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Friesland trifft Eritera in der Doku von Lisei Caspers.

© Pandora

Dokumentarfilm "Gestrandet": Letzte Ausfahrt Strackholt

Lisei Caspers beobachtet in ihrer Dokumentation „Gestrandet“, wie Flüchtlinge aus Eritrea in Friesland zurechtkommen.

Fünf Eritreer in einem Dorf in Ostfriesland: ein guter Ausgangspunkt für einen Dokumentarfilm über Flüchtlinge. Eine Bäuerin singt ein Heimatlied zur Melodie von „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“, der pensionierte Lehrer erklärt den Afrikanern die Geheimnisse der Kraftfutterherstellung und des Kondomautomaten, während die engagierte Ehrenamtlerin Kuchen in die abgelegene Unterkunft am Rande von Strackholt bringt und die jungen Männer beim Ämtermarathon unterstützt. Hassan, Osman, Ali, Aman und Mohammed lächeln und schweigen dazu.

Erstaufnahme, Willkommenskultur und die Tücken der Integration: Regisseurin Lisei Caspers, die aus einem Nachbardorf stammt, erfuhr beim Weihnachtsbesuch in der Strackholter Christmette von den Neuankömmlingen, wollte von der Kollision Friesland-Eritrea und vom Thema Heimat erzählen, schwenkte während des Drehs jedoch um. „Gestrandet“ entstand lange vor Merkels „Wir schaffen das“ und ist eine Chronik des Scheiterns geworden. Alle meinen es gut mit denen, die durch die Wüste und übers Meer gekommen sind, aber nichts will gelingen.

So hilfsbereit die Ehrenamtlichen und so dankbar die Asylbewerber auch sein mögen, so sehr wächst der Frust. Anfangs nehmen die Gestrandeten noch am dörflichen Boßeln oder beim ostfriesischen Traditionslauf teil und erweisen sich als zuverlässige Ein-Euro-Jobber in der kommunalen Grünanlagenpflege. Aber das monatelange Warten auf den Asylbescheid zermürbt sie. Sie ziehen sich zurück, die Helfer sind enttäuscht, mit dem Deutschlernen klappt es auch nicht so recht, von besser bezahlten Jobs zu schweigen. Nur einer findet Freunde in der Dorfkneipe, der gehörlose Osman, ausgerechnet.

Produzent der 80-Minuten-Doku ist Peter Rommel („Sommer vorm Balkon“, „Feuchtgebiete“), der Caspers Arbeiten unterstützt, seitdem sie 2008 mit einem Nachwuchsfilmpreis auch eine Patenschaft seitens Rommel gewann. Die mit gutem Willen gepaarte Hilflosigkeit des Dorfes findet sich allerdings auch im Film: Warum die Eritreer ihr Schicksal kaum selbst in die Hand nehmen, erfährt man nur ansatzweise. Manchmal erzählen sie ein bisschen, bleiben jedoch vage. Will Caspers sie nicht genauer verstehen? Hat sie es vergeblich versucht? Warum thematisiert sie die Vergeblichkeit nicht?

Eine Vorstellung von Verfolgung, Flucht und Trauma jenseits dessen, was die fünf kurz vor der Kamera berichten, vermittelt „Gestrandet“ nicht. Wenn beim Volkslauf sekundenkurze Fluchtbilder aus der Sahara aufflackern, wechseln Außenperspektive und subjektiver Blick so unvermutet, dass man erst recht merkt, was fehlt. Auch verdichtet sich die notgedrungene Passivität der Eritreer, ihre Depression, nicht zu Kinobildern.

Dennoch ist „Gestrandet“ ein verdienstvolles Projekt, verdeutlicht der Film doch die Bigotterie einer Gesellschaft, die Integration predigt und die Geflüchteten gleichzeitig im Nirgendwo abstellt. 20 Kilometer von der nächsten Kleinstadt entfernt, ohne Zugang zu Sprachkursen und Jobs. Aber auch ein Notunterkunfts- Ghetto in der Großstadt kann ein solches Nirgendwo sein. Christiane Peitz

b-ware! ladenkino, fsk

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