schoeller.

In diesem Herbst will das 2004 gegründete Unternehmen Radkleidung für die Stadt, eine Jeans und eine deutschsprachige Webseite präsentieren. Durch Aktivitäten wie das Magazin Rouleur, das Rennteam Rapha Condor, Radreisen, Pop-up-Stores und Kooperationen mit Paul Smith oder dem Schneider Timothy Everest aus der Londoner Savile Row ist Rapha einer der wichtigsten Impulsgeber für die Radkultur geworden.

Hauptstadt der Bewegung ist London – die Verkehrsnot an Themse macht erfinderisch. Alleine in einer Woche haben drei schicke „Cycle Cafés“ eröffnet. Der Tweed Cycling Club ist für britische Radfahrer das, was Slow Food für die Gastronomie ist – das neue Selbstbewusstsein will gefeiert sein.

Joachim Schirrmacher

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