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Flüchtlinge in Berlin: Wie geht's weiter am Lageso?

Franz Allert ist weg, die Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales in Moabit bleiben. 2016 sollen aus dem Amt zwei Behörden werden, zwischen Weihnachten und Neujahr bleibt das Lageso aber erst einmal vier Tage geschlossen.

Franz Allert, der Präsident des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), ist in der Nacht zum Donnerstag zurückgetreten. Nun debattieren Landespolitiker darüber, wer die für die Flüchtlingsversorgung zuständige Behörde leiten soll. Kommissarisch übernimmt der langjährige Beamte Michael Thiel den Posten, der nun ausgeschrieben werden muss. Außerdem wird das Lageso 2016 in zwei Ämter geteilt: eines für Flüchtlingsfragen, eines für die anderen Aufgaben. Es bleibt viel zu tun bis zur Berlin-Wahl 2016.

War der Rücktritt von Allert geplant oder ist der Beamte gedrängt worden?

Zu den internen Abläufen, also der Frage danach, wer wen wann wie stark um diesen Schritt gebeten hat, äußern sich die Beteiligten nicht. Fest steht, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte den zuständigen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) unter Druck gesetzt: Noch zu Jahresanfang hieß es, für die Asylbewerberversorgung sei der Sozialsenator verantwortlich – er müsse das mit seiner Verwaltung schaffen. Lageso- Chef Allert fand dann kaum noch potenzielle Heime, bald wurde ihm wegen fragwürdiger Verträge mit Heimbetreibern die Zuständigkeit für die Unterkünfte entzogen. Eine Degradierung, doch vom Posten enthoben wurde Allert nicht. Als im August täglich 1000 Flüchtlinge nach Berlin kamen, erkannte Müller, dass dies nicht einem Senator allein zur Aufgabe gemacht werden könne: Der Regierende half Czaja mit einem ressortübergreifenden Krisenstab. Trotzdem konnte man nicht zügig auf Beamte anderer Behörden zugreifen. Immer noch ist nicht überall klar, wie genau externe Beschäftigte dem Lageso helfen sollen. Allerdings habe, so ein Vorwurf, auch Lageso-Chef Allert nicht flexibel genug angepackt. Müller hat Czaja seit Wochen zu personellen Konsequenzen gedrängt, doch erst eine öffentliche Aufforderung am Mittwoch wurde als Ultimatum verstanden. Intern gehen viele Beamte davon aus, dass der Rücktritt also nicht geplant war.

Was passiert zu Weihnachten und Neujahr am Lageso?

Wie sich die Situation zwischen den Jahren darstellen wird, weiß niemand genau. Fest steht nur, dass das Lageso in der Turmstraße in Berlin-Moabit ab Heiligabend bis Sonntag für vier Tage geschlossen bleibt. Gleiches gilt für die folgende Woche ab Silvester. Auch die Berliner Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat an den Feiertagen zu. Unklar ist, worauf die Senatssozialverwaltung die Hoffnung begründet, Bayern werde die neu nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge in diesen Tagen in Aufnahmelager bringen und nicht wie bislang nach Norden verteilen. Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums schloss das aus: „Das gesamte Verfahren funktioniert nur, wenn an ihm festgehalten wird und die Bundesländer täglich die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge aufnehmen.“ Berlin ist verpflichtet, fünf Prozent aller Asylbewerber in Deutschland zu versorgen. Diese Verteilung geschehe den bayrischen Behörden zufolge direkt an der Grenze, wo jeden Tag mehr als 4000 Menschen ankommen. Diese werden dort mit Zügen in die zugewiesenen Bundesländer gebracht. Dazu kommen Flüchtlinge über andere Wege nach Berlin. Viele Ehrenamtliche finden es absurd, dass das Lageso zu Weihnachten dichtmacht. „Natürlich ist das für uns total enttäuschend“, sagt Diana Henniges von „Moabit hilft“. Die Helfer werden an den Feiertagen im Haus D des Amtes weiter Hygieneartikel, Kleidung, Tee und Essen anbieten.

