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Verstehen sich gut. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Ungarns Regierungschef Viktor Orban.

© dpa

Seehofer und Merkel: Einer muss es ja tun

Seehofers Widerstand in der Flüchtlingsfrage schadet Merkel? Das kann man auch anders sehen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es ist so einfach, gegen Horst Seehofer zu poltern. Oder auch nur gegen ihn zu sein. Er macht es einem doch auch so einfach. In der Flüchtlingsfrage vertritt er eine Position quer zu allen, oder vielen, ganz besonders aber zur großen Mutter, zu Angela Merkel. Ist sie nicht die Kanzlerin der Herzen? Da wirkt er wie der Beelzebub aus Bayern. Aber ganz so einfach ist es eben nicht. Seehofer hat von Amts wegen schon auch einige Pflichten. Zum Beispiel die, auf die Belange seines Bundeslandes zu achten und Schaden von ihm zu wenden. Schaden, nicht nur für Bayern, entstünde, wenn aus der Euphorie um die Willkommenskultur eine Abwehr würde – schlicht weil es Vielen zu viel wird und nicht mal einer wie der Regierungspräsident von Oberbayern, der bei Edmund Stoiber in die administrative Schule gegangen ist, der Sache einfach Herr wird.

Manches, das ans Herz rührt, muss auch beherzt administriert werden

Ach ja, Sache – wenn das jetzt Seehofer gesagt hätte, dann hätte es sofort wieder geheißen, er sei kalt und hart und sowieso rechts. Ist er aber nicht, nie gewesen, der Ex-Sozialstaatssekretär, der Ex-Präsident des VdK, der Ex-Gesundheitsminister. Seehofer war immer, nur so zur Erinnerung, näher bei Norbert Blüm als bei Helmut Kohl; immer näher beim (späten) Heiner Geißler und bei – ja, auch – Willy Brandt. Geißler und Brandt, beide bewundert er. Nur muss manches, das ans Herz rührt, dann auch beherzt administriert werden. Und dass das geschieht, sieht Seehofer nicht. Viele andere sehen es übrigens so wie er. Die Kanzlerin zählt dazu.

Darum kann man das Ganze auch so sehen: Seehofer ist gar nicht gegen Merkels Kurs. Auch hier kurz eine Erinnerung: Er wünscht sich eine absolute Mehrheit für sie. Und immerhin führt er die Partei, die CSU, ohne die Merkel dieses Ziel niemals, wohlgemerkt niemals, erreichen kann. Er will aber gehört werden, mehr noch, mit seinen Einsprüchen und Warnungen hinreichend beachtet werden. Geschieht das nicht, verschafft er sich die Aufmerksamkeit. In diesem Fall von einem anderen, bereits endgültig als Beelzebub Verschrienen: dem Ungarn Viktor Orban.
Da ist jetzt die Analogie nicht weit: Seehofer gibt den deutschen Orban. Das ist so griffig, wie es falsch ist. Der Bayer würde nicht so handeln wie der Ungar. Er handelt vielmehr so ähnlich wie ein anderer in einer anderen Krise – wie Wolfgang Schäuble. Der Finanzminister vertrat in der Griechenland- EU-Krise durchaus massiv den „Grexit“. Auch bei Seehofer und den Grenzfragen und dem Dublin-Abkommen ist das sachlich durchaus ernst gemeint. Das schon. Und das kann man als Position auch ablehnen. Aber zugleich kann sich die Kanzlerin diese Position taktisch zunutze machen: durch zweifache Abgrenzung.

Einmal, indem sie sich von Seehofers Ton distanziert. Zum Zweiten, indem sie sich – ein wenig – von sich selbst distanziert: weil sie als Bundeskanzlerin der Aufnahme von Geflüchteten doch Grenzen setzen muss. Wenn Merkel das tut, in gebotenem Ton, wird ihr das die Mehrheit nicht übel nehmen. Denn sie ist doch eigentlich die Frau mit dem großen Herzen.
Und wieder kommt sie so der absoluten Mehrheit ein Stück näher.

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