Warum sind die Zustände am Lageso besonders gravierend?

In diesem Jahr kamen 73.000 Flüchtlinge nach Berlin. Seit Beginn der Bürgerkriege im Nahen Osten 2011 sind mehr als 100.000 Asylbewerber in Berlin versorgt worden. Das Lageso hat regulär rund 1000 Mitarbeiter. Dazu kommen 50 Bundeswehrsoldaten und rund 150 externe Verwaltungsmitarbeiter. Allerdings hatte das Lageso vor zehn Jahren rund 200 reguläre Angestellte mehr – obwohl nur 2000 Flüchtlinge pro Jahr kamen. Seitdem haben die beiden Senatskoalitionen – also Rot-Rot und Rot-Schwarz – Stellen in fast allen Behörden gestrichen, um dem selbst auferlegten Sparkurs zu folgen. Festzuhalten bleibt, dass das Amt schwach organisiert ist und die Spitze schneller auf die Lage hätte reagieren müssen.

Personalvertreter hatten in einem Brief dargelegt, dass mehr Mitarbeiter gebraucht werden: Man stehe vor der Wahl, „streng nach Vorschrift zu handeln oder die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Obdachlosigkeit zu verhindern“ – was auch erkläre, weshalb bei einigen Vertragsvergaben einiges nicht korrekt ablief. Das Lageso ist außerdem auch für Reihenuntersuchungen, Hygienekontrollen sowie Klinik- und Altenheimüberwachung zuständig. Dazu kommen Behindertenhilfe und die Veterinärmedizin. All diese Aufgaben werden beim Lageso bleiben, während Flüchtlingsfragen in einem neuen Amt gebündelt werden. Das (alte) Lageso wird damit medizinlastiger. „Nun muss die Chance genutzt werden, eine leistungsfähige, moderne Leitung zu holen, die mit anderen Ämtern und Initiativen von außen zu kooperieren weiß“, sagte Günther Jonitz. Als Ärztekammerpräsident vertritt er die 29 000 zugelassenen Mediziner der Stadt. Zuletzt hatten sich auch Medizinstudenten, die beim Lageso ihre Leistungen anerkennen lassen mussten, beschwert. Kurz nach Allerts Rücktritt etwa schrieb ein Absolvent, im Lageso würden Hochschulkursscheine in falsche Akten gelegt und universitäre Auslandsaufenthalte nur widerwillig anerkannt.

Welche Aufgaben soll das neue Flüchtlingsamt haben?

Wie berichtet, soll es 2016 ein neues Flüchtlingsamt geben: Dies wäre dann für Registrierung, Unterbringung, Versorgung und Ausbildungen der Asylbewerber zuständig. Weil immer mehr Flüchtlinge nach Berlin kommen, wird das Zusatzamt wohl deutlich mehr als die bislang 300 avisierten Mitarbeiter haben – die meisten davon aus dem Lageso. Bis zu 400 Beschäftigte seien möglich, hieß es, die Planungsgruppe zur Errichtung der Behörde tagte bereits. Sie wird von der derzeitigen Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsdienste, Claudia Langeheine, geleitet. Die Behördenchefin hat auch Erfahrungen in der Arbeit mit Migranten. Zuvor war sie Leiterin der Ausländerbehörde. Sie gilt als erfahrene, kompetente Beamtin. Weil für ein neues Amt ein neues Gesetz verabschiedet werden muss, wird erst im Frühjahr oder gar Sommer mit einer funktionierenden Behörde gerechnet. Die Stelle des Amtschefs wird ausgeschrieben. Einzelne aus Sozialverbänden sind bereits gefragt worden, ob sie Interesse hätten, bislang scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Die Grünen-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, sprach wie Linken-Landeschef Klaus Lederer von einem „Bauernopfer“. Wenn man die Lage am Lageso verbessern wolle, reiche der Rücktritt Allerts nicht. Die Berliner Stadtmission hofft als Betreiber von Flüchtlingsunterkünften, dass jetzt auch die nötigen Genehmigungsverfahren schneller durchlaufen werden.

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